TÜV Nord greift im Unfallreparatur-Geschäft an

Kfz-Reparaturen sind ein Milliardengeschäft. Allein in diesem Jahr rechnen die deutschen Versicherer mit Ausgaben von rund 35 Milliarden Euro. Für Autohäuser sind die Reparaturumsätze angesichts schmaler Neuwagenmargen mit die wichtigste Ertragsquelle.

Seit einigen Jahren schon wächst daher die Zahl der Dienstleister, die versprechen, über effizientes Schadenmanagement diese Einnahmen zu optimieren, darunter zahlreiche Prüfdienste wie Dekra, TÜV Süd oder TÜV Nord.

Letzterer will nun mit dem neuen Schadenportal seines Corporate Start-ups Kaayo den Markt aufrollen. "Wir wollen einen signifikanten Marktanteil erobern. Ziel ist ein zweistelliger Prozentsatz aller Schäden", kündigt Geschäftsführer Timo Möller Gomez an.

Kaayo soll eine gemeinsame Arbeitsplattform für alle am Schadenprozess beteiligten Akteure schaffen und so eine möglichst reibungslose Abwicklung von Schadenfällen zu ermöglichen. Nach einem Unfall etwa kann die Werkstatt in Kaayo unmittelbar eine Schadenakte anlegen. In ihr werden alle Informationen zu Schadenart, Hergang und Geschädigten erfasst und während der Abwicklung anfallender Schriftverkehr sowie Zahlungsströme und Dokumente wie Gutachten und Rechnungen erfasst.

Aus dem Portal heraus können Sachverständige und Anwälte beauftragt werden, die sich bei Haftpflichtschäden um die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten kümmern. Die beteiligten Akteure können über die Plattform kommunizieren und auf die für sie relevanten Dokumente und Informationen zugreifen.

"Eines der größten Probleme für Werkstätten im Schadenprozess sind Rechnungskürzungen der Versicherer. Indem wir in den Schadenakten über alle Ausstände und eingehenden Zahlungen Transparenz herstellen, erleichtern wir Werkstätten und Anwälten, dagegen vorzugehen", erklärt Möller-Gomez.

Kaayo soll den Autohäusern zudem helfen, die geschädigten Kunden schnell an sich zu binden, bevor die Versicherung des Unfallgegners das Zepter übernimmt und den Schaden in eigene Partnerwerkstätten steuert. Dazu gibt es unter anderem die Option, dass Kunden über eine White-Label-Lösung auf der Website ihres Autohauses selbst eine Schadenmeldung vornehmen können.

"Wer einen Schadenfall als erstes erfasst, kann den Prozess maßgeblich in seinem Sinne steuern", sagt Möller-Gomez.

Im Gegensatz zu den Schadenportalen anderer Prüfdienste sind Autohäuser und Werkstätten bei Kaayo, das als Unternehmen operativ unabhängig ist, nicht auf TÜV Nord als Gutachtenpartner festgelegt. Kaayo sei kein reines TÜV-Produkt betont Möller-Gomez. "Die Realität am Markt ist, dass viele Händler mit unterschiedlichen Sachverständigenorganisationen zusammenarbeiten. Das müssen wir im Interesse unserer Nutzer anerkennen."

Die Offenheit nach allen Seiten soll zugleich helfen, schnell am Markt Fuß zu fassen und durch rasches Wachstum Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. "Langfristig wird es nur einige wenige Anbieter geben", sagt Roman Meier-Andrae, Leiter IT und Digitalisierung bei TÜV Nord Mobilität und in der Anfangsphase zugleich Geschäftsführer bei Kaayo. "Wir werden mit unserer offenen Lösung die Konsolidierung vorantreiben."

Wohl nicht zufällig geht Kaayo mit einem aggressiven Preismodell an den Start: Die Basisversion inklusive der White-Label-Lösung für Schadenmeldungen durch Kunden ist für Autohäuser und Werkstätten kostenlos. Gerade für kleinere Betriebe dürfte das oft ausreichend sein. Erst Zusatzfunktionen wie eine Anbindung an das Dealer Management System des Händlers sind kostenpflichtig. Hinzugezogene Anwälte und Gutachter zahlen nach abgewickelten Fällen.

Angaben zur Höhe des Invests macht TÜV Nord nicht. Man wolle die Kosten aber binnen 18 Monaten hereingespielt haben, so Möller-Gomez. Helfen soll dabei der Kundenstamm von TÜV Nord, der als Erstes vom neuen Angebot überzeugt werden soll. Erst ab 2025 soll der Fokus auf der Eroberung des Gesamtmarktes liegen.