Herr Jené, ist in der Vergangenheit bei Segula Technologies nicht kaufmännisch genug gedacht worden?
Ich möchte nicht über die Vergangenheit reden. Nur so viel. Die Corona-Pandemie hat sicherlich dazu beigetragen, dass sich Segula nicht so entwickeln konnte wie es notwendig gewesen wäre. Insbesondere in puncto Drittkundengeschäft. Zudem muss man berücksichtigen, dass wenn ein Unternehmen wie Segula Technologies aus einem OEM herausgeschält wird, dann muss eine solche Firma von Beginn an den Weg von einem Cost- zu einem Profitcenter gehen. Das heißt, sie müssen versuchen von Tag eins an wettbewerbsfähig zu sein. Doch es dauert seine Zeit, bis das eine Organisation verinnerlicht hat.
Wie sieht ihre Kundenlandschaft aus?
Wir sind in erster Linie auf die deutschen Fahrzeughersteller fokussiert. Mit denen möchten und werden wir wachsen und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in China oder in den USA. Wenn Sie mit deutschen Herstellern zusammenarbeiten, dann ist das die Eintrittskarte für viele andere OEMs. In der Nähe unseres Unternehmenssitzes in Rüsselsheim haben sich viele asiatische Fahrzeughersteller angesiedelt, traditionelle wie auch neue Anbieter. Zum Teil konnten wir diese bereits als Kunden gewinnen. Und dann wollen wir natürlich auch das Geschäft mit den Zulieferern ausbauen.
Die deutschen OEMs setzen stark auf den chinesischen Markt. Müssen Sie dort noch präsenter werden?
China ist für mich ein absolutes Muss. Dort wird die Segula-Gruppe in den nächsten Jahren sicherlich weiter wachsen. Derzeit sind wir mit mehr als 300 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten in China präsent. Bislang vor allem in der Nähe der Joint Ventures französischer Autohersteller, künftig auch an den Standorten der deutschen Kunden. Zur Zeit erleben wir bei unseren Kunden, dass sie beispielsweise Motorenentwicklungen zum Teil nach China vergeben. Um ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu haben, dürfen wir aber nicht nur an einen Markt denken, sondern müssen in Europa, Asien und in Amerika präsent sein. Ich glaube auch, dass der russische Markt zurückkommen wird. Wir müssen den Kunden in allen Märkten unsere Leistungen anbieten können.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte bei den Entwicklungsthemen?
Die Stichworte heißen Elektrik, Elektronik und Digitalisierung. Neben batterieelektrischen Fahrzeugen setzen wir zudem ganz bewusst auf die Brennstoffzelle. Insbesondere hier an unserem Rüsselsheimer Standort. Auch die Fahrzeugvernetzung bildet bei uns einen Schwerpunkt. Damit meine ich nicht nur das autonome Fahren, sondern die Vernetzung des Fahrzeugs mit der Umwelt.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Wir glauben, dass der Endkunde die Wertigkeit eines Fahrzeugs anders wahrnimmt und dass sich diese Einschätzung weiter ändern wird. Für uns nimmt der chinesische Markt diesbezüglich eine Vorreiterrolle ein. Dort spielt die Fahrzeugvernetzung schon jetzt eine große Rolle. Bei all diesen Entwicklungen dürfen wir aber nicht die Wirtschaftlichkeit aus den Augen verlieren.
Was meinen Sie damit?
Die Software spielt bei allen Themen eine große Rolle. Und die Ressourcen dafür sind in Deutschland und Europa knapp. Dabei kommt uns zugute, dass die Segula-Gruppe einen globalen Footprint hat. So können wir beispielsweise auf Softwareressourcen in Nordafrika oder Osteuropa zurückgreifen. Die Frage ist dann nur noch, arbeiten wir die Aufgabenstellungen mit den Spezialisten in den Ländern ab oder holen wir die Spezialisten ganz bewusst nach Deutschland, um sie dann auch hier einzusetzen. Da gilt es den richtigen Mix zu finden, damit sich das rechnet. Unstrittig ist, dass das Thema Best-Cost-Countries immer wichtiger wird. Ich bin mir sicher, dass uns der globale Footprint als Premiumdienstleister dabei auszeichnen wird.
Über den Erfolg entscheiden also vor allem die Kosten?
Nein. Sie müssen auch die technische Kernkompetenz haben. Nur wenn Entwicklungsdienstleister in beiden Feldern überzeugen, gehören sie zu den Top-Dienstleistern und haben ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Sie müssen Kosten und Ressourcen beherrschen, anders geht es nicht.
Haben Sie für Ihren Brennstoffzellenantrieb bereits einen Kunden?
Die Akquisition ist bei einem Kunden relativ weit fortgeschritten. Den Namen kann ich Ihnen allerdings nicht nennen. Einige unserer Wettbewerber setzen sehr stark aufs batterieelektrische Fahrzeug. Das machen wir ganz bewusst nicht. Da sich Opel in der Vergangenheit mit der Brennstoffzelle auseinandergesetzt hat, haben wir bei der Übernahme hervorragende Fachkräfte für Segula Technologies gewinnen können. In den vergangenen eineinhalb Jahren haben wir dann auf eigene Kosten die Brennstoffzellenentwicklung weiter vorangetrieben. Für den Kunden Clean Logistics rüsten wir gerade eine Lkw-Kleinserie auf Brennstoffzellen um.
Haben Sie noch Mitarbeiter in Kurzarbeit?
Nein. Seit März spüren wir, dass die Projekte zurückkommen, nicht nur von Opel, sondern auch von anderen, insbesondere deutschen Automobilherstellern.
Rechnen Sie mit einem Abbau von Mitarbeitern?
Wenn sich das Geschäft so entwickelt wie ab März, ist das nicht zu befürchten. Die Belegschaft hat im vergangenen Jahr wirklich bluten müssen. Aber wir werden uns auch noch einmal unsere Managementstruktur anschauen und werden künftig mit einer sehr schlanken Struktur arbeiten.
Wie ist es um die Auslastung ihrer Testanlagen bestellt?
Der Bereich Engineering entwickelt sich sehr gut, aber im Testing haben wir noch freie Kapazitäten. Bis auf Windkanalmessungen können wir ein komplettes Gesamtfahrzeugtesting anbieten. Wir haben 54, teilweise neue Antriebsstrang-Prüfstände. Wir sind ein Entwicklungsdienstleister, der über die Testeinrichtungen eines Fahrzeugherstellers verfügt. Das ist gut für die Reputation, aber sie müssen diese Testkapazitäten auch auslasten können. Bedingt durch die angekündigten EU-7-Grenzwerte haben wir jetzt aber wieder vermehrt Anfragen für Fahrzeug- und Motorentests.
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