Das Metaverse lockt die Automobilhersteller

Mit virtuellen Produkten reale Geschäfte machen oder zumindest Kunden für sich begeistern – das ist eine der Verheißungen des Metaverse. Wie genau das Metaverse oder die vielen verschiedenen virtuellen Welten im Metaverse aussehen werden, ist noch offen. Das Metaverse ist eine technisch wesentlich fortgeschrittenere Variante von Second Life, der ersten virtuellen Welt im Internet, die vor rund zwei Jahrzehnten an den Start ging und nie eine große Nutzerschaft fand, die dort in Form von Avataren leben und Geld ausgeben wollte.

Klar ist auch, dass Metaversen fernab vom Automobilkäufer heute schon große Vorteile bringen – unter dem Namen Industrial Metaverse. Dort treffen sich schon Produktions- und Logistikexperten in Form von Avataren in Digitalen Zwillingen realer oder noch zu bauender Automobilwerke zu Planungsrunden.

Ein praktisch noch unerschlossenes Feld ist das Metaverse als Mittel, um Kunden zu binden oder ihnen virtuelle Produkte zu verkaufen. „DAS eine Metaverse gibt es momentan noch nicht. Auch über die exakte Definition gibt es unterschiedliche Ansichten. Aber was sich da gerade entwickelt, ist spannend und motiviert uns, erste Schritte zu tun“, erläutert Tim Walther, Group Manager für Metaverse und NFT im VW-Konzern. Dabei richten die Wolfsburger ihre Aktivitäten derzeit auf Marketing und Kundenbindung. „Wir zielen darauf, ein neues Markenerlebnis zu schaffen, das nun immersiv ist und es uns erlaubt, auf eine neue, emotionalere Art mit dem Kunden zu interagieren“, so Walther.

Das können beispielsweise – sehr produktnah – virtuelle Showrooms und virtuelle Testfahren sein, aber ebenso virtuelle Erlebniswelten rund um Marke und Produkt.

Die Honda-Premiummarke Acura nimmt für sich in Anspruch, als erster Automobilhersteller einen digitalen Showroom im Metaverse eingerichtet zu haben. Dort konnten im vorigen Frühjahr 2022 jene 500 Käufer, die als erste einen Acura Integra aus einer limitierten Serie für sich reservierten, auf einen NFT für ein digitales Kunstwerk hoffen. Die Marke Abarth eröffnete gerade einen virtuellen Ausstellungsraum im Metaverse.
 

Durch den Verkauf virtueller Produkte in Form von Non Fungible Tokens (NFT) neues Geschäft aufzubauen ist für den VW-Konzern zunächst kein Thema. Non Fungible Tokens sind einzigartige, nicht teilbare und nicht reproduzierbare Elemente auf Blockchainbasis, die meist einen Link zu einem irgendwo gespeicherten digitalen Inhalt enthalten.

Offen ist auch noch, mit welcher Technik der Einstieg in ein Metaverse erfolgt. „Eine One-Size-Fits-All-Lösung für Metaverse-Aktivitäten gibt es nicht. Manche Erlebnisse kann man beispielsweise allein mit einem Browser oder dem Handy betreten, andere eignen sich besonders für Virtual-Reality-Brillen“, erläutert Walther zwei Ansätze. Abhängig davon, welcher dieser Wege sich durchsetzt, wird sich die Gestaltung der virtuellen Welten unterscheiden.

Auch um möglichst schnell mit vielen Ansätzen Erfahrungen sammeln zu können, entscheiden die Marken im VW-Konzern über ihre eigenen, spezifischen Ansätze und tauschen dann ihre Erfahrungen aus, um das Wissen zu teilen. Eine Frage lautet beispielsweise: ein eigenes Metaverse aufbauen oder sich in eine etablierte Plattform einklinken?

„Eine eigene Metaverse-Plattform wie sie Cupra gerade gelauncht hat, kann sehr markenspezifisch gestaltet sein. Nutzt man eine bereits etablierte Plattform, wie Skoda es mit Nemesis tut, tritt dieser Aspekt etwas zurück, dafür finden sich dort bereits zahlreiche User der Plattform“, beschreibt Tim Walther zwei Varianten.

