Vom Verbrenner hin zur E-Mobilität ist für die Autozulieferer eine Tour der Leiden. Bis sich die hohen Entwicklungsausgaben für die Unternehmen auszahlen, kann es Jahre dauern. Bis dahin wird bei vielen Zulieferern das Geld weiterhin mit dem Verbrenner verdient. Aber der Spagat zwischen Entwicklungsausgaben für neue Antriebsformen und notwendigen Aufwendungen für konventionelle Technik bringt manches Unternehmen in die Bredouille. Die Folge sind Stellenstreichungen. Die Situation verschärft sich zusätzlich, wenn die einstmals erwarteten Stückzahlen ausbleiben und sich um das zu verteilende Geschäft zu viele Wettbewerber streiten.
Welche Folgen Verzögerungen bei der E-Mobilität haben können, zeigt das Beispiel Valeo.
E-Mobilität wird zur teuren Geduldsprobe für Zulieferer
Die schleppende Nachfrage nach E-Autos führt zu Einschnitten bei Zulieferern. Europäische Unternehmen geraten zunehmend unter Druck und müssen rasch Kosten senken.
Schlechte Nachrichten gab es im Herbst für einen Teil der Mitarbeiter des französischen Zulieferers m Werk Bad Neustadt. Die Produktion von E‑Motoren soll im Juli 2024 eingestellt werden. Betroffen sind davon rund 250 Beschäftigte in der Produktion und produktionsunterstützenden Funktionen sowie knapp 100 Mitarbeiter mit befristeten Verträgen. Lediglich 200 Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung bleiben bestehen. Aus Bad Neustadt werden die Kunden Daimler und Volvo mit E-Motoren beliefert. Valeos Begründung: deutliche Volumenrückgänge.
Auch die großen deutschen Zulieferkonzerne Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen drücken hierzulande die Kosten. Bei Bosch sollen in der Forschung und Entwicklung insgesamt zehn bis 15 Prozent der Stellen gestrichen werden. Auch die Standorte Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen sind davon betroffen. Der Stiftungskonzern verweist auf hohe Vorleistungen und einen geringeren Beschäftigungsbedarf bei der E-Mobilität. Beim Zulieferer ZF Friedrichshafen befürchtet der Gesamtbetriebsrat in Deutschland gar den Verlust von 12.000 Stellen bis zum Jahr 2030, und Continental will weltweit 7150 Stellen streichen.
Laut Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, werden die Folgen der Transformation in der Branche jetzt deutlich. „Ich fürchte, das ist erst der Anfang.“ In dieser Dekade rechnet er bei Autoherstellern und Zulieferern in Deutschland mit einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen von 20 Prozent.
Welche nationale Dimension das hat, verdeutlicht das Bundeswirtschaftsministerium. Es beschreibt die Automobilindustrie „als größte Branche des verarbeitenden Gewerbes und gemessen am Umsatz der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland“. 2022 lagen die Umsätze aus der Inlandsproduktion laut dem Branchenverband VDA bei über 500 Milliarden Euro. Rund ein Fünftel davon steuerten Zulieferer bei. „Viele Zulieferer stehen wahrscheinlich vor ihrer bisher größten unternehmerischen Herausforderung“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Wie sich der Markt verändert, zeigt der europäische Autozuliefererverband CLEPA. Wenn sich die Batterieimporte fortsetzen wie bisher, erwartet der Verband, dass Europa im Jahr 2024 zum Netto-Importeur von Zulieferteilen wird. Zum Vergleich: 2022 lag der Exportüberschuss bei zehn Milliarden Euro, vier Jahre zuvor bei rund 26 Milliarden Euro.
Laut einer Untersuchung der Unternehmensberatung Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, haben die deutschen Zulieferer zwischen 2019 und 2022 2,7 Prozentpunkte Weltmarktanteil eingebüßt – so viel, wie sie zuvor in 20 Jahren mühsam hinzugewinnen konnten. Zugleich nimmt der Kapitalstock deutscher Zulieferer seit Jahren ab, was ein Indikator für drohende weitere Marktverluste sein könnte.
Im globalen Wettbewerb drängen vermehrt asiatische Anbieter auf den Markt und verändern nachhaltig das Gesicht der Branche. Mit großen Innovations- und Investitionssprüngen im Bereich Elektromobilität setzen sie die etablierten Unternehmen zunehmend unter Druck. Die deutschen Zulieferer hinken häufig der Konkurrenz hinterher, „weil sie im Wachstumsfeld Elektromobilität oft erst zu spät und zu kleinteilig aktiv geworden sind“, sagt Henning Rennert, Partner bei Strategy& Deutschland.
An mangelnder Bereitschaft, in Forschung und Entwicklung zu investieren, lag es jedenfalls nicht. Insgesamt stecken die deutschen Zulieferer so viel Geld wie noch nie in diesen Bereich. „Damit diese Investitionen auch Früchte tragen, sollten sie ihre Technologieentwicklung allerdings noch stärker auf den Marktbedarf sowie die Situation im Wettbewerb ausrichten, statt längst gesetzten Trends wie im Batteriegeschäft hinterherzulaufen“, fordert Rennert.
Ein Problem liegt darin, dass sehr viele Zulieferer in die E-Mobilität und dabei in ähnliche Produkte investiert haben. Jetzt sind sie mit einer großen Anzahl von Wettbewerbern konfrontiert, wie beispielsweise bei der elektrischen Antriebsachse oder dem Thermomanagement. Konkurrenz belebt in diesem Fall noch nicht das Geschäft.
Aus dem Datencenter: