Wohl selten ist ein neues Modell mit solcher Spannung erwartet worden. Nun hat Porsche auf einem Flugplatz in der Nähe von Berlin die Hülle vom rein elektrische Porsche Taycan gezogen. Die Automobilwoche klärt die wichtigsten Fragen rund um den Sportwagen, der eine neue Ära für das Unternehmen einleitet.
Wie unterscheidet sich das Serienfahrzeug von der Studie?
Vor vier Jahren landete der ehemalige Porsche- und spätere VW-Konzern-Chef Matthias Müller einen Überraschungscoup auf der IAA – mit der Studie des ersten rein elektrischen Sportwagens aus Stuttgart. Der Mission E sah futuristisch aus und glänzte mit angekündigten Leistungsdaten, wie sie bis dahin aus der Welt der Elektromobilität auch von Tesla noch unbekannt waren.
Das Serienauto Taycan sieht nun nicht mehr ganz so spektakulär und futuristisch aus wie das einstige Showcar. Stattdessen erinnert das Auto an eine Kreuzung aus 911 und Panamera. Dies liegt am Verzicht auf Details wie digitale Außenspiegel, versenkbare Griffe oder die gegenläufig zu öffnenden Türen, die allesamt zu teuer gewesen wären. Außerdem hat der Taycan eine B-Säule statt durchgängiger Fensterflächen. Dies ist der Sicherheit geschuldet. Bei den Leistungsdaten allerdings übertrifft Porsche die Vorgaben der Studie.
Die Beschleunigung aus dem Stand auf 100 km/h erfolgt beim Spitzenmodell Turbo S in 2,8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 260 Stundenkilometer. An einer Schnellladetankstelle können in 15 Minuten mehrere Hundert Kilometer Reichweite getankt werden. Auch das puristische und komplett digitale Cockpit gleicht weitgehend dem aus dem Mission E.
Wo wird der Taycan gefertigt?
Der Porsche Taycan wird am Stammsitz in Zuffenhausen produziert. Das war nur möglich, weil die Mitarbeiter auf einen Teil ihrer tariflichen Lohnerhöhung für einige Jahre verzichtet haben. So wurde das beengte Gelände im Stuttgarter Stadtbezirk Zuffenhausen konkurrenzfähig. Porsche investierte 700 Millionen Euro in einen neuen Karosseriebau und eine Montage. Beide Gebäude sind durch ein 911 Meter langes Förderband miteinander verbunden.
In der Montage verabschiedet sich Porsche vom klassischen Band. Stattdessen rollen Fahrerlose Transportsysteme (FTS) über den blanken Boden und maximieren so die Flexibilität, wenn beispielsweise weitere Varianten hinzukommen. Wie bei Porsche üblich liegt die Fertigungstiefe nur bei 20 Prozent, der überwiegende Teil der Komponenten stammt von Lieferanten. So baut etwa Dräxlmaier die komplexe-Hochvolt-Batterie, die Kern des Modells ist. Die volle Kapazität soll Anfang 2020 erreicht werden.
Wird der erste E-Sportwagen ein Erfolg?
Das Interesse am ersten rein elektrischen Porsche ist schon vor der Premiere groß gewesen. Personalvorstand Andreas Haffner bestätigte kürzlich 30.000 Reservierungen für das Auto, die mit einer Anzahlung von 2500 Euro hinterlegt sind. Der größte Ansturm zeichnet sich in Norwegen ab, wo bereits jedes zweite neu zugelassene Fahrzeug ein E-Auto ist. Porsche rechnet damit, hier mit dem Taycan seinen Marktanteil verdoppeln zu können. Aber auch im Rest von Europa sowie in den USA und China warten viele Kunden auf das Auto. Porsche war zunächst von einer Produktion von 20.000 Einheiten pro Jahr ausgegangen. Inzwischen ist auch eine Verdoppelung der Stückzahlen denkbar. Damit wäre der Taycan auf Anhieb erfolgreicher als die Ikone 911, von der im vergangenen Jahr knapp 36.000 Exemplare verkauft wurden. Bei noch höherer Nachfrage wäre auch ein Ausweichen auf den Standort Leipzig denkbar.
Was kostet der Taycan?
