ZF und KPIT bündeln Know-how in Softwarefirma Qorix

Der Zulieferer ZF Friedrichshafen und das indische Unternehmen KPIT Technologies wollen ihre Kräfte im unabhängigen Softwareunternehmen namens Qorix bündeln. Vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen werden das Softwareentwicklungs- und Integrationsunternehmen KPIT und ZF hierzu ihre Middleware-Aktivitäten aus der bestehenden Entwicklungskooperation auf dieses Unternehmen übertragen. Qorix soll einen unabhängigen Middleware-Stack für die Automobil- und Mobilitätsindustrie weiterentwickeln und vertreiben. ZF-Entwicklungsleiter Dirk Walliser äußerte sich im Gespräch mit der Automobilwoche zuversichtlich, „dass wir noch in diesem Jahr die kartellrechtlichen Freigaben für das Closing bekommen“.  

Qorix ist derzeit eine Tochtergesellschaft von KPIT, an der sich ZF mit 50 Prozent beteiligen wird. Das neu gegründete Unternehmen wird auf der Expertise und dem geistigen Eigentum von KPIT und ZF aufbauen, um offene und skalierbare Middleware-Plattformen und -Lösungen für die Mobilitätsbranche weiterzuentwickeln. Beide Partner werden ihren Beitrag in Form von Eigenkapital, Vermögenswerten und geistigem Eigentum leisten. Die aktive Zusammenarbeit mit Fahrzeugherstellern, anderen Tier-1-Zulieferern und Technologieunternehmen habe bereits begonnen.

„In einem ersten Schritt soll Qorix mit 300 Mitarbeitern starten“, sagt Walliser. „Darauf haben wir unsere Planungen ausgerichtet. Diese Größe benötigen wir, um auf Hardwareplattformen verschiedene SOCs (System-on-a-Chip) zu bedienen. Egal, ob die SOCs beispielsweise von Nvidia, Qualcomm oder anderen SoC-Playern kommen. Und wir benötigen auch ein schlagkräftiges Team von Anfang an, um Schnelligkeit zu erzeugen.“ München wird der Hauptstandort von Qorix sein, ergänzt um ein Entwicklungszentrum in Indien. Die Führung des künftigen neuen Unternehmens werde sich nach Aussagen des Entwicklungsleiters als Start-up an den Software-Erfordernissen des Mobilitätsmarktes orientieren. „ZF und KPIT verstehen sich als Geburtshelfer, die die Skalierung konstruktiv begleiten.“

Fahrzeughersteller sollen mit der modularen und integrierten Middleware-Lösung von Qorix, die laut ZF so auf dem Markt bislang nicht verfügbar ist, die ständig wachsende Softwarekomplexität leichter bewältigen können und dabei die vollständige Kontrolle über die Softwarearchitektur behalten. Ohne eine solche Lösung steige das Risiko, dass sich der Produktionsstart von Fahrzeugen verzögert und die Kosten steigen.

Walliser verweist darauf, dass die Komplexität bei High-Performance-Computern „riesengroß“ ist. „Es gibt dann zwar nur wenige zentrale Rechner, aber alle Software-Funktionen, die vorher optimiert auf einzelnen Steuergeräten gelaufen sind, müssen jetzt gebündelt und konzentriert verortet werden.“ Dafür werden nach seiner Einschätzung für sicherheitsrelevante Funktionen auch Betriebssysteme wie Autosar bis hin zu einer Zonenarchitektur-Middleware benötigt, die serviceorientierte Ansätze erlaubt. „Dabei ist uns bewusst, dass wir uns nicht zu stark an einen bestimmten Fahrzeughersteller koppeln können, sondern für unterschiedliche Architekturen bereit sein müssen.“

Qorix werde für andere Techologieunternehmen offen sein und die nicht-wettbewerbsdifferenzierenden Teile der Fahrzeugsoftware unabhängig von den Gesellschaftern und mit hohen Skaleneffekten anbieten können, prognostiziert Walliser. „ZF wird damit sein eigenes Angebot stärker auf differenzierende Softwarefunktionen fokussieren und integriert Lösungen aus Hard- und Software-Fahrzeugsystemen für die Fahrzeughersteller entwickeln.“

„Wir sind der Meinung, dass die Mobilitätsbranche zu diesem Zeitpunkt eine unabhängige Middleware-Lösung benötigt, die einen erheblichen Wert darstellt“, sagt Kishor Patil, CEO von KPIT Technologies. „Wir freuen uns sehr über die Gründung von Qorix, von der die gesamte Branche profitieren wird. Die Entwicklung der Middleware-Lösung von Qorix wird sich auf die Erfahrung von KPIT in mehreren Produktionsprogrammen, auf die Expertise in der Architekturberatung und Softwareintegration sowie auf die Stärken von KPIT im Bereich der Cloud-basierten vernetzten Dienstleistungen stützen.“

Walliser betont, dass sich das Middleware-Angebot an alle Fahrzeughersteller weltweit richte. „Die aktive Zusammenarbeit mit ersten Unternehmen hat bereits begonnen, mit weiteren sind wir im Gespräch.“ Zu möglichen Umsätzen wollte er keine Angaben machen. Insbesondere die neuen Anbieter im Bereich E-Mobilität wollen sich nicht mehr mit Standardkomponenten beschäftigen, sondern wollen sich laut Walliser über die von den Kunden erlebbaren Funktionen differenzieren. „Diese Fahrzeughersteller setzen voll auf das digitale Erlebnis. Dafür benötigen sie eine Middleware, die mit Fahrzeugfunktionen, der digitalen Erlebniswelt und mit den Daten aus der Cloud harmonisiert. Genau dafür ist dieses Middlewarepaket maßgeschneidert“, ist er überzeugt.

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