Warum die Autoindustrie einen Think Tank braucht

Seit Jahren überlässt die Automobilindustrie die Forschung an den großen Themen ihrer Zukunft Organisationen und Einrichtungen, die eher industriefern aufgestellt sind. Es ist kaum nachvollziehbar, warum die Branche nicht längst einen eigenen Think Tank ins Leben gerufen hat, der wissenschaftlich fundierte Analysen produzieren kann, die über den Tag hinaus Bestand haben.

Mit klassischer Lobby-Arbeit stößt die Branche in Brüssel und in Berlin meist nur noch auf taube Ohren. Die Auto-Branche leidet unter einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem, das im Kern selbstversschuldet ist: Stichwort Diesel-Skandal, jetzt wieder neu auf der Agenda durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Klagerecht bei unzulässigen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung.

Es fehlt nicht an Mahnern und gewichtigen Stimmen aus der Wissenschaft, die in den Diskussionen ums Automobil vor allem die ernste Bedrohung durch den Klimawandel antreibt.

Zu nennen wären hier etwa die europäische Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E), das Wuppertal Institut, das Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) oder das Öko-Institut in Freiburg.

Bedeutende Forschungsarbeit zum Thema Verkehr und Mobilität liefern seit Jahren auch zahlreiche Institute der Helmholz- und der Fraunhofer-Gesellschaften.

Doch in dieser Vielfalt der Stimmen fehlt erstaunlicherweise eine fachlich fundierte Stimme der Automobilindustrie. Zwar betreibt der Verband der Automobilindustrie (VDA) die "Forschungsvereinigung Automobiltechnik" (FAT)  als eigenständige Fachabteilung - doch dabei geht es im Wesentlichen um die technischen Askpekte von moderner Mobilität.

In der fast permanent dauer-erregten Debatte ums Automobil und die Mobilität könnte vor diesem Hintergrund ein Think Tank der Automobilbranche in vielen Fragen für mehr Sachlichkeit und die Kraft des guten Arguments sorgen.

Dieser "wissenschaftliche Dienst" der Autobranche könnte eine ernst zu nehmende Stimme in der politischen und öffentlichen Debatte um die Themen Mobilität, Nachhaltigkeit, Standortsicherung und Wettbewerbsfähigkeit werden.

Je offener die Autobranche dabei auftritt, um so glaubwürdiger würde ihre Stimme wahrgenommen. Dazu würde auch die Offenlegung der Finanzierung eines solchen Think Tank gehören und volle Transparenz im Sinne des europäischen Lobby-Registers.

Neben der wissenschaftlichen Arbeit im engeren Sinn würde zur zentralen Aufgabe eines solchen Think Tanks eine agile Öffentlichkeitsarbeit gehören. Vorstellbar wären je nach Ausstattung auch eine Akademie und die Veranstaltung von hochkarätigen Tagungen, die den Austausch mit Vertretern außerhalb der Industrie nicht scheut, sondern im Gegenteil pflegt.