Analyse: Warum in Norwegen neun von zehn Neuwagen elektrisch fahren

Während Deutschland und Europa bei der Einführung von Elektroautos seinen Zielen hinterherhinkt und über die Aufweichung der Vorgaben diskutiert, ist Norwegen weit voraus: Neun von zehn neu zugelassenen Pkw waren im vergangenen Jahr elektrisch, genau 88,9 Prozent, wie der norwegische Straßenverkehrsinformationsrat OFV mitteilte.

Entscheidend für den Erfolg: eine langjährige kontinuierliche Förderung. Aus Sicht von Vize-Verkehrsministerin Cecilie Knibe Kroglund lautet eine entscheidende Lektion: "Stelle ein großes Paket an Anreizen zusammen und mache es langfristig vorhersehbar," so Kroglund.

Und OFV-Direktor Øyvind Solberg Thorsen ergänzt: „Dies ist eine klare Botschaft an die Regierung, dass die Beibehaltung von Anreizen, die den Kauf von Elektroautos begünstigen, von entscheidender Bedeutung ist, wenn die Regierung das selbst gesetzte Ziel erreichen will.“ Bis 2025 emissionsfrei fahren.

Norwegen schiebt die Elektromobilität schon seit Jahrzehnten kräftig an, dagegen stiegen die Kosten für Verbrenner an. Für die Einführung von E-Autos griff der Staat tief in die Tasche und investierte Milliarden. Wesentliche Faktoren waren laut dem norwegischen EV-Verband (Norsk elbilforening):

• Von 1990 bis 2022 fiel auf E-Autos keine Kauf- und Importsteuer an. Seit 2023 wird eine auf dem Gewicht des Fahrzeugs basierende Kaufsteuer erhoben.
• Von 2001 bis 2022 waren E-Autos von der Mehrwertsteuer (25 Prozent) befreit. Seit 2023 wird diese für Fahrzeuge, die mehr als 500.000 norwegische Kronen (42.600 Euro) kosten, fällig.
• Ermäßigte Dienstwagenbesteuerung um bis zu 50 Prozent, seit 2022 um 20 Prozent.
• E-Leasingfahrzeuge werden seit 2015 von der 25-prozentigen Mehrwertsteuer befreit.

Hinzukamen zeitweise Nachlässe bei mautpflichtigen Straßen, Fährtarifen und Parkplätzen. Durch die Nutzung von Busspuren können E-Autofahrer Staus vermeiden. Das Laderecht für Bewohner von Mehrfamilienhäusern sorgte für Rechtssicherheit.

Das ist großzügig und hat natürlich damit zu tun, dass das rohstoffreiche, dünn besiedelte Norwegen eines der reichsten Länder dieser Erde ist. Aber beim Blick auf die Förderung fallen zwei Sachen auf: Es wird kontinuierlich unterstützt, gleichzeitig wird die Förderung nicht abrupt sondern behutsam zurückgefahren.

Das sieht in vielen Ländern anders aus. Dort herrscht eher Eskapismus. Und das schreckt Käufer ab oder führt zu aufgeschobenen Käufen, in der Hoffnung künftig mehr vom Staat zu bekommen. Entsprechend dümpeln die BEV-Marktanteile in Deutschland und in den USA im unteren zweistelligen bzw. oberen einstelligen Bereich – weit entfernt also von den norwegischen Werten.

Ein Beispiel für die Auswüchse staatlicher E-Förderung zeigt sich derzeit in den USA. Ein Fiat-Händler in Colorado addierte die die staatlichen Nachlässe soweit, dass seine Kunden null Dollar Anzahlung und keine monatlichen Raten leisten mussten. Den Fiat 500e, ausgepreist mit 34.095 Dollar ((33.116 Euro), können die Kunden von Larry H. Miller umsonst fahren.

Die staatliche Förderung gleicht den Wertverlust während der Leasingdauer aus.  Eine Steuergutschrift in Höhe von 7.500 Dollar für den Erwerb eines Elektroautos gekoppelt mit 8100 Dollar, die es in Colorado für das Leasing eines Elektroautos unter 35.000 Dollar gab. Fällig wurden lediglich für Kunden rund 1300 Dollar für Steuern und staatliche Gebühren.

„Ich wurde entschuldigend gewarnt, dass ich möglicherweise einige der Papiere erneut unterschreiben müsse, weil das Computersystem des Händlers nicht wisse, wie man mit einem Leasingvertrag ohne Zahlung umgeht“, sagte Autojournalist David Gluckman laut "Automotive News", dem US-Schwesternblatt der Automobilwoche. „Eine lustige Formalität: Sie mussten noch eine Bonitätsprüfung durchführen, um zu bestätigen, dass ich in der Lage bin, (nicht) zu zahlen.“

Der US-Händler stellte sein Angebot zum Jahresende 2024 ein, da die Steuervergünstigungen in Colorado ausliefen. Gepaart mit den Ankündigungen des designierten US-Präsident Donald Trump, der E-Auto-Förderungen nicht mag, führt das wiederum zu erhöhter Unsicherheit.

Solche Auswüchse wie in Amerika hat Deutschland bereits hinter sich: Im Sommer 2020 verramschte das Berliner Autohaus König den Renault Zoe an gewerbliche Kunden zum Null-Tarif. Leasingraten und Sonderzahlung ergaben zusammen 6100 Euro. Dem standen jeweils 3000 Euro Umwelt- und Innovationsbonus sowie 100 Euro für eine akustische Zusatzeinrichtung (AVAS) gegenüber. Lediglich rund 200 Euro wurden für die Bereitstellung und Zulassung fällig.

Die Lücken im deutschen Fördersystem führten zu einer Goldgräberstimmung bei einigen Händlern: Sie strichen die staatliche Förderung ein und verkauften Elektroautos als jungen Gebrauchte ins Ausland. Viele gingen nach Skandinavien, beispielsweise Dänemark und Norwegen. Nach sechs Monaten war in hochpreisigen Ländern der Wertverlust deutlich geringer als der zuvor gewährte staatliche Zuschuss.

Anfang 2023 machte die Ampelkoalition mit dem Geschäftsmodell Schluss und erhöhte die Mindesthaltedauer auf zwölf Monate. Zum Jahresende strich sie die staatlichen Zuschüsse in einer Nacht-und-Nebel-Aktion komplett. Das führte zum Kollaps des E-Automarkts in Deutschland.

Seitdem hat sich der Markt hierzulande zwar wieder leicht stabilisiert. Doch das Niveau ist weit entfernt von norwegischen Zahlen: Im November hatten 14,4 Prozent aller neuzugelassenen PKW einen reinen Elektroantrieb. Insgesamt liegt der BEV-Anteil an den Pkw-Neuzulassungen für 2024 bei rund 13 Prozent.

Nun haben die Parteien die staatliche E-Auto-Förderung wieder für den Bundestagswahlkampf entdeckt. Von Kontinuität ist Deutschland jedoch weit entfernt.