Einige Konzernmarken experimentieren auch bereits mit NFTs. So versteigerte Audi vor einem Jahr das digitale Kunstwerk „Unseen Universe“ in Form von 7000 NFTs und nahm damit 860.000 US-Dollar für eine Spende an die Ukraine ein. Auch Porsche versteigerte 2021 eine digitale Designskizze in Form eines NFTs für einen guten Zweck und erlöste damit rund 80.000 Euro.

Ende letzten Jahres stellte Porsche bei der Art Basel in Miami seine erste Kollektion von durch Non Fungible Tokens repräsentierten digitalen Kunstwerken auf Basis eines Porsche 911 vor. Von den 7500 NFTs wurden 2363 verkauft. Mit der Aktion sei man dennoch zufrieden, so ein Porsche-Sprecher. „Eine kleinere Community hat Vorteile: Die Kunstwerke sind limitierter“, die Exklusivität sei größer.

Dabei legt auch Porsche „den klaren Fokus darauf, eine neue Community im Web3 aufzubauen. Unser Ansatz ist Hybrid: Neben den digitalen Assets bekommen unsere Kunden auch die Möglichkeit, an Veranstaltungen im realen Leben teilzunehmen – beispielsweise Co-Creation-Workshops mit unseren Künstlern oder Trackdays“, erläutert ein Sprecher.

Bei Porsche liegt auch das NFT-Know-how im VW-Konzern. Nachdem eine spezielle Einheit von Porsche Digital für eigene Zwecke alle nötigen Tools und das Wissen rund um NFTs aufgebaut hatte, steht das nun allen Marken zur Verfügung.

Lamborghini hat vor knapp einem Jahr bereits sein drittes NFT-Projekt gestartet – ein achtmonatiges „Epic Road Trip“-Programm, in dessen Rahmen neue Sammel-NFTs von Lamborghini verkauft wurden. Pro Monat konnten die Fans vier NFTs kaufen, wobei der jeweils vierte nur in limitierter Auflage von 63 Stück angeboten wurde. Je nach Sammelerfolg gab es für die Teilnehmer beispielsweise ein digitales Kunstwerk oder eine Tour durch die Lamborghini-Zentrale in Sant’Agata Bolognese.

Mercedes-Benz blickt schon intensiver auf neue Geschäftsmodelle. Man sehe im Web3 die Möglichkeit, unsere Marke über digitale Dimensionen weiterzuentwickeln, neue bisher nicht dagewesene Geschäftsfelder zu explorieren und emotionale Kundenbindungen und -erlebnisse zu schaffen“, so eine Sprecherin. Der Hersteller ist vor einem Jahr dem Aura Blockchain Consortium beigetreten, um sich „neue strategische Möglichkeiten für innovative Markenerlebnisse durch digitale Kunst mit NFTs im Fahrzeug und darüber hinaus“ zu erschließen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören LVMH, Prada und weitere Anbieter von Luxus-Produkten. „Die Erschaffung eigener, einzigartiger digitaler Kunstwerke mit der Möglichkeit, sie als NFTs auf den Markt zu bringen, ist für das Mercedes-Benz-Design ein besonders interessanter Bereich und öffnet die Tür zu einer völlig neuen Produktpalette“, betonte man bei Mercedes-Benz.

Im Metaverse und der Blockchain-Technik sieht auch BMW „neue Geschäftsmöglichkeiten entlang der gesamten Customer Journey“. Um diese zu realisieren, entwickle man derzeit eine strategische und zentrale Metaverse-Plattform. Erste Einblicke in die Ideen der Münchner konnten Kunden anlässlich der IAA 2021 und der folgenden CES in der BMW-Metaverse-Plattform Joytopia bekommen.

Wahrscheinlich ist, dass auf dem Weg zur Nutzung des Metaverse noch einige Anpassungen an den Strategien erfolgen werden. Denn „man muss sich beim Thema Metaverse eigentlich fast jede Woche neu updaten, weil ständig neue Entwicklungen und Erkenntnisse hinzukommen“, weiß VWs Metaverse-Manager Tim Walther.

Aus dem Datencenter:

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