Große Fähranbieter lehnen Elektroauto-Verbot ab

Die in Deutschland führenden Reedereien an Nord- und Ostsee lehnen ein Verbot von Elektroautos an Bord ihrer Fähren auch weiterhin ab. Vor einigen Wochen hatte die norwegische Reederei Havila Kystruten mit einem Ausschluss der Stromer auf ihren Schiffen für internationale Schlagzeilen gesorgt. Das Unternehmen begründete den Schritt mit einer erhöhten Brandgefahr bei Elektrofahrzeugen und aufwendigeren Löschmaßnahmen.

Die unter anderem für BMW und Volkswagen tätige große norwegische Reederei Höegh hatte gegenüber der Automobilwoche ­erklärt, nur noch fabrikneue Elek­troautos mit ihren Schiffen zu ­befördern – bereits gefahrene Stromer dürfen hier ebenfalls nicht an Bord. COO Sebjørn Dahl sagte: „Wir sind der Sicherheit unserer Crew und unserer Fracht verpflichtet und haben deswegen entschieden, keine gebrauchten Elektroautos zu befördern.“

Ein Trend, dem die an den ­deutschen Küsten operierenden Fähranbieter nicht folgen werden. Dirk Hundertmark, Geschäftsführer der Reederei Color Line in Deutschland, sagte der Automobilwoche: „E-Auto-Besitzer können ohne Weiteres ihr Auto auf den Color-Line-Schiffen mitnehmen. Die häufigste Ursache von Bränden bei E-Autos ist der Lade­vorgang. Daher ist das Laden von E-Autos an Bord aus Sicherheitsgründen nicht gestattet.“ Zudem setzt man bei den Kielern auf ­erhöhte Sicherheitsmaßnahmen: „Wir haben die Autodecks mit speziellen Gasüberwachungsgeräten ausgestattet, die gefährliche Gase aus einer Überhitzung in Lithiumbatterien frühzeitig erkennen. Eine Feuerwache patrouilliert regelmäßig auf dem ­Autodeck, um ungewöhnliche Vorkommnisse festzustellen.“

So gelassen sieht man es auch bei der schwedischen Reederei Stena Line, die unter anderem von Kiel und Rostock operiert. Das Unternehmen teilte der Automobilwoche mit: „Wir haben bisher keine einzige negative Erfahrung mit Elektroautos gemacht. Dementsprechend haben wir bei Stena Line keine Einschränkungen für den Transport für E-Autos und planen diese auch nicht.“

Gleiches gilt für die Dänen von Scandlines, die unter anderem in Rostock und Puttgarden ablegen. Hier heißt es: „Wir befördern weiter alle Fahrzeugtypen. Verbrenner, Hybride und Elektroautos.“ Szenen wie im März 2022, als der Autofrachter „Felicity Ace“ mit 1100 Porsche, 186 Bentley und 2700 Volkswagen-Fahrzeugen brennend vor den Azoren sank, schließt die Reederei dennoch aus: „Unsere Fähre würde in ­einem Brandfall sofort den ­nächsten Hafen anlaufen, der auf unseren Routen immer maximal 45 Minuten entfernt ist.“

Eine offizielle Untersuchung zur Brandursache bei der „Felicity Ace“ ist weiterhin nicht vollständig abgeschlossen. Offen ist daher, ob wirklich ein Elektroauto das verheerende Feuer auslöste. Doch vor allem die Transportbranche verfolgt die verhängten Einschränkungen von den Anbietern Havila Kystruten und Höegh Auto­liners mit Sorge.

Romain ­Leblanc, Europa-Direktor beim großen Gebrauchtwagen-Auktionsanbieter BCA, sagte der Automobilwoche: „Dies würde eine weitere Knappheit bei den Kapazitäten bedeuten, die die Industrie zusätzlich zum aktuellen Mangel an Lastwagen treffen könnte. In der Tat, wenn Schiffsanbieter damit aufhören würden, neue Elektroautos zu befördern, würde die zusätzliche Nachfrage nach geeigneten Transportern für die Straße durch OEMs zu einer schweren Krise im Transportwesen führen. Die Konsequenzen für die gesamte Industrie wären hart."

Dies ist ein Text aus der neuen Ausgabe der Automobilwoche, die Sie HIER bequem abonnieren können.

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