Herr von Hirschheydt, was ist für Sie der größte Benefit an der Zusammenarbeit mit Google?
Es geht bei der Kooperation unter anderem um eine Antwort auf eine Frage, die unsere Industrie intensiv beschäftigt: Wer macht eigentlich was? Wir als Integrator sorgen dafür, verschiedenste Funktionen in unseren High Performance Computern zu integrieren. Zudem verbreitern wir damit unsere Angebotspalette. Für uns ist entscheidend, dass wir gemeinsam mit Google ein solches Angebot machen. Der große Vorteil einer solchen Partnerschaft besteht darin, dass wir zeitlich viel schneller reagieren und Lösungen für den Markt anbieten. Ein Thema, das nicht nur uns, sondern die gesamte Industrie betrifft.
Und das schaffen Sie mit den alten Strukturen?
Continental war in der Vergangenheit sequenziell aufgestellt und war damit über viele Jahrzehnte sehr erfolgreich. Aber die heutige Welt ist nicht mehr sequenziell. Sie ist parallel. Das heißt, wir gehen frühzeitig Partnerschaften ein, um auf die verschiedenen Anwendungsfälle schnell zu reagieren.
Sind Sie durch diese Zusammenarbeit dem Wettbewerb einen Schritt voraus?
Zumindest sind wir einer der ersten Zulieferer, der ein solches Angebot im Portfolio haben.
Womit verdienen Sie in der Partnerschaft Geld?
Jeder der heute in die Automobilindustrie einsteigt hat ein anderes Geschäftsmodell. Das muss austariert werden. Bei unserer Zusammenarbeit mit Aurora werden wir beispielsweise künftig pro autonom gefahrene Meile bezahlt und nicht für die Hardware. Das zeigt: Wir sind flexibel und kreativ. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man gemeinsam zusammenarbeiten kann. Und das Gemeinsame ist gerade bei der Partnerschaft mit Google entscheidend, denn Software ist nicht fragmentiert. Sobald sie fragmentiert ist, funktioniert sie nicht richtig.
Gibt es einen Kunden?
Wir haben die Zusammenarbeit auf der IAA Mobility vorgestellt und sind in Gesprächen mit unseren Kunden. Das Interesse ist hoch – gerade auf dem Volumenmarkt, für den unser Smart Cockpit HPC ausgelegt ist.
Wollen Sie die Zusammenarbeit mit Google ausbauen?
Da gibt es sicherlich weitere spannende Möglichkeiten. Jetzt geht es zunächst darum, unsere Hochleistungsrechner mit den Anwendungen von Google Cloud schnell in den Markt zu bringen.
Wie sehen Sie Ihre Rolle beim softwaredefinierten Fahrzeug?
Wir sehen unsere Zukunft darin, dass wir die Fahrzeugarchitektur mitgestalten, und dass wir im Bereich des High-Performance Computing eine tragende Rolle einnehmen. Wir bieten zudem verschiedene Bausteine für das Ökosystem rund um das Software-definierte Fahrzeug – von der Straße bis in Cloud. Das beinhaltet sowohl Hardware und Software-Lösungen als auch Methoden und Werkzeuge für die cloudbasierte Entwicklung. Darüber hinaus sind wichtige Fundamente unseres Unternehmens Lösungen für die Fahrsicherheit, für die Fahrerassistenz bis hin zum autonomen Fahren und für das Nutzererlebnis. Sie hängen alle eng mit dem Software-definierten Fahrzeug zusammen und werden auch weiterhin ganz zentraler Bestandteile für uns sein. Für uns ist entscheidend, unsere Technologien schnell in die Marktreife zu bringen. Dafür brauchen wir Partnerschaften. Natürlich prüfen wir fortlaufend, ob alles was wir machen von unseren Kunden langfristig gewünscht und gefordert ist. Wir arbeiten entlang der technologischen Entwicklung auch sehr intensiv daran, diese wieder aus eigener Kraft zu finanzieren.
