Erste Auto-Chefin im Dax: Karin Rådström führt künftig Daimler Truck

Sie galt als aussichtsreichste Kandidatin, nun hat der Aufsichtsrat der Daimler Truck AG entschieden: Karin Rådström (45) soll den Dax-Konzern von 1. Oktober an führen. Sie wird damit Nachfolgerin von Martin Daum (64), dessen Vertrag bis Ende Februar gelaufen wäre und der als "Mister Daimler Truck" über viele Jahre das Unternehmen geprägt hatte.

Ihren ersten großen Auftritt wird die neue Chefin, die gleichzeitig die erste Frau an der Spitze eines Dax-Konzerns der Automobilindustrie ist, in wenigen Tagen bei der IAA Transportation in Hannover haben. "Sie hat bewiesen, dass sie die Transformation einer Marke erfolgreich vorantreiben und gleichzeitig ein herausforderndes externes Umfeld meistern kann", sagte Aufsichtsratschef Joe Kaeser zu der Entscheidung.

Etwas überraschend hatte Kaeser bereits bei der Hauptversammlung im Mai Martin Daum verabschiedet, obwohl noch keine Nachfolgeregelung gefunden war. Im Führungszirkel um den Vorstandschef war zunächst eine Vertragsverlängerung von Daum um zwei Jahre favorisiert worden, um den Wechsel gründlicher vorbereiten zu können.

Diese Lösung hatte beispielsweise auch Betriebsratschef Michael Brecht öffentlich unterstützt. Kaeser wollte mit der Besetzung durch eine Frau aber wohl ein Zeichen setzen und den Generationenwechsel schneller vorantreiben.

Zuvor hatte er bereits Eva Scherer (42) als Finanzchefin durchgeboxt, obwohl viele im Unternehmen in Stephan Unger von Financial Services den nahe liegenderen Kandidaten gesehen hatten. Daum würdigte er als "maßgeblichen Architekten für den wirtschaftlichen Erfolg und das internationale Ansehen von Daimler Truck".

Nachdem Technik-Vorstand Andreas Gorbach vor wenigen Wochen seine Kandidatur aus familiären Gründen zurückgezogen hatte, war der Weg für Rådström frei, die Entscheidung eigentlich nur noch Formsache.

"Als überzeugende Führungskraft hat Karin Rådström dazu beigetragen, eine neue Leistungskultur zu etablieren und Empowerment, Vielfalt und Kundenorientierung zu fördern", lobt Kaeser. Diese Merkmale seien für Daimler Truck Schlüsselelemente, um die Transformation der Mobilität erfolgreich zu meistern und die erste Wahl für die Kunden zu sein.

Während Rådström als Führungspersönlichkeit unumstritten ist, gibt es im Konzern hinter vorgehaltener Hand auch Kritik an der Vorgehensweise von Kaeser, der sich offenbar gerne ins operative Geschäft einmischt. 

Radström war im Februar 2021 vom schwedischen Nutzfahrzeughersteller Scania nach Stuttgart gekommen. Bei Scania hatte sie 2004 als Trainee begonnen, nachdem sie ihren Master of Engineering in Industrial Management an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm abgeschlossen hatte.

Seit 2007 bekleidete sie verschiedene leitende Positionen innerhalb der Vertriebs- und Serviceorganisation von Scania, darunter die Leitung des Busgeschäfts des Unternehmens sowie den Aufbau des Geschäfts mit digitalen und vernetzten Fahrzeugen. Ihr Wechsel nach Deutschland zu Daimler Truck war auch mit der Aussicht verbunden, den Posten des CEOs übernehmen zu können. 

Rådström war bei Daimler Truck zunächst für die Marke Mercedes und damit das europäische Lkw-Geschäft zuständig, das traditionell als schwierig gilt. Die ehemalige Leistungssportlerin hat der Organisation mehr Kundenorientierung eingeimpft und die Prozesse verschlankt.

Im Vergleich mit der Konkurrenz galt Mercedes als behäbig im Service und zu weit weg von den Bedürfnissen der Trucker. Auch die Profitabilität wurde verbessert. So lag die bereinigte Umsatzrendite im Jahr 2023 bei 10,2 Prozent.

Aber noch ist die Marke weit entfernt von den Margen und der Stabilität der amerikanischen Schwester Freightliner. Hinzu kommt, dass in Europa die Nutzfahrzeugmärkte wegen der schwachen Wirtschaftslage derzeit nicht in Gang kommen. Die Absatzzahlen von Mercedes sind im zweiten Quartal eingebrochen, sogar die Renditeziele für das Jahr 2024 wurden kassiert.

Nicht zuletzt schwächelt die gesamte europäische Autoindustrie, was auch Spediteure zu spüren bekommen und Neuanschaffungen lieber verschieben. Im Werk Wörth muss Daimler Truck ab September auf das Mittel der Kurzarbeit zurückgreifen. "Für uns ist wichtig, dass Daimler Truck mit ihr an der Spitze weiter ein erfolgreiches und zukunftsfähiges Unternehmen bleibt", mahnte Betriebsratschef Michael Brecht.

Karin Rådström tritt ihren Posten in unruhigen Zeiten an. Zudem muss sie die Transformation in den kommenden Jahren meistern und Daimler Truck in eine emissionsfreie Zukunft führen. Gelingen soll dies mit batterieelektrischen Lkw, von denen der Hersteller bereits eine breite Palette anbietet.

Als Ergänzung setzt Daimler Truck auf die Brennstoffzelle. Sie soll insbesondere ab dem Jahr 2030 auf langen Strecken als Alternative zur reinen Batterielösung dienen. In einem Joint Venture mit Volvo hat Daimler Truck bereits mit der Serienproduktion von Brennstoffzellen in einer eigenen Fabrik begonnen. Größere Stückzahlen werden aber erst in einigen Jahren erwartet.

Rådström soll zunächst Konzern und die Marke Mercedes mit dem Europageschäft in Personalunion führen. Wer sie auf ihrem bisherigen Posten beerbt, ist noch unklar. Eine aussichtsreiche Kandidatin könnte auch in diesem Fall eine Frau sein.

So gilt Franziska Cusumano, die Chefin der Sparte Special Trucks mit dem Unimog im Unternehmen als Führungstalent, das für höhere Aufgaben befähigt ist. Ob sie schon bereit ist für die Spitze von Mercedes oder eine längere Vorbereitungszeit sinnvoller ist, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen.