Škoda-Chef Klaus Zellmer: "Verbrennerautos werden nicht einfach verschwinden"

Angesichts der aktuellen Zögerlichkeit bei Elektroautos sieht sich Škoda-Chef Klaus Zellmer mit dem aufpolierten Verbrenner-Portfolio in einer komfortablen Lage. Škoda verfolgt die Strategie „Bauen, was der Kunde will“. Ein Enddatum für die Fertigung von Modellen mit Verbrennern nennen die Tschechen erst gar nicht. Es wird auf jeden Fall über das Jahr 2035 hinaus sein. Gleichwohl will Zellmer die Elektromobilität nicht aus den Augen verlieren.

Hier legt die VW-Tochter nach, schon allein, um keine Strafzahlungen wegen überschrittener CO2-Flottengrenzwerte in der EU zahlen zu müssen. Zudem plädiert Zellmer für den Einsatz alternativer Kraftstoffe, die nach seiner Ansicht von der Politik zu stiefmütterlich behandelt werden. Zur chinesischen Konkurrenz sagt er: „Wir sind jetzt nicht vor Ehrfurcht erstarrt.“

Herr Zellmer, alle scheinen beim Antriebsmix unter extremem Druck zu stehen, und Sie sind in der wunderbaren Rolle zu sagen: „Wir machen, was der Kunde will, Punkt.“ Sind Sie gerade der „lucky guy“ im VW-Konzern?

Zellmer (lacht): Ich glaube wirklich, dass ich einen der besten Jobs im Volkswagen-Konzern habe, weil Škoda eine tolle Marke und das Team so stark ist. Und Sie haben recht: Wir bauen, was der Kunde will. Wir haben uns bewusst entschieden, ein breites Portfolio anzubieten. Die große Leitplanke, die wir natürlich beachten, sind die CO2-Flottenlimits. Im Jahr 2025 ziehen diese Grenzwerte an, dann 2030 abermals, und 2035 geht es auf null. Auf dem Weg dahin sollen die Kunden aber ihr Geld in ein Auto investieren können, das bietet, was sie möchten.

Verbrenner. Wie sieht denn Ihr Ehrgeiz bei der Elektromobilität gegenwärtig aus?

Uns ist es wichtig, ein starkes batterieelektrisches Angebot zu haben. Wir haben die erfolgreiche Enyaq-Familie im Programm, und noch dieses Jahr kommt der Elroq hinzu. Nächstes Jahr präsentieren wir dann den Epiq und schließlich einen Siebensitzer.

Aber Sie haben kein Enddatum genannt für einen Verbrenner-Ausstieg wie andere.

Weil das die Kunden entscheiden und nicht wir Manager.

Dementsprechend baut Škoda auch Verbrenner über das Jahr 2035 hinaus?

Stand heute machen wir das in den großen Märkten außerhalb Europas, für die kein Enddatum der Politik feststeht.

Sie sprachen die CO2-Limits der EU an. Werden die gerissen, müssen Autohersteller Strafzahlungen leisten. Wie gefährlich ist das für Škoda?

Diese möglichen Strafen sind eine große Herausforderung für -Autohersteller, weil wir für eine Kaufentscheidung zahlen würden, die letztlich die Kunden treffen. Deshalb müssen wir unser Angebot so platzieren, dass es für die Kunden passt. Das ist die Kunst aktuell.

Wie machen Sie das? 

Um die härteren CO2-Flottenlimits 2025 einzuhalten, erweitern wir unsere Elektrofamilie und bringen neue Plug-in-Hybride im Kodiaq und Superb.

Ist der Diesel auch noch wichtig?

Absolut! Der Diesel hat so viele Vorteile, wenn er effizient ist. Generell sehen wir beim Diesel aber einen abnehmenden Grenznutzen, denn wir haben schon viel herausgeholt. Weitere Spriteinsparungen erreichen wir gerade eher über das Fahrzeug selbst, also etwa Aerodynamik oder Antriebsmanagement. Beim Superb Combi haben wir beispielsweise den cw‑Wert um 15 Prozent reduziert und damit eine klare Verbesserung für unsere Kundinnen und Kunden im täglichen Gebrauch geschaffen.

Müssen Sie wegen drohender Strafzahlungen Rückstellungen für 2025 bilden?

Wir sehen keinen Grund, jetzt schon das Handtuch zu werfen. Wir haben einen Plan, wie wir die Ziele erreichen, aber wir sind darauf angewiesen, dass die Verbraucher und die Märkte mitmachen. Da gibt es aktuell noch ein Gefälle in der EU: Je südlicher und östlicher Sie gehen, desto weniger E‑Auto-Akzeptanz finden Sie.

Sie sind stark engagiert in Indien. Ist das auch ein Grund für die Verbrenner-Treue?

Auch Indien spricht über Transformation und hier insbesondere über Biofuels und Ethanol. Hier wollen wir Erfahrungen sammeln. Wir könnten schon heute den CO2-Ausstoß viel deutlicher reduzieren, wenn wir auch in Richtung E-Fuels oder Biofuels weiter in Chancen denken würden. Was wir gegenwärtig tun sollten, ist, alle Möglichkeiten komplett auszuschöpfen – auch im Bereich -alternativer Kraftstoffe. Darüber muss die Politik nachdenken. Denn all die Verbrennerautos werden nicht 2035 einfach verschwinden. Für die Bestandsfahrzeuge brauchen wir eine Lösung. Aktuell lautet die: „Dead end.“ Das halte ich für einen Fehler.

Innerhalb der Markengruppe Core mit Seat/Cupra, VW Pkw und VW Nutzfahrzeuge sollen die Schwestermarken enger zusammenarbeiten. Gemeinsam bauen Sie einen preiswerten E-Wagen bis 25.000 Euro, der bei Škoda Epiq heißt. VW wird einen ID.2 bringen. Wie geht die Zusammenarbeit vonstatten?

Die Hoheit für die Small-BEV-Baureihe haben die spanischen Kollegen von Seat/Cupra. Aber natürlich haben wir auch unsere eigenen Verantwortlichen am Start, damit die Identität von Škoda und unsere markentypischen Eigenschaften gewahrt bleiben und wir uns nicht mit ähnlichen Modellen innerhalb der Markengruppe Core auf den Füßen stehen.

Könnte das für ein noch kleineres E-Auto mit einem Preis von bis zu 20.000 Euro funktionieren? Hier scheint nicht klar, wie es weitergeht im Konzern. 

Das prüfen wir gerade im Konzern, doch da ist noch nichts spruchreif. Aber das ist sicher interessant für Škoda.

Das Elektroauto unter 20.000 Euro ist ja gerade so etwas wie der Heilige Gral der Industrie. -Jeder sagt, das müsse man haben als Automarke. Aber woher wissen wir eigentlich, dass die Kunden das genauso sehen?

Da bin ich komplett bei Ihnen. Was wir feststellen, ist: Je weiter wir in den Segmenten nach unten kommen, desto größer wird die Preissensibilität. Da entscheiden wenige Hundert Euro. Das Entscheidende wird demnach sein, ein Angebot zu haben, mit dem man wirklich Preisführer bei batterieelektrischen Kleinwagen ist. Ein Beispiel: Als wir den Fabia Combi eingestellt und den moderneren, größeren Scala eingeführt haben – das war schon ein Preisschritt. Gleichzeitig bietet der Scala viel mehr Auto. Das hat aber nicht geklappt wie geplant. Die Händler haben uns gesagt, sie hätten gern den etwas preiswerteren Fabia Combi wieder, weil die Kunden diesen Preis noch vor Augen haben. Sie treffen mit Ihrer Frage den Nagel auf den Kopf. 

Verstanden: Wenn Sie es machen, müssen Sie auch Preisführer sein. Inwiefern piesacken denn die Chinesen gerade die europäischen Hersteller beim Preis?

Wir sehen chinesische Marken als relevante Wettbewerber. Das ist am Ende des Tages auch toll für die Kunden: mehr Vielfalt, mehr Wettbewerb. Wenn wir uns die Preise dieser Marken in Europa anschauen, ist das noch nicht kritisch. In China sind sie preiswert, aber das Preisschild in Europa ist ein anderes. Und wir haben als Škoda mit unseren Partnern und unseren etablierten Strukturen mehr anzubieten als nur ein Produkt. Wir sind jetzt also nicht vor Ehrfurcht erstarrt, denn wir haben einen guten Stand im Markt und sehen neue Wettbewerber grundsätzlich auch als Ansporn.

Kommen wir zu den Märkten. Škoda versteht sich als globale Marke. Wo liegt der große Schwerpunkt neben Europa?

Wir sind bekanntlich in Indien stark engagiert und mit Produktionskapazitäten und eigenen, für den Markt entwickelten Fahrzeugen vor Ort. Und wir ziehen jetzt nach mit einem „Sub 4 Meter“-SUV. Für den Namen haben wir in Indien gerade einen Wettbewerb gestartet. Über 50 Prozent des -indischen Gesamtmarkts sind „Sub 4 Meter“-Segment. Das ist für uns der nächste Schritt, um dort Volumen zu schaffen. Und in Vietnam bauen wir eine CKD--Fabrik. Damit können wir in der ganzen ASEAN-Region neue Märkte erschließen. Als dritten Wachstumsbereich schauen wir uns den Mittleren Osten an, den wir aus Indien heraus ebenfalls bedienen können.

Ich höre immer wieder, dass Indien jetzt „voll im Kommen“ ist. Aber sichtbare Fakten bleiben aus. Sie haben die Konzern-Indien-Strategie als CEO übernommen, als Sie antraten. Würden Sie auch pro Indien sein, wenn Sie neu entscheiden dürften?

Ganz sicher. Auch wenn es stimmt, dass es nicht von heute auf morgen geht. Ich weiß noch, wie wir Ende der 90er-Jahre in -einem Porsche-Vorstandskreis -intensiv die Frage „Indien oder China?“ diskutiert haben. Vieles sprach für Indien. Aber China war damals die richtige Entscheidung, zumal das Land sich in der Folge so unglaublich schnell entwickelte. Aber nun ist Indien dran, und diese Wachstumskurve wird kommen. Es war nie konkreter als heute, dass Indien diesen Wachstumspfad geht.

Auch Škoda hat ein Performance-Programm aufgelegt wie die Schwestermarke VW. Was müssen Sie da erreichen?

In den nächsten fünf Jahren wollen wir 15 Prozent der Kosten im indirekten Bereich – also Personalkosten insbesondere im Verwaltungsbereich – einsparen, um -davon dann fünf Prozent wieder zu investieren. Konkret geht es mittelfristig um Einsparungen im Milliardenbereich.

Letzte Frage zur einst erhofften Batterie-Gigafactory für Tschechien, die in Pilsen gebaut werden sollte: Ist das komplett ad acta gelegt?

Die Batteriefabrik des Konzerns in Tschechien wird erst einmal nicht so gebaut werden, ja. Doch ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Tschechien irgendwann eine Batterie-Konzern-
Gigafactory bekommt.