Die drei großen Probleme von Tesla

Elon Musk hätte eigentlich Grund zu guter Laune. Jüngst besuchte der Tesla-Chef erstmals seit Jahren wieder China, ließ sich von Politikern und Top-Unternehmern umgarnen und stattete seinem auf vollen Touren laufenden Werk in Schanghai einen Besuch ab. Nur ein paar Tage zuvor sorgte die Meldung, wonach das Tesla Model Y im ersten Quartal 2023 das meistverkaufte Auto der Welt gewesen sei, zusätzlich für gute Stimmung. Doch der Schein trügt.

Tatsächlich steht das Unternehmen trotz starker Zahlen im ersten Quartal 2023 so stark unter Druck wie lange nicht mehr in der nunmehr fast 20 Jahre währenden Erfolgsgeschichte des Elektroautopioniers. Drei zentrale Probleme plagen CEO Elon Musk aktuell.

Ein wichtiger Indikator: die weltweiten Auftragseingänge. Der anerkannte Tesla-Analyse­account „Troy Teslike“ kalkulierte auf Twitter für den Monat Mai ­einen weltweiten Auftragsbestand von 83.000 Fahrzeugen. Noch vor einem Jahr standen rund 476.000 Fahrzeuge in den Bestellbüchern.

Im Auslieferungs­gebiet Europa seien es im vergangenen Monat sogar nur noch rund 17.000 Aufträge gewesen. Immerhin: Teslas deutliche Preissenkungen auf ­allen Märkten seit Jahresbeginn scheinen Wirkung zu zeigen. Im April standen nur 68.000 Aufträge in den Büchern, die Bestellungen ziehen jetzt wieder leicht an. Zum Vergleich: Der VW-Konzern kommunizierte Anfang Mai die Zahl von 260.000 Bestellungen für vollelektrische Fahrzeuge allein in Westeuropa.

Der Analyst Matthias Schmidt von Schmidt Automotive Research sagte der Automobilwoche: „Tesla gerät jetzt immer stärker unter Druck, weil etablierte Hersteller ihr BEV-Portfolio stetig erweitern. Das wird noch zunehmen, wenn BMW ab 2025 seine Neue Klasse auf den Markt bringt und Audi seine ersten PPE-Fahrzeuge ausliefert.“ Im ersten Quartal 2023 wurde Audi von Tesla allerdings noch vorgeführt: Die Amerikaner lieferten 422.875 Fahrzeuge aus und übertrafen damit erstmals in ihrer Geschichte die Vertriebszahlen der Ingolstädter (415.684 Fahrzeuge).

Doch das kürzlich veröffentlichte Ranking der Verkehrsforschungsorganisation ICCT aus den USA zum Wandel großer Hersteller in der Elektromobilität bescheinigt deutschen Auto­bauern eine Aufholjagd. Tesla steht zwar weiter unangefochten an der Spitze, doch BMW kletterte auf Platz drei, der VW-Konzern ist Vierter. Speziell bei den zen­tralen Batterie-Parametern, also ­Ladegeschwindigkeit, Reichweite und Energiedichte, soll die Neue Klasse zu Tesla aufschließen, sie am besten noch überflügeln. ­Bereits seit Langem beschlossen ist dafür der Umstieg von prismatischen Batteriezellen auf Rundzellen mit einem Durchmesser von 46 Millimetern – wie sie auch Tesla nutzt.

Musk braucht eine Antwort auf den Druck der Konkurrenz – liefern soll sie das Projekt „Highland“. Unter diesem Namen plant Tesla ein umfangreiches Update für das Model 3, das aktuell im Werk in Schanghai vorbereitet wird. Es wäre das erste größere Facelift für das Volumenmodell seit dem Verkaufsstart vor sechs Jahren.

Eine Auffrischung der Modellpalette tut Not. „Teslas Erfolg hängt momentan sehr stark mit dem Model Y zusammen“, sagt Analyst Schmidt. Nur vier Modelle bietet Tesla nach wie vor seinen Kunden an. Dazu kommen in diesem Jahr der Cybertruck und der Lkw Semi, die beide nicht für mehr Volumengeschäft sorgen. Und auch während des China-­Besuchs gab es für Musk noch ­eine böse Überraschung: Der lokale Konkurrent BYD meldete für Mai die Zahl von 126.091 weltweit abgesetzten reinen Elektrofahrzeugen. Mehr als Tesla.

Vor genau 20 Jahren begann die Geschichte von Tesla. Im Juni 2003 wurde der Elektroautopionier gegründet. Die Automobilwoche widmet Tesla deshalb eine große Sonderbeilage. Lesen Sie alles über Erfolge und Flops und die Rolle als Branchenschreck in der Transformation - in der nächsten Ausgabe.

Aus dem Datencenter:

Entwicklung der reinen Elektroautos in Deutschland bis Mai 2023

Zulassungen von Tesla in Deutschland nach Kanälen 2018 bis 2023

Überblick über das Tesla-Werk Grünheide

Tesla-Geschichte 2003 bis 2022