Herr Graf, in den vergangenen Wochen war davon die Rede, dass Sie einen Mehrheitseigner suchen. Können Sie das bestätigen?
Huf plant in den nächsten Jahren ein signifikantes Wachstum. Die Huf-Gesellschafter haben erklärt, sich für mögliche Partner zu öffnen, um einen solchen Wachstumskurs zu unterstützen. In welcher Form eine solche Partnerschaft erfolgen kann, ist noch offen. Die Gesellschafter wollen die für das Unternehmen beste Lösung, wie auch immer die aussieht. Wichtig ist, dass uns eine solche Partnerschaft auch inhaltlich befruchtet. Wir haben dafür das Bankhaus Rothschild mandatiert, uns bei diesem Prozess zu unterstützen. In den 90er-Jahren gab es mit Siemens übrigens schon mal einen Partner bei Huf. Der Konzern hatte sich mit 25,1 Prozent am Zulieferer für Autorisierungs- und Zugangssysteme beteiligt. 2008 kaufte Huf seine Anteile wieder zurück.
Wie entwickelt sich das Geschäftsjahr 2023?
Wir rechnen damit, 2023 einen Umsatz von knapp 1,2 Milliarden Euro zu erreichen. Das ist ungefähr das Niveau, das wir vor der Covid-Krise hatten. 2022 lagen wir bei rund einer Milliarde Euro Umsatz. Auch die Erträge entwickeln sich nach der langen Transformationsphase positiv. Aufgrund der gewonnenen Aufträge und unseres technologisch weiterentwickelten Portfolios wollen wir den Umsatz bis 2031 auf rund zwei Milliarden Euro nahezu verdoppeln. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen: Unser Produktportfolio ist gestrafft, die gesamte Firma ist sehr schlank. Wir haben einen hervorragenden Footprint und ein gutes Management.
Wie gut sind Ihre Auftragsbücher gefüllt?
Derzeit haben wir deutlich über acht Milliarden Euro in den Büchern. Auf der Produktseite setzen wir unsere Schwerpunkte weiterhin bei Türgriffsystemen. Dort werden immer mehr elektronische Komponenten eingebunden und mit Autorisierungssystemen wie Phone as a Key kombiniert. Sicherlich gibt es auch das ein oder andere Nebenprodukt, das wir nicht mehr aktiv vermarkten.
Welche wären das?
Dazu gehört Schließgarnituren, die aus Autoschlüsseln und Schließzylindern bestehen. Solche Systeme lassen sich nicht mehr zu vernünftigen Kosten weiterentwickeln. Hier wollen wir unsere Marktanteile behaupten oder auch an der ein oder anderen Stelle ausbauen, um den Umsatzabschwung möglichst gering zu halten. Wir haben zur Kompensation verschiedene Innovationen, die bald auf den Markt kommen.
Was gehört dazu?
Eine Entwicklung ist ein neuartiges Konzept des Türgriffs, der Wing. Dabei wird ein kleiner Flügel eingesetzt, der mit dem Rahmen des Fensters verbunden ist. Diese komplexen Systeme sind mit intelligenten Autorisierungssystemen verknüpft. Wir haben dafür bereits einen Fahrzeughersteller als Kunden gewonnen, der eine ganze Baureihe damit ausstattet. Zudem beschäftigen wir uns damit, wie der Zugang zum Fahrzeug noch komfortabler wird. Dabei spielt die Interaktion zwischen dem Fahrzeug und dem Smartphone, aber auch den Personen eine große Rolle.
Welche Technologie favorisieren Sie?
Wir favorisieren die Technologien, mit denen wir unseren Kunden das bestmögliche Ergebnis liefern können. Das bedeutet aber nicht, dass wir nur auf ein Pferd setzen. Ein Beispiel ist Radar: Zur Erkennung von Gesten und Personen, aber auch von Hindernissen bei selbstöffnenden Türen, nutzen wir Ultra Wideband- und 79-GHz-Radar. Innerhalb dieser Radarlösungen gibt es dann unterschiedliche Ansätze. Bei letzterem zum Beispiel, dem klassischen Radar, sind wir der Meinung, dass sich die höheren Frequenzen mit 79 GHz durchsetzen.
Im Zusammenhang mit unserem Phone as a Key-System bauen wir auf unsere sehr gute Erfahrung mit Ultra Wideband. Und an diesem Beispiel lässt sich gut ablesen, wie wir unser Produktportfolio weiterentwickeln: Mit Phone as a Key werden die klassischen Funkschlüssel verschwinden und zum Beispiel durch Smart Keys ersetzt werden, die dann auf den durch Phone as a Key vorgegebenen Funktechnologien wie Ultra Wideband basieren. An diesen Smart Keys arbeiten wir mit Hochdruck. Sie werden über die nächsten Jahre zu unserem Produktprogramm gehören.
Wo investieren Sie?
Derzeit bauen wir unsere Elektronikfertigung in Portugal massiv aus. In einem nächsten Schritt wollen wir auch in Rumänien investieren und möglicherweise aufgrund der Aufträge auch in Schanghai.
Ihr Wettbewerber Witte hatte angekündigt, die VAST Automotive Group zu übernehmen, um das Asien-Geschäft zu stärken. Wie ist Huf in Asien aufgestellt?
Wir sind in China schon lange mit eigenen großen Werken vertreten und brauchten auf keine Kooperationspartner Rücksicht zu nehmen. Es gibt dort umfangreiche Geschäftsbeziehungen sowohl mit den globalen Konzernen wie auch immer stärker mit lokalen Herstellern. Auch auf dem Wachstumsmarkt Indien sind wir gut aufgestellt: Unser Werk mit fast 500 Mitarbeitern hat im Juli sein 15-jähriges Bestehen gefeiert. Zeitgleich haben wir unser neues Tech Center India in Pune eröffnet. Mehr als 100 Ingenieure werden dort Hard- und Software-Lösungen entwickeln.
Wollen Sie im Zusammenhang mit dem geplanten Wachstum weitere Werke errichten?
Mit dem skizzierten Wachstum wird es sicherlich noch Erweiterungen in den Werken geben, aber noch gibt es gewisse Reserven. Bis 2025/2026 erwarten wir einen Umsatz zwischen 1,4 und 1,5 Milliarden Euro. Das werden wir mit der vorhandenen Werke-Struktur sehr gut schaffen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass das ein oder andere Werk so groß wird, dass wir uns dann in der Region nach einem weiteren Standort umsehen müssen. Die einzige Region, in der wir noch keinen Standort haben, ist Nordafrika. Das war von Kundenseite bislang auch nicht gefordert.
Welche externen Faktoren bereiten Ihnen die größten Sorgen?
Die Verteilungskämpfe zwischen Fahrzeugherstellern und Lieferanten verstärken sich wieder. In der Zeit der Lieferengpässe hatten die OEMs sehr eng mit uns zusammengearbeitet, um Stillstände in den Fabriken möglichst zu verhindern. Diese Zusammenarbeit hat auch gut funktioniert. Jetzt geht es in den Gesprächen um eine Inflationskompensation. Da gibt es nur mit einigen Herstellern konstruktive Gespräche. Das führt dazu, dass die Stimmung schon mal etwas rauer wird. Aber es gibt auch positive Entwicklungen.
Was stimmt sie optimistisch?
Wir profitieren davon, dass aus China mehr höherwertige Fahrzeuge exportiert werden. Die europäischen oder amerikanischen OEMs bieten in ihren Fahrzeugen ohnehin immer mehr Optionen an. Ansonsten gehen wir davon aus, dass sich die Märkte auch wieder nach oben entwickeln. Es gibt einen Nachholbedarf.
Dazu aus dem Datencenter: