"Der Wind weht uns kräftig ins Gesicht"

Die Tiemeyer-Gruppe gehört zu den größten VW-Händlern. Mit der Übernahme der Darmas-Gruppe ist Heinz-Dieter Tiemeyer zudem größter Hyundai-Händler geworden.

Herr Tiemeyer, vor einem halben Jahr haben Sie den Hyundai-Händler Darmas übernommen, der größte Zukauf im Jahr 2023. Wie war der Start?
Heinz-Dieter Tiemeyer: Hyundai ist seit 30 Jahren erfolgreich am Markt und hat ein interessantes Portfolio mit vielen Antrieben. Hinzukommt die räumliche Nähe der Darmas-Gruppe im Ruhrgebiet. Jetzt sind wir Deutschlands größer Hyundai-Händler. Für jemanden, in dessen Blut VW strömt, ist das eine neue Erfahrung. Aber das passt. Wenn Diversifikation, dann mit voller Kraft.

Hohe Zinsen, geringe Nachfrage. War das der richtige Zeitpunkt für die Übernahme?
Tiemeyer: Das lässt sich nie genau sagen. Wir haben viele Unternehmen gekauft, auch welche, die am Boden lagen. Eine Sanierung zieht sich immer über zwei, drei anstrengende Jahre. Jetzt haben wir ein gesundes Unternehmen.
Michael Evers: Für uns entscheidend ist, dass wir gesund wachsen. Wir streben immer eine stabile Entwicklung an. Das gilt auch in diesem Fall.

Auf der einen Seite die VW-Konzernmarken, auf der anderen die Hyundai-Marken. Wie profitieren die beiden Gruppen voneinander?
Tiemeyer: Gar nicht, Darmas haben wir als Familie gekauft. Es ist der Einstieg für meinen Sohn in die Branche.
Evers: Die Marken lassen sich am leichtesten pflegen, wenn wir sie strikt auseinanderhalten.

Aber eine gemeinsame Verwaltung belastet keine Marke.
Tiemeyer: Wir müssen die Marke Hyundai erst noch kennenlernen. Dann schauen wir, wie wir Wachstum reinbringen. Wir machen jetzt zunächst ein Deep Diving in allen Standorten und schauen uns dies bis ins Detail an. Künftig gibt es vielleicht die Möglichkeit, noch zwei, drei Händler zu übernehmen und auf diesem Weg zu wachsen.

Volkswagen und Hyundai bedienen die gleichen Zielgruppen. Wie vermeiden sie die Kannibalisierung?
Tiemeyer: Die Marken sind natürlich Wettbewerber. Hyundai war noch vor einigen Jahren weit unter den VW-Marken, hat sich aber stark entwickelt. Mittlerweile gibt es viele Überschneidungen. Aber wir werden unsere eigenen Akzente setzen.

VW vertreibt die E-Autos in der unechten Agentur, Hyundai im selektiven Vertrieb – bei beiden ist die Marge ähnlich. Was macht einem Händler eigentlich mehr Spaß?
Tiemeyer: Nachdem wir bei Darmas unterschrieben hatten, kam der neue Vertrag. Der Hyundaivertrag im selektiven Vertrieb würde mehr Spaß machen, wenn die Marge besser wäre.

Aus dem Hyundai-Konzern kommt Anfang 2024 die Premiummarke Genesis hinzu. Was haben Sie vor?
Tiemeyer: Die Fahrzeuge gefallen mir. Das Interieur strotzt vor Opulenz. Auch das Vertriebskonzept dahinter passt: Hol-und-Bring-Service, lange Garantie. Die Mitarbeiter unserer Hyundai-Werkstätten haben wir bereits geschult. Das Konzept hat eine gute Chance, muss jetzt allerdings mit Leben gefüllt werden. Wir haben zwei Standorte geplant: einen in Düsseldorf und einen im Ruhrgebiet.

Genesis kündigte im Sommer an, Anfang 2024 mit den Vertriebspartnern zu starten.
Tiemeyer: Aktuell laufen noch die Gespräche mit dem Hersteller. Sie sind im Moment etwas schwierig. Über die Immobilien und deren Corporate Identity sind wir uns noch nicht einig. Wir brauchen die Aussicht auf einen klaren Return on Invest.

Wer im Premiumsegment Erfolg haben will, muss ins Flottengeschäft.
Tiemeyer: Wir haben in Deutschland einen sehr schwierigen Markt. Wer gegen Audi, BMW und Mercedes ankommen will, der braucht einen langen Atem und viel Geld. Aber die chinesischen Hersteller greifen ja auch nicht mit Billigautos an.

Von welchem Teil – VW-Konzernmarken oder Hyundai - erwarten Sie im nächsten Jahr eine bessere Entwicklung?
Tiemeyer: Ich glaube, dass der Volkswagen-Konzern seine Probleme erkannt und aus seinen Fehlern gelernt hat. Ich traue Volkswagen zu, in den nächsten ein bis zwei Jahren zu alter Stärker zurückzukommen. Zu Hyundai kann ich noch nichts sagen, dafür kenne ich die Marke noch zu wenig.

 Was erwarten Sie für 2024?
Tiemeyer: Das wird ein schwieriges Jahr. Der Wind weht uns kräftig ins Gesicht, vielleicht auch noch 2025. Wir sparen Kosten, wo es geht. Wir prüfen die Geschäfte bis ins kleinste Detail und schauen, wo wir noch etwas finden, um die Rendite um 0,05 Prozent zu verbessern.

Holen Sie Geschäfte zurück?
Tiemeyer: Darüber denken wir viel nach. Fahrzeugaufbereitung, Smart Repair und Scheibenwechsel – das sind Dinge, die wir zum Teil selbst machen können. Aber mit dem Zurückholen ist es nicht getan, es muss auch gemanagt werden. Wir prüfen auch bei unseren Geschäftspartnern und Zulieferern, ob sich hier etwas verbessern lässt und wollen davon profitieren.

Ein schwieriges Umfeld bietet immer auch gute Zukaufchancen.
Evers: Wir schauen uns jetzt nicht aktiv um. Dazu haben wir zu viele Hausaufgaben auf dem Tisch, die wir zuerst erledigen müssen. Aber es gibt natürlich Gelegenheiten, bei denen man nicht Nein sagen kann. Das gilt vor allem für Betriebe in unserem Marktgebiet oder in der direkten Nachbarschaft.

Welche Absatzziele streben Sie für 2024 an?
Tiemeyer: Wir wollen mehr als 40.000 Fahrzeuge verkaufen, im Jahr 2023 verkaufen wir rund 39.100 in der Kerngruppe. Bei Darmas planen wir mit zusätzlichen 5.500 Fahrzeugen.

Wo wollen Sie wachsen?
Tiemeyer: Wir sind sehr Gebrauchtwagen-affin. Hier sind wir schlank aufgestellt und top organisiert. Zudem haben wir neue Zukaufsquellen. Es sollte uns leichtfallen, einige Einheiten mehr an Privatkunden zu verkaufen. Vor allem im Ruhrgebiet, dann profitieren auch unsere Werkstätten.

Und Neuwagen?
Tiemeyer: Das wird ein sehr schwieriger Markt. Hohe Zinsen plus Inflation. Die Preise sind einfach zu hoch, das wollen die Kunden nicht mehr bezahlen. Ich rechne mit einem harten Preiskampf. Ab April oder Mai wird es rund gehen. Die Hersteller müssen ihre Werke füllen und keiner gibt Marktanteile freiwillig auf.

Bei Hyundai ist jetzt schon jedes zweite Fahrzeug eine Eigenzulassung und Volkswagen drückt seine Fahrzeuge über Rabattaktionen in den Markt. Jüngst war der Golf R Line zu einer Leasingrate ab 30 Euro zu erhalten.
Tiemeyer: Der Golf ist die Ikone des VW-Konzerns. Volkswagen hat einen Jahresendspurt gemacht. Das haben wir positiv aufgenommen. Wir sind damit sehr zufrieden.

Innerhalb von 36 Stunden wurde eine fünfstellige Zahl an Golf verkauft. Einige Linien sind ausverkauft. In VW-Händlerkreise heißt es, dass sich allein die Tiemeyer-Gruppe 4000 Fahrzeuge gesichert hat.
Tiemeyer: Das wäre schön gewesen, stimmt aber leider nicht. Wir haben zwar einen starken Vertieb, aber so viel können wir dann doch nicht stemmen. Allerdings hätten wir gerne noch mehr Fahrzeuge gehabt.

Das Interview führte Christoph Baeuchle

Aus dem Datencenter:

Die 100 größten Autohandelsgruppen in Deutschland nach Gesamtabsatz 2022