Die angekündigte Streichung von 3800 Stellen bei Bosch sorgt weiter für Unruhe. Der Betriebsrat bietet alternative Lösungen an, das Unternehmen rechtfertigt das Vorgehen.
Proteste gegen den Stellenabbau bei Bosch in Stuttgart
Kurioser Vorgang: Kurz hintereinander haben am Mittwoch Bosch-Betriebsrat und IG Metall sowie das Unternehmen selbst Journalisten zum Pressegespräch in Stuttgart eingeladen. Dabei wurde deutlich, wie weit die Meinungen zum geplanten Stellabbau auseinanderklaffen.
Während der Betriebsrat endlich Gespräche auf Augenhöhe zur Zukunft des Konzerns einfordert, sieht Personalchef Stefan Grosch eine ausreichende Einbindung der Arbeitnehmervertreter gewährleistet – und die Maßnahmen als unumgänglich.
Gesamtbetriebsratschef Frank Sell will die Pläne nicht akzeptieren. Der Konzern sei finanziell sehr robust aufgestellt, mache immer noch ordentlich Gewinn. Trotzdem will das Unternehmen wie angekündigt rund 3800 Stellen in Deutschland abbauen, weltweit sind es sogar 5550.
Schon im Sommer hatte Bosch ein Abbauprogramm angekündigt, bei dem es allein im Mobility-Bereich um rund 3000 Stellen ging. Gespräche im Vorfeld gab es dabei offenbar nicht. „Es ärgert uns, dass nicht gemeinsam nach Lösungen gesucht wird, sondern ausschließlich über Personalabbau gesprochen wird“, sagt Sell und spricht von einer Salamitaktik der Geschäftsführung.
Um nicht nur zu jammern, hat er Lösungsansätze mitgebracht. Bosch sei beim Thema KI schneller gewesen als die meisten Unternehmen auf der Welt. Hier wolle man die Nummer 1 werden, aber dafür brauche es auch die entsprechenden Mitarbeiter.
Mit einer gezielten Qualifizierungsoffensive sollen zudem Mitarbeiter in andere Jobs vermittelt werden, anstatt sie vor die Tür zu setzen. Zwar gibt es eine solche Plattform bereits. „Aber wir kommen hier nicht aus dem Quark“, so Sell.
Außerdem fordert er eine Innovationsoffensive, um in Zukunft mit neuen Produkten punkten zu können. Wenn das Unternehmen einmal genau definiere, was es unter Wettbewerbsfähigkeit verstehe, sei der Betriebsrat zu Zugeständnissen bei Flexibilität und anderen Themen bereit.
Bosch-Arbeitsdirektor Stefan Grosch betont wenig später die gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, der Dialog habe sich deutlich verbessert in den vergangenen Jahren. Es ist, als prallten zwei völlig unterschiedlich Welten aufeinander. Auf die Frage, wie das mit den Ausführungen des Betriebsrats zusammenpasse, räumt Grosch zumindest ein, dass es unterschiedliche Meinungen gebe.
Er bleibt aber dabei: Das Marktumfeld habe sich gerade in den letzten Monaten extrem dynamisch entwickelt. Daher müsse das Unternehmen zügig entscheiden, ein Jobabbau sei unvermeidlich, wenn die Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden solle. Auch Bosch-Chef Stefan Hartung hatte die Maßnahmen im Interview mit der Automobilwoche verteidigt.
Dass es dabei ausgerechnet ein Zukunftsbereich wie Cross Domain Computing Solutions trifft, wo an den Standorten Leonberg, Abstatt, Renningen, Schwieberdingen und Hildesheim rund 1.850 Stellen wegfallen sollen, erklärt das Unternehmen mit Verzögerungen von Software-Projekten bei den Kunden. „Beim autonomen Fahren ist der Sprung von Level 2 auf Level 3 enorm, diesen haben wir früher erwartet“, sagt Bereichsvorstand Stefan Hölzl.
Jetzt aber würden geplante Fahrzeuge um Jahre verschoben oder sogar ganz gestrichen. Stattdessen, so die Prognose, werden sich Fahrassistenzsysteme in den nächsten Jahren auf das Level 2 konzentrieren, bei dem der Fahrer zwar die Hände längere Zeit vom Lenkrad nehmen kann, aber voll in er Verantwortung bleibt.
Bei den Elektromotoren in Hildesheim und den Lenksystemen in Schwäbisch Gmünd, wo 750 und 1300 Jobs gefährdet sind, geht es um anders gelagerte Probleme. Auch hier verzögern sich neue Technologien wie etwa das Steer-by-wire, also die elektronische Steuerung, die für das autonome Fahren benötigt wird.
Bei den bestehenden Produkten aber drängen neue Wettbewerber aus Ländern mit niedrigeren Löhnen auf den Markt. Der Preisdruck steigt. Dem kann Bosch nach Angaben von Grosch nur durch Verlagerung an günstigere Standorte oder, wie im Falle der Elektromotoren in Hildesheim, durch eine höhere Automatisierung der Produktion begegnen.
Da in vielen Bereichen eine Beschäftigungsgarantie bis 2027, zum Teil sogar 2029 gilt, muss Bosch die Mitarbeiter zum freiwilligen Ausscheiden bewegen. Das geht über alternative Jobangebote im Unternehmen selbst, über Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeit, oder aber über Abfindungen. „Die Demografie wird dafür nicht ausreichen“, so Grosch.
Wie teuer dies das Unternehmen am Ende zu stehen kommt, konnte er nicht sagen. Die große Befürchtung der Betriebsräte ist, dass die in ein paar Jahren die gleichen Mitarbeiter gesucht sind, die man heute loswerden will. „Das sind hoch ausgebildete Leute, die für die Transformation des Unternehmens stehen“, sagt Stefan Bischoff, Betriebsrat am Standort Leonberg.
Zwar wird es in den nächsten Wochen Gespräche zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung geben, auch auf Standortebene wird weiterverhandelt. Dabei hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass zum Teil Stellen erhalten werden konnten. So einigten sich beide Seiten im Fall des Standorts Feuerbach, dass die Streichung von 950 statt 1250 ausreichend ist. Mit einem „Projekthaus Thermomanagement“ ist sogar ein Zukunftsbereich angesiedelt worden.
Doch Betriebsratschef Frank Sell geht es um mehr als nur eine kosmetische Korrektur der Zahlen. „Wir wollen über die großen Autobahnen sprechen, die uns in die Zukunft führen.“ Sollte dies nicht der Fall sein, werde man für das kommende Jahr einen Aktionsplan ausarbeiten. Das Wort Streik nimmt er dabei wohl absichtlich noch nicht in den Mund.
