Ford läuft in Köln die Zeit davon

Es ist ein Symbol der Hoffnung für Ford in Europa – in der vergangenen Woche begann im Kölner Stammwerk die Serienproduktion des zweiten rein elektrischen Modells, des Capri. Im Juni war bereits der Explorer erstmals vom Band gelaufen.

Jetzt müssen beide neuen Fahrzeuge richtige Verkaufsschlager werden. Denn wenn die Pkw-Verkäufe weiter sinken, werden die unausgelasteten Werke unrentabel. Derzeit scheint die Talfahrt kein Ende nehmen zu wollen: In der EU sackten die Pkw-Neuzulassungen von Ford per Ende August gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 15,8 Prozent auf 210.351 Einheiten ab. In Deutschland lag der Schwund bei 16,7 Prozent. 

Das Werk im Kölner Norden könnte nach Angaben des Unternehmens jährlich bis zu 250.000 Fahrzeuge produzieren. Es wäre aber schon ein Erfolg, wenn Explorer und Capri zusammen auf 100.000 Einheiten pro Jahr kommen würden – schließlich übertrafen im vergangenen Jahr in Europa nur zwei E-Modelle die Marke von 100.000 Einheiten, Teslas -Model Y und das Model 3. Der mit dem Explorer vergleichbare ID.4 schaffte 85.000 Einheiten.

Anfang Juni hatte Europa-Chef Martin Sander überraschend den Hut genommen und war im Juli zum direkten Wettbewerber Volkswagen gewechselt. Kaum zwei Wochen später kam die nächste Hiobsbotschaft: Die Geschäftsführung kündigte einen weiteren Stellenabbau in Europa an, den vierten seit 2018.

Das Unternehmen nannte bislang keine Zahlen zum erneuten Countdown, was die Unsicherheit nur noch erhöht. Gesamtbetriebsratschef Benjamin Gruschka betonte im Gespräch mit der Automobilwoche: „Uns sind die Zahlen für eine erneute Restrukturierung bis heute nicht bekannt.“ Ursprünglich sollten die Gespräche darüber Ende September beginnen – bislang aber gebe es keine Termine. 

Der Gewerkschafter ist Realist und verweist auf frühere Sparrunden: „Die gesamte globale Ford-Produktionswelt ist im Umbruch. Die Belegschaft in Köln ist immer wieder in Vorleistung getreten, und wir erwarten jetzt, dass wir im Zuge dieser Transformation nicht noch mehr abgestraft werden.“ 

Auf dem Prüfstand der Unternehmensführung stehe die gesamte Struktur der Ford-Werke GmbH. „Noch sind alle Abteilungen, ob Werkschutz oder Betriebsgastronomie, Teil der Werke GmbH. Die Geschäftsführung hat aber im Sinn, neue, schlanke Strukturen zu schaffen.“

Kein Wunder, dass die Belegschaft verunsichert ist. „Die Leute sehen, was in Saarlouis passiert ist, wo Ende nächsten Jahres der letzte Focus vom Band laufen wird.“ Empört ist Gruschka über die neue Debatte zu den Lohnkosten in Deutschland.

„Die machen in der Automobilindustrie nur zwölf Prozent der Gesamtkosten aus. Andere Faktoren wie Komponenten von Zulieferern, Rohstoffe und Energie spielen eine viel größere Rolle. Selbst wenn wir alle gratis arbeiten würden, würde die Rendite der Unternehmen höchstens um wenige Prozentpunkte hinterm Komma steigen.“ 

Die Lohnkostendebatte sei umso ungerechter, als ein großer Teil des Ford-Niedergangs in Europa durch Managementfehler entstanden sei. „Wir haben keinen Elektro-Fiesta, wir haben kein günstiges Einstiegs-Elektroauto – und im Segment der ehemaligen Dauerbrenner S-Max, Galaxy und Mondeo haben wir auch nichts mehr zu bieten“, so Gruschka. „Das haut uns jetzt ins Kontor.“ 

Allen Beteiligten ist klar, dass keine Lösung ausgeschlossen werden sollte, um die Kapazitäten in Köln zu erhöhen. Das könnte eine Kooperation mit einem chinesischen Hersteller sein, wie es Stellantis-Chef Carlos Tavares mit der neuen Marke Leapmotor vorgemacht hat.

Intern wurde diese Möglichkeit aber verworfen, der Konzern wolle sich nicht auf ein chinesisches Unternehmen verlassen müssen. Alternativ könnten die Kölner mithilfe günstiger Komponenten aus Fernost oder aus Marokko doch einen preiswerten Elektro-Kleinwagen auf die Beine stellen – ähnlich dem Beispiel von Dacia.

Sicher ist: Den Fordianern in Köln läuft die Zeit davon. Und mit jedem Quartal werden die Optionen weniger.