Trendumkehr: Weniger Autos in Städten

Während Menschen auf dem Land auf ein eigenes Auto angewiesen sind, verlieren sie in Großstädten zunehmend das Interesse. Das zeigen die jüngst vom Kraftfahrt-Bundesamt veröffentlichten Zahlen. In Deutschland stieg der Bestand zum Jahresstart auf mehr als 49,3 Millionen Pkw, in den beiden größten deutschen Metropolen ist er jedoch gesunken.

In Berlin ist der Rückgang am deutlichsten: Hier sank der Bestand um 11.000 Pkw auf rund 1,23 Millionen. Ähnlich sieht es in Hamburg aus, nur eine Nummer kleiner. Hier ging der Bestand um rund 2500 auf knapp 811.000 Pkw zurück. Und auch in Bremen scheint mit Blick auf die geringen Zuwächse der Peak erreicht.

"Das Auto verliert seine dominante Rolle in den großen Städten schon seit ungefähr zehn Jahren“, sagt Andreas Knie, Verkehrsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Die Konjunkturflaute der vergangenen Jahre habe der Entwicklung nun nochmals einen Schub gegeben, so Knie: "Paradoxerweise ist gerade während der Pandemie die Attraktivität zurückgegangen, weil der Nahraum praktisch neu entdeckt wurde und insbesondere das Verkehrsmittel Füße eine neue Bedeutung bekommen hat."

Bei der Neuordnung des städtischen Verkehrs ist man in anderen europäischen Ländern bereits weiter. "Deutschland hinkt hier etwas hinterher", sagt der Wissenschaftler. Die Städte würden sich hier politisch noch wenig zutrauen.

In den skandinavischen Staaten und auch in den Benelux-Ländern, der Schweiz und Österreich sowie zunehmend in Frankreich, Spanien und Oberitalien werde der Raum für private Fahrzeuge eingeschränkt. Knie: "Dauerparken auf öffentlichen Flächen ist in der Innenstadt praktisch gar nicht mehr möglich."

Entsprechend sind andere Mobilitätslösungen gefragt – und ganz neue Ansätze. Eine Rolle könnten dabei Fußballstadien als Mobility Hubs (Umsteigestationen) spielen. In der Regel liegen sie gut, haben viele Parkplätze und sind gut angeschlossen.

"Hubs in Fußballstadien würden mit Blick auf Parkplatznot und Verkehr sowohl Anwohner als auch Pendler deutlich entlasten", sagt Sven Henkel, Lehrstuhlinhaber für Käuferverhalten und Verkauf an der EBS-Universität.

Als Beispiel nennt er Frankfurt. Hier testet EintrachtTech, Tochter des örtlichen Bundesligisten, Mobilitätsprojekte und denkt über einen Hub nach. "Fußballstadien werden nur jedes zweite Wochenende gebraucht. Werden diese zu Mobility Hubs umgebaut, wo langfristig auch Arbeitsräume angeboten werden, können sie viel besser genutzt und ausgelastet werden“, sagt Henkel.

Dagegen sind Mineralölkonzerne mit ihrem Hub-Ansatz zum Teil vorsichtiger geworden. 2020 hatte Aral einen Mobility Hub in Berlin eröffnet. Die multifunktionale Station dient als Testfeld für veränderte Bedürfnisse. Einzelne Erfahrungen hat der Konzern auch an anderen Standorten genutzt, aber das Konzept aus Berlin wurde nicht eins zu eins auf andere Städte übertragen, so ein Aral-Sprecher.

Shell eröffnete 2022 einen Mobility Hub in Rotterdam. Statt fossiler Kraftstoffe gibt es dort Strom. "Einige, vor allem innerstädtische Tankstellen werden zu Mobility Hubs umgebaut, die dann rein auf Elektroautos ausgelegt sind", sagt eine Sprecherin. Im Fokus bleibt allerdings das Auto.

An ihm führt auch in Städten so schnell kein Weg vorbei. Davon ist auch Verkehrsforscher Knie überzeugt. Allerdings nur in Gemeinschaftsverkehren (Carsharing, On-Demand-Angebote), nicht als privates Verkehrsmittel.