Die Erholung nach der Corona-Krise war für die europäischen Automobilzulieferer nicht von Dauer. 2021 hatte sich die Profitabilität der Zulieferer nach dem Absturz im Jahr 2020 deutlich erholt – allerdings ohne das Niveau von 2019 zu erreichen. Doch schon 2022 ging es wieder bergab, wie der europäische Automobilzuliefererverband Clepa ermittelte. Der Anteil jener Zulieferer, die im operativen Geschäft eine Ebit-Marge von mehr als fünf Prozent erreichten, sei sogar das dritte Jahr in Folge gesunken. 2022 lagen laut Clepa 77 Prozent der Zulieferer unter dieser Marke, 2019 seien es nur 41 Prozent gewesen. Fast jeder vierte Zulieferer (23 Prozent) habe 2022 sogar Verluste gemeldet. 2019 galt das nur für drei Prozent der Unternehmen.
Auch in Deutschland „stehen viele Zulieferer mit dem Rücken zur Wand“, während gleichzeitig „die Automobilhersteller trotz Krise derzeit prächtig verdienen“, sagt Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für Westeuropa.
Vom auf 506 Milliarden Euro gestiegenen Rekordumsatz der deutschen Automobilindustrie profitierten laut EY die Zulieferer nur wenig: Während die Automobilhersteller ein Plus von 28 Prozent auf 408 Milliarden Euro verbuchten, konnten die Zulieferer ihre Umsätze nur um sechs Prozent auf 84,2 Milliarden Euro steigern. Auch im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 zeigt sich die unterschiedliche Entwicklung deutlich: die Zulieferer setzten 2022 gut fünf Prozent mehr um als 2019, bei den Herstellern lag der Zuwachs bei 18,6 Prozent.
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Der Anteil der Hersteller am Gesamtumsatz der deutschen Automobilindustrie lag 2022 EY zufolge bei 81 Prozent, der Anteil der Zulieferer bei 17 Prozent. Der Rest entfalle auf Hersteller von Karosserien, Aufbauten und Anhängern. Damit sei in den vergangenen fünf Jahren der Umsatzanteil der Hersteller um drei Prozentpunkte gestiegen, der der Zulieferer um zwei Prozentpunkte gesunken.
Wichtige Wachstumsimpulse kamen EY zufolge zuletzt vom Export: Insgesamt legten die Ausfuhren von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen aus Deutschland 2022 um 16 Prozent auf den neuen Rekordwert von 244,8 Milliarden Euro zu. Der bisherige Spitzenwert war 2017 mit 235,2 Milliarden Euro erreicht worden.
Die Ausfuhren in die USA, den wichtigsten Exportmarkt der deutschen Autoindustrie, legten um 37 Prozent auf 34,0 Milliarden Euro zu und stellten damit fast den bisherigen Rekord von 34,1 Milliarden Euro um Jahr 2015 ein. Der zweitwichtigste Exportmarkt war erneut China: Trotz erheblicher pandemiebedingter Einschränkungen stiegen die Exporte nach China um neun Prozent und erreichten damit einen neuen Höchststand.
EU-weit errechnete Clepa – allein für die Zulieferer – ein Exportwachstum um 3,4 Prozent auf 53,9 Milliarden Euro. Parallel seien die Importe in die EU um 20,4 Prozent auf 28,3 Milliarden Euro gestiegen. In der Bilanz beider Werte lag der Exportüberschuss bei 25,7 Milliarden Euro und damit unter dem Wert von 2021 (28,7 Milliarden Euro).
Der Druck auf die Zulieferer zeigt sich auch in den Beschäftigtenzahlen in Deutschland und Europa. In Deutschland sank die Zahl der Beschäftigten bei Automobilzulieferern 2022 um sechs Prozent auf rund 274.000, wie EY ermittelte. Bei den Herstellern legte sie um ein Prozent auf etwa 461.000 zu. Das sind weniger als im Spitzenjahr 2018 (rund 486.000), aber rund zehn Prozent mehr als 2006. Die Zulieferer beschäftigten rund 2,5 Prozent weniger als 2006.
Auf europäischer Ebene wertet die Clepa halbjährlich die Ankündigungen von neuen Jobs und Jobstreichungen aus. Dabei ergibt sich europaweit seit 2020 unter dem Strich ein Minus von rund 44.600 Stellen.
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Für die Zukunft machen die Berater von EY den Automobilzulieferern insgesamt keine Hoffnungen auf bessere Zeiten. So gehe „die Schere zwischen Herstellern und Zulieferern immer weiter auseinander – auch weil die Autohersteller die Produktion von Batterien und Elektromotoren selbst in die Hand nehmen oder Partnerschaften mit Batterieunternehmen eingehen und weniger auf ihre altgedienten Lieferanten setzen“, sagt Constantin M. Gall.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch eine neue Studie von McKinsey. Bei der Frage, ob Hersteller Elektroantriebsstränge selbst bauen oder zukaufen, gebe es zwar noch keine allgemeine Linie der Hersteller. Doch man erwarte, dass bis zur Mitte des Jahrzehnts viele große traditionelle Hersteller sowohl E-Antriebsstränge als auch Batteriepacks selbst herstellen werden und Batteriezellen und bestimmte Leistungselektronik-Komponenten und Onboard-Ladegeräte zukaufen. Zu den Haupttreibern für diesen Trend zählten Kosteneinsparungen, Differenzierung gegenüber Wettbewerbern und die Vermeidung von Entlassungen eigener Beschäftigter. Die Folge: Die McKinsey-Berater erwarten eine große Konsolidierung im gerade erst entstehenden Markt der E-Antriebsstrang-Zulieferer.
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