Streetscooter: Erneute Insolvenz und möglicher Umzug nach Thailand

Im Januar war die Begeisterung in Aachen groß, denn der Mitgründer und "Vater" des Elektro-Transporters Streetscooter, Günther Schuh, hatte mit seinem Unternehmen e.Volution die Rechte an dem einstigen "Post-Auto" von dem insolventen Unternehmen B-On zurückgekauft.

Doch nun steht auch dieses Nachfolge-Unternehmen im vorläufigen Insolvenzverfahren. Im Gespräch mit der Automobilwoche erklärt Schuh, dass dies noch nicht das Aus für die Marke bedeuten muss.

Der Unternehmer will trotz des eingeleiteten Verfahrens nicht aufgeben und will sich unter Anleitung des vorläufigen Insolvenzverwalters Dr. Mark Boddenberg (Eckert Rechtsanwälte) weiter dafür einsetzen, die Fertigung fortführungsfähig zu machen. Eine Option besteht darin, die Fertigung nach Thailand zu verlegen.

Dort hat er nach eigenen Angaben bereits seit Jahresbeginn einen Partner, der einige zentrale Baugruppen für den Transporter in Südostasien einkauft und auch damit begonnen hat, das aufwändige Chassis des Autos zu fertigen.

Grund für das erneute Aus der Fertigung in Deutschland ist nach Angaben von Schuh der Rückzug von drei Auftraggebern, darunter auch einer großen Bestellung.

"Mit einem Kunden waren 300 Fahrzeuge endverhandelt und weitere 1000 als Option reserviert. Damit hätten wir eine rentable Produktion auch im kommenden Jahr aufbauen können, doch der Auftrag wurde nun plötzlich abgesagt."

"Wir haben das leider zu optimistisch beurteilt," räumt Schuh nun selbstkritisch ein. Angesichts der weggefallenen festen Aufträge sei die Insolvenz „unumgänglich“ geworden.

Ein Grund für die nicht gezogene Kaufoption sei das Angebot eines Wettbewerbers gewesen, der sein Fahrzeug dem Kunden um 58 Prozent unter dem Listenpreis angeboten habe. "Eine solche Rabattschlacht konnten wir als kleiner Nischenanbieter nicht mitgehen."

Zwar habe er es mit seinem Team geschafft, den modernisierten Streetscooter deutlich günstiger zu bauen. "Wir haben insgesamt rund 24.000 Euro aus dem Fahrzeug regelrecht rausgeprügelt", so Schuh. Dennoch habe dies im aktuellen Umfeld nicht ausgereicht.

Mit einem Partner in Thailand sollte die Produktion des Fahrzeugchassis Mitte 2025 verlagert werden. Nun stehen aber offenbar noch weitere Optionen offen. Laut Schuh brauche es dafür allerdings die Bereitschaft, erforderliches Eigenkapital in niedriger zweistelliger Millionenhöhe zu investieren. Insbesondere bei der Fertigung von Batterien müsse man neue Wege gehen, "damit wir die Kosten nochmals deutlich senken können."

Bislang sei es mit der Teilefertigung und dem Teile-Einkauf in Thailand bereits gelungen, die Kosten pro Fahrzeug um rund 24.000 Euro zu reduzieren. Bei einer kompletten Endmontage des Autos in Thailand könnten diese Einsparungen nochmals auf dann rund 30.000 Euro gegenüber den Ursprungs-Gestehungskosten verbessert werden, rechnet Schuh vor.

Damit werde die Thailand-Version des Streetscooter interessant für den südostasiatischen Markt. "Wir waren zum Beispiel jüngst auf der Tilog-Logistix2024 und LogiMat SEA in Bangkok und sind dort auf sehr großes Interesse gestoßen."

Die Version für Südostasien müsse allerdings noch abgewandelt werden, was aber möglich sei. Es gehe um einen kleineren Wendekreis, mehr Zuladung und eine kürzere Gesamtlänge.

Bislang erledigt die Endmontage der Auftragsfertiger Neapco in Düren. Für Neapco ist der Streetscooter-Fertigung ein wichtiger Teil des gesamten Geschäfts. Der Betriebsrat sieht den Standort in Düren mit insgesamt 500 Mitarbeitern als gefährdet an. Bereits seit Juli ruht dort die Endmontage des Streetscooter. Für den Bau des Streetscooter sind dort rund 200 Mitarbeiter im Einsatz gewesen, die seither in Kurzarbeit stehen.