Opel-Vorstandschef Michael Lohscheller hat seit seinem Start vor vier Jahren erreicht, was viele für unmöglich gehalten haben – die Rückkehr zu nachhaltiger Profitabilität nach mehr als 20 Verlustjahren. Nun soll Opel wieder wachsen und sich nicht nur gesundschrumpfen.
Herr Lohscheller, Sie haben drei Jahre hintereinander profitabel abgeschlossen. Was waren und sind die wichtigsten Hebel dafür?
Kurz gesagt: Wir haben unsere Preisdurchsetzung am Markt deutlich verbessert – und die Komplexität und Kosten erfolgreich gesenkt. Aber der Reihe nach: Wir haben 2017 gesagt, dass wir die Gewinnschwelle deutlich reduzieren wollen, und zwar auf ein Level von 800.000 Fahrzeugen. Das haben wir nicht nur erreicht, sondern sogar übertroffen.
Wie gelang das konkret?
Um das zu erreichen, haben wir auf drei entscheidende Punkte gesetzt. Zum einen haben wir unseren Preispunkt am Markt deutlich verbessert. Das heißt nicht unbedingt, die Listenpreise zu erhöhen, sondern für eine bessere Preisdurchsetzung zu sorgen und auch höher ausgestattete Fahrzeuge zu verkaufen. Zweitens haben wir die Komplexität unserer Produkte deutlich reduziert. Das war auch eine ganz wichtige Erkenntnis bei PSA. Früher haben wir gesagt, wir wollen keinen Kunden verlieren. Um aber auch den letzten Kunden zu erreichen, muss man eine Menge investieren – so viel, dass es sich manchmal nicht rechnet. Und dann natürlich haben wir unsere Fixkosten deutlich reduziert. 2020 war der Beweis, dass wir auch in einem extrem schwierigen Umfeld noch schwarze Zahlen erreichen können. Das macht uns schon stolz, denn Opel ist nun wirklich wetterfest aufgestellt.
Bei den 630.000 Einheiten im Jahr soll es also nicht bleiben?
Nein, absolut nicht. Wir müssen natürlich schauen, wie es mit den Lockdowns in ganz Europa weitergeht. Wir wollen an die Verkäufe der Vorjahre anschließen. Ich möchte, dass Opel so bald wie möglich wieder mehr als eine Million Autos verkauft. Das ist unser klarer Anspruch. Und natürlich niemals auf Kosten des Gewinns oder unserer CO2-Bilanz.
Das ist mit weniger Modellen sicher nicht einfach. Adam, Karl, der alte Zafira – alle weg.
Ja, aber diese Entscheidungen waren absolut notwendig, um die CO2-Ziele der EU zu erreichen. Und ein schlankeres Sortiment hat auch Vorteile. Ein breites Portfolio führt zu einem entsprechend hohen Aufwand in Entwicklung, Produktion, Marketing und Verkauf. Das gilt auch für den Händler: Mehr Modelle bedeuten mehr Ausstellungs- und Vorführwagen oder etwa Schulungen. Wenn man fokussierter ist, ist man in allen Bereichen effizienter. Was mir viel Vertrauen gegeben hat, ist die Konzentration auf den Fünftürer Corsa. Früher hatten wir neben Adam und Karl ja auch noch den Dreitürer-Corsa. Der Fünftürer-Corsa kann das Volumen der nicht mehr fortgeführten Modelle zwar noch nicht komplett ausgleichen, aber er ist auf einem sehr guten Weg dorthin.
Wird es künftig wieder ein Opel-Modell unterhalb des Corsa geben? Die Konzernschwester Citroën hat ja jüngst mit dem AMI gezeigt, dass da ein neues Segment in Europa entsteht.
Das Segment unterhalb des Corsa ist durchaus interessant. Grundsätzlich ist das Thema der Mobilität in Großstädten für uns natürlich sehr relevant. Aber es gibt derzeit nichts, was ich konkret ankündigen könnte.
Im internationalen Geschäft ist Opel noch schwach – derzeit verbuchen Sie erst acht Prozent aller Verkäufe außerhalb Europas.
Opel wird nachhaltig profitabel, elektrisch und global. Das sind die drei Pfeiler das PACE-Plans. Unser Wachstum außerhalb Europas bleibt eine der Kernsäulen unserer Strategie. Wir sind zuletzt in mehrere kleinere Märkte gegangen, und der Erfolg wird sichtbar. Letztes Jahr sind wir außerhalb Europas beim Absatz um 50 Prozent gewachsen. Bis 2022 wollen wir insgesamt 20 Exportmärkte neu erschlossen haben. Wir gehen etwa zurück nach Japan. Dabei nutzen wir zum Teil auch die vorhandenen Strukturen im Stellantis-Konzern.
Lockt Sie nicht vor allem China? Dort sind die früheren PSA-Marken bisher nicht sonderlich erfolgreich. Und chinesische Kunden schätzen deutsche Marken.
Sicher, deutsche Marken sind in China erfolgreich, aber wir müssen auch anerkennen, da sind andere schon etwas früher gestartet. Deshalb müssen wir sehr genau schauen, wie ein Markteintritt von Opel in China aussehen könnte. Das prüfen wir derzeit eingehend. Es geht um die Frage mit welchen Produkten, mit welcher Preisstrategie und vieles mehr. Es gibt noch keine Entscheidung in dieser Frage, aber es ist natürlich ein wichtiges Thema.
Wie sieht es mit den USA aus? Für Peugeot ist Nordamerika ja keine Option mehr, wie das noch vor der Bildung der Stellantis-Gruppe der Fall war.
Nein, Nordamerika ist für Opel aktuell kein Thema. Zum einen ist der Konzern in Nordamerika sehr gut aufgestellt, zum anderen hat China Priorität.
Eine sicherlich mehrjährige Aufgabe wird es sein, die Marke Opel in der neuen Stellantis-Gruppe neu zu positionieren. Was soll die Marke Opel im Kern ausmachen im Vergleich zu Peugeot, Citroën, Fiat, Alfa Romeo und Jeep?
Opel ist die deutsche Marke im Konzern. Damit haben wir eine klare Positionierung. Jeder Opel wird hier in Rüsselsheim entwickelt und designt. Und natürlich legen wir großen Wert auf typisch deutsche Eigenschaften und grenzen uns damit von den anderen Marken ab. Das fängt bei den Sitzen an, erstreckt sich über das klare, fokussierte Design und geht bis zu den bekannten Fahreigenschaften, die einen Opel schon immer ausgezeichnet haben – natürlich autobahnerprobt.
In der Vergangenheit stand Opel auch für stattliche Autos wie den Admiral, den Commodore oder den Diplomat. Der aktuelle Insignia ist das letzte Modell auf einer GM-Plattform. Wenn er ausläuft, was kommt dann? Braucht eine breit aufgestellte Marke wie Opel nicht auch ein Flaggschiff-Modell?
Ja, wir brauchen ein Flaggschiff für die Marke Opel, das auf die ganze Modellpalette abstrahlt. Wir hören definitiv nicht beim Mokka oder beim Astra auf. Wie dieses Top-Modell aber in Zukunft genau aussehen wird, darüber kann ich heute noch nicht sprechen. Opel war jedenfalls immer stark darin, Gewohntes zu hinterfragen.
Die Stellantis-Gruppe will ab 2023 eigene Batteriezellen im französischen Werk Douvrin produzieren, aber erst zwei Jahre später auch im bisherigen Opel- Komponentenwerk in Kaiserslautern. Warum ist Kaiserslautern später dran?
Die Kapazitäten dieser Werke sind schon ziemlich groß. In Kaiserslautern wollen wir in der Endausbaustufe Batterien für 500.000 Fahrzeuge jährlich produzieren. Es ist daher logisch, mit einem Werk anzufangen, und wir haben immer klar kommuniziert, dass das erste Werk in Frankreich entsteht. In Kaiserslautern fangen wir 2025 an mit einer geplanten Jahreskapazität von acht Gigawattstunden. Das ist schon recht ordentlich. Es wäre nicht sinnvoll, zwei Werke gleichzeitig zu starten – wir wollen ja eine Lernkurve hinlegen.
Werden in Kaiserslautern noch Lithium-Ionen-Batterien gebaut werden oder setzen Sie dort schon auf Festkörperbatterien?
Wir werden den neuesten Stand der Technik bringen und ab einem gewissen Zeitpunkt auch Festkörperbatterien fertigen.
Spielen Plug-in-Hybride für Opel künftig noch eine Rolle oder setzen Sie vollständig auf batterieelektrische Fahrzeuge?
Nein, da sind wir technologieoffen. Der Kunde soll entscheiden, welche Antriebstechnologie er nutzen will. Wir haben inzwischen fast unser ganzes Portfolio elektrifiziert, sowohl batterieelektrisch wie auch als Plug-in-Hybrid und ab Jahresende eben auch Wasserstoff.
2020 ist Opel bei den Elektromodellen auf einen Verkaufsanteil von 5,5 Prozent gekommen. Was haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?
Das geht Schritt für Schritt nach oben, und zwar relativ rasch in den zweistelligen Bereich. 2030 wollen wir auf eine Flottenemission von 55 Gramm pro Kilometer kommen. Ohne eine breite Elektrifizierung ist das nicht möglich. Deshalb sind auch die neuen Plattformen der Stellantis-Gruppe für uns so wichtig.
Junge Kunden erwarten beim Autokauf ein bruchloses Online- Erlebnis und viele den direkten Kauf beim Hersteller. Ist das Agenturmodell für Opel eine ernst zu nehmende Option?
Das Thema Direktvertrieb wird künftig auch für Opel mehr Bedeutung bekommen. Der Handel ist für uns extrem wichtig, er wird auch künftig das Rückgrat unseres Verkaufs bleiben. Aber man muss sehen, dass die Distributionskosten sehr hoch sind. Das wollen wir verbessern. Erste Möglichkeiten dafür haben wir schon 2018 in neuen Händlerverträgen geschaffen.
Wann wird es ein erstes Direktgeschäft bei Opel geben?
Erste Ansätze wird es schon recht bald geben, aber noch nicht in der Breite.
Ist der Stellenabbau in Deutschland abgeschlossen?
Wir haben ja vor gut einem Jahr vereinbart, dass bis zu 2100 Mitarbeiter das Unternehmen über die verschiedenen Freiwilligenprogramme verlassen können. Dieses Ziel ist noch nicht vollständig erreicht, aber wir haben das klare Ziel, das Programm zügig abzuschließen.
Im September findet die neue IAA Mobility erstmals in München statt – falls nicht die Pandemie die Planung komplett durcheinanderbringt. Wird Opel in München dabei sein?
Die IAA hat einen neuen Ansatz, den ich für sehr richtig halte – es geht um Mobilität in einer ganzheitlichen Betrachtung. Da wollen wir gerne dabei sein und prüfen derzeit verschiedene Konzepte. Eine Entscheidung gibt es aber noch nicht.
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