Experte: Chinesische Hersteller haben in Europa keine Chance – mit einer Ausnahme

Chinesische Hersteller sind in der Zwickmühle: Auf dem heimischen Markt tobt der Preiskrieg und die USA schotten sich ab. Als Ausweg sehen viele Europa – trotz EU-Strafzöllen für E-Autos. Doch hier sind die wenigsten bislang richtig angekommen, und das wird sich wohl so schnell auch nicht ändern.

Davon ist China-Experte Jochen Siebert, Gründer von JSC Automotive mit Sitz in Shanghai und Stuttgart, überzeugt: „Solange chinesische Hersteller den deutschen Markt nicht verstehen, spielen sie hier keine Rolle. Das wird auch in den nächste drei bis fünf Jahren so bleiben.“

Entsprechend sieht Siebert die Bemühungen vieler chinesischer Hersteller skeptisch, die derzeit ein Vertriebsnetz aufbauen. „Ich kann nur jeden Händler warnen, in eine chinesische Marke zu investieren. Das zahlt sich in der aktuellen Situation nicht aus.“

Trotz zum Teil hoher Investitionen stehen viele chinesische Hersteller weiter am Anfang: Bei Lynk & Co und Aiways waren die Neuzulassungen im vergangenen Jahr in Deutschland zweistellig, bei Nio und Xpeng dreistellig. Great Wall Motor und BYD erzielten immerhin niedrige vierstellige Neuzulassungen. Nur MG kam mit knapp 21.000 Einheiten auf eine nennenswerte Größe.

Ähnlich sieht es in anderen europäischen Ländern aus. Lediglich SAIC ist ernsthaft präsent und wird in den monatlichen Statistiken des europäischen Herstellerverbandes ACEA gelistet. In Europa (EU/Efta/UK) kam SAIC auf knapp 250.000 Neuzulassungen.

„SAIC ist der einzige chinesische Hersteller, der nennenswerte Stückzahlen in Europa verkauft. Ich gehe davon aus, dass sich der Absatz in den nächsten fünf Jahren auf 500.000 bis 600.000 Fahrzeuge nahezu verdoppelt“, so Siebert. Seine Schlussfolgerung ist klar: „Wenn Europa Angst haben sollte, dann allenfalls vor SAIC.“

Als einziger chinesischer Hersteller ist SAIC bereits seit Jahrzehnten in Europa. Nach der Übernahme durch Nanjing Auto gehört auch MG zum Staatskonzern. Zunächst war der Autobauer nur in Großbritannien aktiv.

2019 startete SAIC seine Europa-Expansion, seit 2021 ist der Autobauer mit MG in Deutschland aktiv. 2020 setzt sich der Hersteller das Ziel, bis 2025 in Europa auf 100.000 verkaufte Einheiten zu kommen. Das war Bescheiden.

„SAIC ist unter den chinesischen Herstellern die einzige Ausnahme: Sie haben sich Zeit genommen, in Europa Fuß zu fassen“, so Siebert. „Dafür haben sie jeden Markt einzeln analysiert, um dann ihre Strategie danach auszurichten.“

Und auch auf den einzelnen Märkten lernten sie schnell. Lag der Fokus zunächst auf Elektroautos, kommen sie nun zunehmend mit Verbrennern. Nun kommt SAIC in Deutschland mit dem MG3 für 17.990 Euro und dem MG ZS ab 20.990 Euro. Als Verbrenner. Damit fallen sie nicht unter die EU-Strafzölle.

Dabei verfolgt SAIC seine eigene Strategie: „Sie schauen sich den Marktführer an und kommen dann mit ähnlichen Produkten“, sagt Siebert. „Allerdings kosten die dann zehn Prozent weniger.“

Was mit der Strategie drin ist, zeigt der Blick nach Spanien: Mit 20.386 verkauften MG ZS ist der chinesische Hersteller die Nummer 1 im Segment B-SUV mit einem Marktanteil von knapp 14 Prozent – vor dem Seat Arona und dem Toyota Yaris Cross.
 
„SAIC hat in Europa dann ein Problem, wenn die heimischen Hersteller wieder beginnen, bezahlbare Autos zu bauen“, sagt Siebert. Das zeichne sich für die nächsten Jahre nicht ab.

Doch dem Beispiel von MG folgten andere chinesische Hersteller nicht. Sie hatten ihren eigenen Ansatz. „Europa kann nicht aus China gesteuert werden, sondern muss vor Ort geschehen“, meint Siebert. Unternehmen wie BYD seien davon weit entfernt. „Das zeigen auch die Maßnahmen der vergangenen Monate, wo man die Partner sehr rüde behandelt hat.“

Ende vergangenen Jahres hat BYD seinen Deutschland-Importeur Hedin vor die Tür gesetzt und das Geschäft selbst in die Hand genommen. Bis Ende des Jahres will BYD ein Netz mit 120 Vertriebsstandorten in Europa aufbauen. Händler wie Sternpartner/SPT Avior stiegen aus. Mittlerweile kursiert in der Branche das BYD-Absatzziel von 50.000 Neuzulassungen für 2025.

Es ist nicht der einzige chinesische Hersteller mit ambitionierten Zielen – und dafür gibt es laut Siebert einen Grund „Die Implosion der chinesischen Automobilindustrie kommt in den nächsten fünf Jahren“, ist Siebert überzeugt. „Die Überkapazitäten der gesamten Branche liegen derzeit bei rund 50 Prozent.“

Längst hat der Exodus aus dem Reich der Mitte begonnen. Schwächere ausländische Hersteller wie Suzuki, Mitsubishi und Fiat haben den Markt bereits verlassen. Andere folgen.

Der Preiskrieg ist weiter massiv. „Die Absatzzahlen sind im vergangenen Jahr in etwas gleichgeblieben, die Durchschnittspreise aber um 30 Prozent gefallen“, sagt Siebert. „Die Margen sind völlig am Boden. Die gesamte Branche ist ein Sanierungsfall.“

Siebert verweist auf die Entwicklung auf dem chinesischen Immobilienmarkt, der allerdings eine wesentlich größere Bedeutung hat: Mit einem Anteil von 30 Prozent am Bruttosozialprodukt ist er etwa dreimal so groß wie die Autobranche.