Der Porsche Taycan Turbo S und Porsche Taycan Turbo sind ab sofort bestellbar und kosten in Deutschland inklusive länderspezifischer Ausstattung und Mehrwertsteuer 185.456 Euro beziehungsweise 152.136 Euro und sind damit vergleichbar den Leistungsstufen eines Panameras. Das deutlich günstigere Einstiegsmodell soll später kommen. Finanzvorstand Lutz Meschke hat bereits angedeutet, dass der Basis-Taycan unter 100.000 Euro liegen soll. (Lesen Sie dazu auch: So stürmt der Taycan in die Pole Position)
Porsche geht davon aus, dass der elektrische Taycan in der Produktion bis zu 10.000 Euro teurer ist als ein vergleichbarer Verbrenner. Um die angepeilte Gewinnspanne von 15 Prozent zu halten, müssen also möglichst höherwertige Fahrzeuge verkauft werden. Erste Fahrzeuge sollen noch Ende des Jahres zu den Kunden gelangen.
Wie bereiten sich die Mitarbeiter vor?
Für die Produktion des Taycan hat Porsche rund 1500 neu eingestellt. Die Personalabteilung musste dafür rund 32.000 Bewerbungen bearbeiten. Insbesondere bei Engpassqualifikationen, etwa Instandhalter mit Schwerpunkt Elektronik, gibt es noch Rekrutierungsbedarf. Porsche setzt bei der Mannschaft zu einem Drittel auf eigene Fachkräfte, die aus der benachbarten Zweitürer-Produktion kommen. Aber auch Kollegen des Volkswagen-Konzerns aus dem schlecht ausgelasteten Passat-Werk in Emden erhalten in Stuttgart eine Chance. Für die speziellen Anforderungen der 800-Volt-Technologie erhalten die Mitarbeiter eine Schulung. Diese kann je nach Funktion von wenigen Tagen bis zu sechs Monaten dauern.
Bleibt der Taycan das einzige Elektro-Modell?
Der Porsche Taycan ist der Auftakt zu einer umfassenden Elektro-Offensive bei Porsche. Mit dem Cross Turismo steht bereits ein erster Ableger in den Startlöchern, der im Laufe des nächsten Jahres auf den Markt kommen soll. Porsche-Chef Oliver Blume hat bereits angekündigt, dass die Plattform auch für weitere Derivate geeignet ist. Auch der Audi e-tron GT basiert auf dem Taycan. Danach sollen sukzessive alle Porsche-Modelle auf rein elektrischen Antrieb umgestellt werden. Als nächstes folgt der Geländewagen Macan auf einer gemeinsam entwickelten Plattform mit Audi.
Der Macan soll ab 2022 in Leipzig als E-Auto vom Band laufen. Panamera, Cayenne und die kleinen Zweitürer Boxster und Cayman werden folgen. Bis 2025 sollen mehr als die Hälfte der neu zugelassenen Porsche-Modelle mit Elektroantrieb unterwegs sein. Blume geht davon aus, dass im Jahr 2030 nur noch der 911 in nennenswerten Stückzahlen mit Verbrenner ausgeliefert wird. In die Elektrooffensive investiert Porsche sechs Milliarden Euro.
Wie umweltfreundlich ist der Taycan?
Die Leistungsdaten des E-Flitzers lassen zunächst nicht vermuten, dass der Taycan trotz elektrischen Antriebs besonders umweltfreundlich ist. Doch Porsche hat die Produktion von Anfang an CO2-neutral ausgelegt. Dafür hat Porsche beispielsweise zwei Blockheizkraftwerke gebaut, die mit Biogas betreiben werden. Unvermeidbare Emissionen sollen kompensiert werden. Unter anderem dafür hat das Unternehmen ein grünes Schuldscheindarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro platziert.
Nach und nach sollen auch die Lieferanten auf eine nachhaltige Produktion verpflichtet werden. Wer also darauf achtet, auch bei der eigenen Stromtankstelle in der Garage mit 100 Ökostrom zu laden, der darf mit einem einigermaßen guten Gewissen auf die Tube drücken. Auch sonst wurde auf Nachhaltigkeit geachtet: Porsche bietet im Taycan erstmals eine komplett lederfreie Ausstattungsvariante an. Dass es sich dennoch wie bei allen anderen Porsche-Modellen um ein Auto handelt, das im Prinzip niemand braucht, wird den Erfolg kaum schmälern.
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