Chinesische Reifenhersteller - eine Gefahr für die etablierten Rivalen?

Ein Reifen der Marken Goodride oder Westlake? Gut möglich, dass sich diese Fabrikate in nicht allzu ferner Zukunft an europäischen Premium-Automobilen finden lassen. Genau das ist jedenfalls das Ziel der chinesischen Zhongce Rubber Group, kurz ZC Rubber. Das Unternehmen, derzeit auf Rang neun der größten Reifenhersteller der Welt, hat 2021 in Hannover ein Entwicklungszentrum eröffnet. Und im vergangenen Jahr hieß es von dort, man sei bei einem namhaften deutschen Autohersteller als potenzieller Reifenerstausrüster nominiert. Falls es dazu kommt, wäre es eine Art qualitativer Ritterschlag.

Den hat die Firma Giti Tire bereits erhalten. Das Unternehmen aus Singapur, im vergangenen Jahr auf Platz 14 der weltweit umsatzstärksten Reifenhersteller, rüstet seit dem vergangenen Jahr den Mercedes Actros in China aus. Der Schwerlast-Lkw wird dort von Mercedes gemeinsam mit dem lokalen Partner Foton Motor gebaut. Und im September meldete Giti Tire, dass mit dem VW ID Buzz nun auch das erste Elektrofahrzeug aus europäischer Produktion ab Werk mit seinen Reifen ausgestattet wird. Giti-Manager Nicolas Kluson sagte: "Dies wird uns zweifellos die Türen bei anderen europäischen Automobilherstellern öffnen."

Chinesische Reifenhersteller werden ihre Produkte vor allem über chinesische Fahrzeuge in Europa verbreiten. "Ich erwarte, dass mittelfristig die chinesischen Fahrzeuge, die nach Europa oder Nordamerika exportiert werden, auch mit chinesischen Reifen ausgerüstet sind. Es ist ein logischer Schritt für die chinesische Reifenindustrie, zumal Reifen keine Hochtechnologie sind." Das sagt Alexander Timmer von der Strategieberatung Berylls.

Reifenfirmen aus China wie ZC Rubber, die Sailun Jinyu Group, Shandong Linglong Tire oder die Double Star Group profitieren bei ihrer Expansion auf den Weltmärkten vor allem von deutlich niedrigeren Herstellungskosten. "Im Schnitt kostet die Produktion eines Reifens in China umgerechnet zwischen 45 und 85 Euro", sagt Timmer. "Im Vergleich dazu kalkulieren Reifenhersteller in Europa, Nordamerika, Japan oder Korea mit 100 bis 120 Euro Fertigungskosten pro Reifen."

Es ist daher zu erwarten, dass die chinesischen Hersteller gerade im Budgetbereich ein starkes Wachstum verzeichnen werden. Allerdings dürfte die große Dominanz der etablierten Reifenfirmen noch lange anhalten. In globaler Perspektive liegt der Anteil chinesischer Hersteller am Reifengeschäft bei etwa zehn Prozent. Das Volumen der europäischen, US-amerikanischen, koreanischen und japanischen Firmen ist um ein Vielfaches größer, der Abstand signifikant.

Auch wenn durch die neuen chinesischen Anbieter Bewegung ins Geschäft kommt, grundsätzlich ist das Reifenbusiness eine stabile, profitable Angelegenheit. Wenn man von neuen Automotive-Warengruppen wie Halbleitern absieht, erzielen Reifenhersteller unter allen traditionellen Zulieferern die höchsten Margen.

Allerdings ist nach Angaben des Fachmagazins "Tire Industry Research" derzeit eine Zweiteilung der internationalen Reifenindustrie zu beobachten: Es gibt Unternehmen, die ihr Geschäft nach wie vor auf Herstellung und Verkauf von Reifen konzentrieren. Und es gibt etwa eine Handvoll großer Konzerne, die darauf setzen, dass die Profitabilität der Zukunft vor allem in den Bereichen Daten und Mobilität liegen wird.

Aus dem Datencenter:

Reifen-Erstausrüster für chinesische Automodelle auf dem deutschen Markt - 2024