Heycharge: Neues Gesetz beflügelt deutsches Ladeinfrastruktur-Start-up

Tiefgaragen ohne Zugang zum mobilen Datennetzwerk oder WLAN waren bisher so etwas wie der Endgegner für Ladeinfrastruktur. Ohne Möglichkeit zum Datenaustausch lassen sich Wallboxen in internetlosen Parkgaragen kaum betreiben.

Das Start-up Heycharge entwickelte dafür eine patentierte Lösung, die einen Datenaustausch via Bluetooth ermöglicht und erntete dafür Respekt in der Branche. 2022 stieg der BMW-Venture-Capital-Arm iVentures in einer Finanzierungsrunde über 4,1 Millionen Euro bei Heycharge ein. Doch erst jetzt stehen die Gründer Robert Lasowski und Chris Cardé dank eines neuen Gesetzes vor dem Durchbruch.

Erst am Montag verkündete Heycharge den Meilenstein einer Partnerschaft mit dem Technologiekonzern Humax, der seit Kurzem auch Ladelösungen anbietet. Humax will weltweit 100.000 Ladepunkte mit der Technologie des Start-ups, das aktuell aus zwölf Mitarbeitern besteht, ausstatten. Und das soll nur der Anfang sein.

"Nach unseren Recherchen und Hochrechnungen liegt das Potenzial allein in Deutschland bei über zehn Millionen Ladepunkten in Bürogebäuden und Wohnhäusern. Um eine schnelle Umsetzung der Elektrifizierung in unserem Kernsegment zu ermöglichen, sind Skalierung und Kosteneffizienz die ausschlaggebenden Faktoren“, sagt Heycharge-Gründer Robert Lasowski.

Der entscheidende Push für einen enormen Zuwachs in der Ladeinfrastruktur kommt durch das sogenannte GEIG-Gesetz. Das wurde bereits im März 2021 verabschiedet und verpflichtet Gebäudeeigentümer zum Aufbau von Ladeinfrastruktur.

Ab dem 1. Januar 2025 muss zudem jedes Nichtwohngebäude mit mehr als zwanzig Stellplätzen mit mindestens einem Ladepunkt ausgestattet sein. Dies gilt nicht nur für Neubauten nach dem 1. Januar 2025, sondern auch für bestehende Standorte.

Zwar gibt es wie bei jedem Gesetz zahlreiche Ausnahmen und Sonderregelungen, doch im Kern ist klar: Große Bürogebäude und Einkaufszentren werden ab 2025 deutlich mehr für Ladeinfrastruktur investieren müssen als bisher. In Bereichen, in denen eine schlechte Netzabdeckung herrscht, könnte dann die Technologie von Heycharge ins Spiel kommen.

Doch auch bei Wohngebäuden tut sich etwas: Die Meag, Vermögensverwalter der Rückversicherungsgesellschaft Münchener Rück, schloss im Mai eine Partnerschaft mit Heycharge und will Mietern in Gebäuden der Meag so Ladelösungen anbieten.

Die Technologie des Start-ups soll in Bestands- und Neubauten der Meag integriert werden. Insgesamt 600 Wallboxen hat Heycharge aktuell am Markt, dazu kommen weitere 1400 Neuaufträge, die jetzt umgesetzt werden.

"Die Lücke, die wir beim Aufbau der Ladeinfrastruktur haben, besteht in den Tiefgaragen, den Bürogebäuden und den Mehrfamilienhäusern", sagt Robert Lasowski der Automobilwoche. Der klassische Usecase einer Wallbox an einem Carport, oder einer Garage an einem Einfamilienhaus sei längst mit genügend Angeboten versorgt, erklärt Lasowski: "Da ist der Markt gesättigt."

Anders sei die Lage eben bei allen Bereichen mit geringer oder gar keiner Netzabdeckung. Und eine weitere Chance sehen die Gründer: "Die kleinen, günstigen Elektroautos kommen jetzt erst auf den Markt. Und schon jetzt hängt der Ausbau der Ladeinfrastruktur hinter den Verkäufen von Elektroautos in Deutschland zurück", so Gründer Chris Cardé im Gespräch mit der Automobilwoche.

Das kleine Team in München sieht jetzt seine Chance gekommen und will vom Hochlauf der Elektromobilität und dem GEIG-Gesetz profitieren. Die Zeit seit dem Einstieg von BMW iVentures 2022 wurde genutzt, um die Technologie marktreif zu entwickeln und sowohl Nachrüstlösungen für schon bestehenden Wallboxen als auch Wallboxen mit bereits inkludierter Heycharge-Technologie zu entwickeln.

Jetzt sollen die Markterfolge kommen. "Wir haben länger gebraucht als wir dachten", gibt Robert Lasowski daher auch zu. Doch inzwischen ist Heycharge in seinen Büros in der Münchener Maxvorstadt bereit. "Der Markt entwickelt sich in unsere Richtung", ist Mitgründer Chris Cardé überzeugt.