Welche weiteren Akzente wollen Sie im Automotivebereich setzen?
Ein bedeutendes Thema sind die Prozesse innerhalb unseres Unternehmens. Dort wurden über viele Jahre Strukturen aufgebaut, die wir auf das notwendige Maß reduzieren wollen. Wir stellen uns also fortlaufend die Frage, wie wir schlanker, schneller und über Partnerschaften agieren können, damit wir das richtige Produkt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben.
Bringen europäische Zulieferer ihre Produkte nicht schnell genug auf den Markt?
Ich kann nicht über unsere Wettbewerber reden. Ich kann aber sagen, dass wir noch schneller werden müssen. An verschiedenen Stellen gilt es auch bei Entscheidungen mutiger zu sein. Wir werden einen Zahn zulegen.
Bosch und ZF sind aus der Entwicklung von Lidar ausgestiegen. Sie halten weiter daran fest?
Beim autonomen Fahren setzen wir grundsätzlich auf Multisensorlösungen. Aurora bringt seine eigene Lidar-Technologie in die Partnerschaft mit Continental ein, welche wir für die Serienreife industrialisieren. Wir kooperieren beim Thema Lidar mit verschiedenen Unternehmen, in denen es auch um die Industrialisierung geht. Doch letztendlich muss jedes Teil eines Systems wettbewerbsfähig sein, das gilt auch für Lidar. Aufgrund der allgemein verzögerten Markteinführung von höheren Automatisierungsgraden hat sich auch die Marktentwicklung bei Lidar etwas nach hinten geschoben. Wir sehen hier aber über die kommenden Jahre großes Marktpotential.
Die Chipkrise hat vielen Zulieferern zugesetzt. Wie stabil ist die Lieferkette bei Continental?
Wir haben große Fortschritte gemacht, aber die Lage hat sich noch nicht komplett normalisiert. Es gibt immer noch einzelne Chipkomponenten, die weiterhin knapp sind. Das wird aller Voraussicht nach bis ins Jahr 2025 hineinreichen.
Volkswagen hat angekündigt, enger mit den Chipherstellern zusammenarbeiten. Fürchten Sie solche Ankündigungen auch von anderen Herstellern?
Wir sind überzeugt, dass wir die Lieferkette sehr gut managen können. Entscheidend ist, diese Herausforderungen innerhalb der Automobilindustrie partnerschaftlich zu managen. Der Anteil der Halbleiter, die in der Automobilindustrie benötigt werden, wird deutlich stärker wachsen als der Gesamtmarkt. Insofern ist es wichtig, dass Zulieferer wie Fahrzeughersteller gemeinsam Lösungen entwickeln.
Conti erzielt rund zwölf Prozent seines Umsatzes in China. Wollen Sie das ausbauen?
Wir sehen Chancen dort weiter zu wachsen, sowohl mit den chinesischen OEMs als auch mit den internationalen Fahrzeugherstellern. Seit 2020 haben wir allein von chinesischen Automobilherstellern Aufträge in einem Gesamtwert von knapp zehn Milliarden Euro erhalten. Es geht uns gesamtheitlich um ausbalanciertes, profitables Wachstum.
Wie entwickelt sich Ihr Auftragsbestand?
Zum Halbjahr lag dieser bei mehr als 15 Milliarden Euro. Damit liegen wir über dem Vorjahr. Erfreulicherweise haben wir auch beim automatisierten Fahren größere Aufträge gewonnen.
Was wünschen sie sich, damit der Standort D attraktiver wird?
Den Unternehmen in Deutschland und Europa würde ein Entbürokratisieren helfen. Das Entschlacken von Vorschriften sorgt dafür, dass sich wirtschaftliche Potenziale besser entfalten können. Wir verzeichnen stetig steigende Bürokratiekosten in unserem Unternehmen, da gibt es sicherlich Ansatzpunkte, um gesamtwirtschaftlich in Deutschland und Europa deutlich an Wettbewerbsfähigkeit zuzulegen.
Dazu aus dem Datencenter: