Die Zeiten für Jaguar sind derzeit nicht leicht. Das Portfolio besteht aus Modellen, von denen viele am Ende ihres Lebenszyklus stehen. Die Absatzkurve zeigt nach unten, selbst im Heimatmarkt England. Es fehlen Neuzugänge, Kunden wechseln zu anderen Herstellern. Der Nimbus Jaguar verblasst. Die Marke steht längst nicht mehr für das, was sie einst auszeichnete: britisches Flair und sportliche Eleganz.
Die Gründe für den Niedergang sind vielfältig und nicht allein im Brexit, in der Pandemie und bei Halbleiter-Engpässen zu suchen. Dazu beigetragen haben wohl auch unternehmerische Fehlentscheidungen des früheren CEO Ralf Speth. Er ließ mit Milliardenaufwand eine Multi-Purpose-Plattform entwickeln, auf der unter anderem ein Fünfmeter-Fullsize-SUV namens J-Pace sowie der Nachfolger der Limousine XJ entstehen sollten. Erst spät kam man zu der Einsicht, künftige SUVs doch besser der kompetenten Schwester Land Rover zu überlassen.
Ein weiteres Missgeschick war, den neuen, nun vollelektrischen XJ nicht auf eine dezidierte Plattform zu stellen, um zu verhindern, dass er technisch gleich ins Hintertreffen gerät. Das Modell sollte längst auf der Straße sein. Auf der Zielgeraden – getarnte Vorserienfahrzeuge waren bereits zur Erprobung unterwegs – zog Speths Nachfolger Thierry Bolloré 2021 im Rahmen seiner „Reimagine“-Strategie jedoch den Stecker. Gründe wurden nicht genannt. Bei Mercedes zumindest sollen die Sektkorken geknallt haben, denn der XJ wäre noch vor dem EQS auf dem Markt gekommen.
In den nächsten Jahren dürfte Jaguar alle heutigen Modelle auslaufen lassen. Es steht der größte Umbruch der Firmengeschichte an. Den Anfang macht der letzte verbleibende Sportwagen der Marke, der F-Type. Ab 2025 will Jaguar nur noch vollelektrischen Modelle anbieten und sich zu einer luxuriösen Nischenmarke wandeln. Noch Ende 2024 soll eine Luxuslimousine enthüllt werden. Beim Design spricht Jaguar von "A Copy of Nothing". Kein Bezug zur Historie also. Als Marke mit einer 100-jährigen Tradition eine mutige Entscheidung. Mitarbeiter im Entwicklungszentrum in Gaydon bezeichnen den Unterschied zum ersten Entwurf als "gigantisch". Aufbauen soll das elektrische Flaggschiff auf einer zusammen mit Magna Steyr entwickelten Elektro-Architektur. Das österreichische Unternehmen fertigt für Jaguar bereits das elektrische Crossover-Modell I-Pace.