Bosch startet Serienfertigung der Brennstoffzelle

Michael Gerster

Bosch hat mit der Serienfertigung für die Brennstoffzelle begonnen und rechnet bis 2030 mit fünf Milliarden Euro Umsatz. Noch aber lässt der Durchbruch auf sich warten.

Donnerstag, 13. Juli 2023, 11.00 Uhr

Foto: Bosch

Montage eines Brennstoffzellensystems im Bosch-Werk Stuttgart-Feuerbach.

Der Bosch-Konzern hat an seinem Standort in Stuttgart-Feuerbach mit der Serienproduktion von Brennstoffzellen-Antrieben begonnen. Erster Kunde ist das amerikanische Unternehmen Nikola, das nach seinem batterieelektrischen Lkw auch einen mit Brennstoffzelle auf den Markt bringen will. Erste Exemplare sollen im dritten Quartal 2023 auf den nordamerikanischen Markt kommen.

In Deutschland liefert Bosch für Iveco in Ulm. Der italienische Lkw-Bauer hat zwar das Joint Venture mit Nikola kürzlich komplett übernommen. An den Plänen für den Brennstoffzellen-Lkw ändert dies aber nichts. Die Sattelzugmaschine auf Basis des Iveco S-Way soll in Europa im Jahr 2024 auf den Markt kommen. Parallel zu Feuerbach läuft auch in China die Serienproduktion von Brennstoffzellen an. Die USA sollen folgen.

Ein in Feuerbach gefertigtes Brennstoffzellen-Antriebssystem besteht aus mehreren hundert Einzelteilen, wiegt über 500 Kilogramm und nimmt eine Grundfläche von rund 1,5 Quadratmetern ein.
Das Antriebsmodul ist so konstruiert, dass es in den Bauraum eines Lastwagens passt, wo bisher der Verbrennungsmotor verbaut wurde. Das ist kostengünstig für Lkw-Hersteller, die keine neue PLattform benötigen.
Herz des Antriebs sind die Brennstoffzellen. Sie sind nur so groß wie ein Briefumschlag und wiegen weniger als 100 Gramm. Um jedoch ein schweres Nutzfahrzeug anzutreiben, werden mehrere hundert Brennstoffzellen benötigt. Diese werden in einem Stapel, dem sogenannten Stack, miteinander verbunden – und sorgen für eine elektrische Gesamtleistung von mehr als 100 Kilowatt.
In einem Brennstoffzellen-Antriebssystem sind zwei Stacks verbaut, sodass sich eine Leistung von über 200 Kilowatt ergibt, die einen 40 Tonnen schweren Lastwagen souverän mit Antriebsenergie versorgen.
Neben dem Stack enthält ein mobiles Brennstoffzellensystem viele andere Komponenten, darunter unter anderem ein Wasserstoff-Dosierventil sowie einen elektrischen Luftverdichter, die Wasser- bzw. Luftsauerstoff in die Brennstoffzellen befördern. So kann eine Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff erfolgen – und elektrische Energie wird erzeugt.
Der Strom wird zum einen in einer Batterie gespeichert. Zum anderen treibt er direkt den Elektromotor des Fahrzeugs an. Im Gegensatz zu den bis zu fünf Tonnen schweren Energiespeichern in den rein batterieelektrischen, schweren Nutzfahrzeugen wiegen die Batterien in einem Brennstoffzellen-Lkw nur rund 500 Kilogramm.

Auch Daimler setzt auf Brennstoffzelle

Bosch gibt sich selbstbewusst. „Wir verfügen nicht nur über das benötigte System-Know-how, sondern auch über die Fähigkeit, neue Entwicklungen schnell in großen Serien zu skalieren“, so Geschäftsführer Markus Heyn. Neben Bosch ist auch der Zulieferer ElringKlinger bei der Brennstoffzelle engagiert. Die Serienfertigung bei der Tochter EKPO läuft bereits seit vergangenem Jahr.

Auch Daimler Truck beispielsweise setzt auf die Brennstoffzelle und entwickelt zusammen mit Volvo einen eigenen Stack. Die gemeinsame Tochter Cellcentric errichtet bei Stuttgart dafür eine eigene Fabrik. Der Produktionsstart ist für das Jahr 2025 vorgesehen. „Elektrische Lkw mit wasserstoffbasiertem Brennstoffzellenantrieb werden eine Schlüsseltechnologie für den CO2-neutralen Transport der Zukunft sein“, ist Truck-Chef Martin Daum überzeugt.

Rund 100 H2-Tankstellen

Die große Frage aber ist, wie schnell sich die Technologie am Markt etablieren kann. Heyn geht davon aus, dass voraussichtlich 2030 jedes fünfte neue Nutzfahrzeug mit einem Brennstoffzellen-Antrieb unterwegs sein wird. Dies deckt sich etwa mit Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums, das einen Anteil von 17 Prozent vorhersagt. Es gibt aber auch deutlich pessimistischere Vorhersagen. So geht die Akademie für Technikwissenschaften (Acatech) davon aus, dass die Brennstoffzelle bis 2030 ein „Nischenprodukt“ bleiben werde. Grund sei der bislang fehlende Wasserstoff und der Mangel an passenden Fahrzeugen.

Ein großer Hemmschuh ist auch die mangelnde Infrastruktur. Zwar gibt es in Deutschland rund 100 H2-Ladesäulen, in ganz Europa sind es rund 200. Doch die sind meist für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ausgelegt. Große Lkw erfordern wegen der großen Tanks auch deutlich größere Vorratslager und mehr Platz. Diskutiert wird auch eine Betankung mit flüssigem Wasserstoff. Dieser müsste dann auch vorgehalten werden.

Das fertige Modul vor der Endprüfung.

Fördergelder von Minister Habeck

Bosch lässt sich davon aber nicht beeindrucken. Am Ende des Jahrzehnts will das Unternehmen mit Wasserstofftechnologien einen Jahresumsatz von fünf Milliarden Euro erreichen. Dabei sind aber nicht nur mobile Anwendungen eingerechnet, sondern auch stationäre Brennstoffzellen sowie Elektrolyse-Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff. „Bosch kann Wasserstoff und wächst mit Wasserstoff”, sagt Bosch-Chef Stefan Hartung.

Gerade hat Bosch von Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Förderbescheid in Höhe von 161 Millionen Euro zur Industrialisierung von festen Brennstoffzellensystemen erhalten. Sie können laut Hartung ein wesentlicher Baustein für die nachhaltige Energieversorgung sein.

Für Bosch ist die Brennstoffzelle auch wegen der Beschäftigung ein wichtiger Technologie-Zweig. Für die Herstellung eines Diesel-Systems werden zehn Mitarbeiter benötigt, für das eines Benziners drei und für einen batterieelektrischen Antrieb nur noch einer, rechnete das Unternehmen in der Vergangenheit stets vor. Durch den Umstieg auf die E-Mobilität sind also im Verbrenner-Bereich viele Jobs gefährdet. Die Brennstoffzelle ist dagegen wegen der Komplexität sehr beschäftigungsintensiv. Ob die entstehende Lücke aber rechtzeitig geschlossen werden kann, darf bezweifelt werden.

Aus dem Datencenter:

Acht Kennzahlen des Bosch-Konzerns 2022