China greift nach dem Herz der etablierten Autoindustrie

Erst die E-Mobilität, dann die Verbrenner: Während chinesische Autobauer mit ihren E-Autos derzeit die europäischen Wettbewerber schwer unter Druck setzen, stellt China die Weichen nun auf den Erhalt des Verbrennermotors und greift nach dem Herzstück der etablierten Hersteller.

„Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden noch lange ein Entwicklungspfad für die Automobilindustrie bleiben“, heißt es in einem Papier des chinesischen Wirtschaftsministeriums. Es ist Grundlage für den langfristigen Fahrplan zur Entwicklung der Automobilindustrie bis zum Jahr 2060.

Diese Leitlinie ist die Basis für die künftigen gesetzlichen Rahmenbedingungen. „Die chinesische Regierung macht damit klar, dass sie ein Interesse an der Weiterentwicklung der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor hat“, sagt Jochen Siebert, Geschäftsführer von JSC Automotive.

Zum Erhalt des Verbrenners setzt China nicht auf die herkömmlichen fossilen Brennstoffe wie Diesel und Benzin, sondern auf alternative Kraftstoffe. „China schöpft alle Möglichkeiten der Reduzierung der Energieimporte aus. Deshalb setzt die Regierung auch auf im Land produzierte synthetische Kraftstoffe“, heißt es in dem Papier weiter.

Die alternativen Kraftstoffe sollen aus Wasserstoff und Kohlenstoff hergestellt werden. Diese werden beispielsweise als Abfallprodukt in Zementwerken und beim Betrieb von Kohlekraftwerken abgeschieden.

„Der Verbrenner überlebt in China, aber in veränderter Form als relativ günstiger und einfacher Hybrid oder moderner Motor, der mit unterschiedlichen synthetischen Kraftstoffen betrieben werden kann“, sagt Siebert. „Der Verbrenner herkömmlicher Art wird in den nächsten Jahren verschwinden.“

Die Pläne Chinas stehen europäischen Konzepten entgegen, sich vom Verbrennermotor zur verabschieden. Zahlreiche etablierte Autobauer haben das Ende des Antriebs bereits verkündet und lassen die Entwicklung auslaufen. Damit geht viel Know-how verloren.

Anders chinesische Hersteller: Renault hat sein Motorenwissen ausgelagert und arbeitet mit dem chinesische Autokonzern Geely im Joint Venture Aurobay zusammen. Hier sollen künftig acht Millionen Motoren gebaut werden, derzeit sind es noch rund fünf Millionen.

Mit im Boot: Mineralölkonzern Aramco. Der saudische Öl-Riese treibt die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe voran. Gemeinsam sollen entsprechende Motoren entwickelt werden.

Der Ansatz mit synthetischem Kraftstoff und Verbrennungsmotoren hat in Deutschland bislang relativ wenig Unterstützung. Das Argument: Durch Umwandlung des Kraftstoffs und die herkömmliche Verbrennertechnologie bleibt viel Energie auf der Strecke. Porsche und das Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe unterstützen den Ansatz. Nicht zuletzt, um den aktuellen Fahrzeugbestand auch künftig zu erhalten.

„Die chinesischen OEMs unterscheiden sich grundlegend in ihren Strategien“, so Siebert. „BYD setzt beispielsweise vorrangig auf die Ausweitung des Marktanteils in China, sowohl mit EVs als auch mit sogenannten DHT-PHEVs.“ Der Exportanteil von BYD betrug 2023 deutlich weniger als zehn Prozent. Der Hersteller Chery hingegen exportierte circa 55 Prozent seiner in China produzierten Fahrzeuge. Dabei handelt es sich bei 99 Prozent um 12-Volt-Verbrenner.

Auch bei den Zielmärkten gehen die chinesischen Hersteller sehr unterschiedliche Wege. Konzentriert sich Chery auf Märkte in Russland, Südamerika, Afrika und Zentralasien, so baut SAIC seit über zehn Jahren sein Engagement in entwickelten Märkten aus und exportierte im Jahr 2023 rund 200.000 Fahrzeuge nach Westeuropa.

In ihren Heimatmärkten greifen chinesische Hersteller ihre etablierten Wettbewerber vor allem mit Elektroautos an. Auf weniger entwickelten Märkten könnten sie ihnen künftig mit Verbrennertechnologie verstärkt Konkurrenz machen.

Aus dem Datencenter:

Auslieferungen reiner Elektroautos in China ab Januar 2021