Herr Haselhorst, was sind die nächsten Schritte im Restrukturierungsprozess?
Die unangenehmen Themen sind umgesetzt. Insgesamt 160 Mitarbeiter, die überwiegend in indirekten Bereichen beschäftigt waren, haben das Unternehmen zum 1. Juli verlassen. Wir haben jetzt ein Programm aufgelegt, um die Profitabilität durch Effizienzsteigerungen zu erhöhen und auch die Produktkosten zu optimieren.
Welche Einsparungen wollen Sie damit erreichen?
Haselhorst: In diesem und im nächsten Jahr soll das insgesamt 40 Millionen Euro im Ergebnis bringen. Wir sind in der Umsetzung schon sehr weit. In zwei Jahren werden wir uns damit einer wettbewerbsfähigen Zielrendite nähern. Zudem haben wir damit begonnen, unseren kompletten Footprint zu überprüfen. Wir haben mit dem Kabel und dem Leitungssatz, in dem ja unsere Kabel verarbeiten werden, zwei Produktbereiche. Das Kernprodukt ist das Kabel. In den vergangenen Jahren lag der Schwerpunkt sehr stark darauf, die Werke für die Leitungssätze zu optimieren. Im Zuge dessen sind die Kabel nicht so sehr im Fokus gewesen. Wir legen hierauf jetzt ein besonderes Augenmerk und wollen durch weitreichende Verbesserungsmaßnahmen die Performance ausbauen.
Wie verändert sich ihr Geschäft durch die E-Mobilität?
Fastabend: In Zukunft werden in der E-Mobilität viel größere Ströme im Fahrzeug übertragen als beim klassischen Verbrenner. Zum einen zum Laden von der Ladedose hin zur Batterie, aber auch von der Batterie hin zu den Antrieben. Das elektrische Lenken oder auch Klimageräte benötigen viel Energie. Produkte für solche hohen Energieströme sind für uns oftmals neues Geschäft mit einer hohen Wertschöpfung. Wir sehen im Fahrzeug noch eine Menge Optimierungspotenzial hinsichtlich des Gewichts und der Kosten. Fast die Hälfte unseres Geschäfts entfällt aber auf Datenleitungen. Die Stichworte sind hier autonomes Fahren und Fahrerassistenzsysteme. Wir können bis zu 20 Gigahertz Daten mit den neuesten Protokollen übertragen und das Fahren nach Level 4 unterstützen. Unsere Leitungen sind performanter als sie derzeit im Fahrzeug benötigt werden. Wir sind also schon in Vorleistung gegangen, um weitere Assistenzsysteme unterstützen zu können.
Haselhorst: Gerade die Umstellung vom Verbrenner auf Hochvolttechnologien in E-Fahrzeugen, bei denen mit höheren Spannungen gearbeitet wird, ist für uns ein zusätzliches Geschäft, ohne unser herkömmliches Geschäft in Frage zu stellen. Einzig unsere Leitungen für klassische Start-Stopp-Systeme werden künftig entfallen. Die werden beim reinen Stromer nicht mehr benötigt. Es wird aber auch künftig 12-Volt-Umfänge geben. Beispielsweise für Infotainment sowie Fahrerlebnis- und Komfortfunktionen.
Liefern Sie direkt an die Fahrzeughersteller oder sind Sie ein Sublieferant?
Haselhorst: Beides. Wir liefern zum einen Leistungssätze direkt an die OEMs. Große Kunden sind BMW, Mercedes-Benz, Stellantis und Audi. Wir liefern aber auch Datenleitungen als Einzelkomponente an Zulieferer. Da sind wir in einer sogenannten Tier-2- oder Tier-3-Position. Die Umsatzverteilung zwischen Tier 1 und restlichem Geschäft liegt bei ungefähr 50/50.
Wie teilt sich ihr Automobil- und Industriegeschäft auf?
Fastabend: 90 Prozent der Umsätze entfallen aufs Automobilgeschäft. Aber wir sehen ein wachsendes Industriegeschäft. Industrie 4.0 ist ein starker Treiber. Da sind wir gut positioniert.
Sie wollen im bulgarischen Russe in einem neuen Werk Kabelsätze produzieren. Haben Sie weitere Regionen im Blick?
Haselhorst: In Russe starten wir mit Hochvolt-Leitungssätzen. Wir überlegen aber auch, das dazugehörige Kabel direkt vor Ort zu fertigen. Das ist in der Vergangenheit nicht automatisch umgesetzt worden. Zudem haben wir Erweiterungspläne in Mexiko. Dort wollen wir unser bestehendes Werk deutlich ausbauen.
Wollen sie rein organisch wachsen?
Haselhorst: Ja. Zukäufe sind derzeit nicht geplant.
Welche Randbedingungen belasten Sie am stärksten?
Fastabend: Das Thema Energie beschäftigt uns besonders. Und das wird wahrscheinlich auch langfristig so bleiben. Unsere Produkte benötigen im Herstellungsprozess viel Strom. Der Strompreis ist aber sehr länderspezifisch und hängt von den jeweiligen Regierungen ab. In Österreich gibt es eine große Abhängigkeit vom Gas. Die hat sich nicht wesentlich verändert. Dementsprechend sind die Strompreise immer noch ans Gas gekoppelt und viel zu hoch. Hier verdienen jetzt einige Unternehmen enorm viel Geld und andere leiden darunter. Das Problem können wir nicht lösen, sondern wir können nur unseren Verbrauch reduzieren. Zugleich treiben die Energiekosten aber auch die Inflation und damit die Lohnkosten – in der Konsequenz eine weitere große Herausforderung für uns.
Haselhorst: Neben den Energie- und Lohnkosten sind bei uns auch Materialpreise, insbesondere Metalle, ein Thema. Ich rechne nicht damit, dass die Kupferpreise nachhaltig sinken.
Einige Zulieferer haben es im vergangenen Jahr Geschäft rund 80 Prozent der Preissteigerungen an ihre Kunden weitergeben können. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Haselhorst: Wir haben eine ähnliche Quote und diese Größenordnung ist auch notwendig.
Für viele deutsche Mittelständler im Automobilbereich ist die Finanzierung häufig ein großes Problem. Auch in Österreich?
Haselhorst: Das grundsätzliche Vorgehen dürfte sich nicht wesentlich unterscheiden, besteht allerdings derzeit mit unseren Banken zum Glück nicht. Wir haben gerade einen Vertrag für die nächsten drei Jahre abgeschlossen mit einer zweijährigen Verlängerungsoption. Entscheidend war für die Banken unsere Risikosituation. Wir haben es geschafft, in diesem Jahr nachhaltig positive Cashflows und erste Ergebnisverbesserungen auszuweisen. Das hat in den Verhandlungen sicher geholfen und unsere Risikobewertungen entsprechend positiv beeinflusst.
Welchen Umsatz erwarten Sie für 2023?
Haselhorst: Mindestens 650 Millionen Euro. 2022 lagen wir bei 600 Millionen Euro Umsatz.
Wie sah es beim Ergebnis aus?
Haselhorst: Unser operatives Ergebnis vor Zinsen war positiv. Das Zinsergebnis hat uns dann auf Null gedrückt. Das heißt, abzüglich der Steuern gab es einen Bilanzverlust. Im laufenden Jahr werden wir es voraussichtlich noch nicht schaffen, wieder einen Bilanzgewinn auszuweisen. Wir wollen aber zumindest ein vergleichbares Ergebnis wie 2022 erreichen und uns dabei operativ verbessern. Die Kapitalkosten sind in diesem Jahr etwas höher. Zusammen mit den Restrukturierungskosten werden wir deswegen nicht komplett schwarze Zahlen schreiben.
Fastabend: Eine Herausforderung ist die Vorfinanzierung. Das heißt, bei zunehmender Automatisierung müssen wir die Anlagen schon in einem frühen Stadium definieren und bestellen.
Haselhorst: Das betrifft im nächsten Jahr vor allem unser neues Werk in Bulgarien.
Welche Aufträge haben Sie für das Werk Russe gewonnen?
Fastabend: Wir haben zunächst ein großes Projekt, dass in diesem Werk realisiert wird. Mittlerweile haben wir einen weiteren kleinen Auftrag dazubekommen. Wir punkten vor allem mit dem Thema Aluminium. Nicht nur für Leitungen, sondern auch für die Schirmung der Leitungen setzen wir den Werkstoff ein. Ein Leitungssatz aus Aluminium ist nicht nur leichter und kostet weniger, sondern auch die CO2-Bilanz und der Energie- und Ressourcenverbrauch ist über die Lebensdauer des Fahrzeugs günstiger als bei konventionellen Lösungen. Ein weiteres Thema ist das Recycling von Aluminium oder verschiedenen Compounds. Wir arbeiten aber beispielsweise auch an biobasierten Compounds, die keine fossilen Rohstoffe enthalten, sondern zum Beispiel Weichmacher aus pflanzlichen Ölen verwenden.
Welche Produkte sind ihre Hoffnungsträger?
Fastabend: Zum einen Hochvolt-Leitungssätze aus Aluminium. Zum anderen Datenleitungen, insbesondere für das autonome Fahren. Ein dritter Bereich sind Industriedatenleitungen. Dafür gibt es noch weitere Märkte, in denen wir heute noch gar nicht präsent sind.
Dazu aus dem Datencenter: