Volkswagen besiegelt Joint Venture mit Rivian - Cariad verliert an Bedeutung

Die Pläne einer Zusammenarbeit hat der Volkswagen-Konzern bereits im Juni bekanntgegeben, jetzt ist das Joint Venture mit Rivian offiziell besiegelt. "Heute ist ein guter Tag für Volkswagen, für Rivian – und für die gesamte Autoindustrie", sagte Volkswagen-Chef Oliver Blume bei einer eilends anberaumten Pressekonferenz. Das Gemeinschaftsunternehmen soll mit sofortiger Wirkung starten.

Die Investitionen belaufen sich zunächst auf 5,8 Milliarden Dollar. Im Juni war noch von fünf Milliarden Dollar ausgegangen worden. Auch von einem möglichen Kredit in Höhe von einer Milliarde Dollar war die Rede. Blume deutete auf Nachfrage an, dass es bei dieser Summe wohl nicht bleiben werde. Dies sei die Basis, bei der Umsetzung der Technologien sei mit weiteren Aufwendungen zu rechnen.

Das Joint-Venture wird von Wassym Bensaid (Rivian) und Carsten Helbing (Volkswagen) geleitet. Entwickler beider Unternehmen sollen zum Joint Venture stoßen. Die Teams werden zunächst in Palo Alto, Kalifornien, angesiedelt sein.

Drei weitere Standorte in Nordamerika und Europa sind in Planung. "Uns war wichtig, dass alle teamorientiert sind und an einem Strang ziehen, um die Produkte erfolgreich zu machen", so Rivian-Chef Robert "R.J." Scaringe.

Mit dem Joint Venture hofft Volkswagen auf eine nachhaltige Lösung der Software-Probleme im Konzern. "Durch unsere Zusammenarbeit werden wir die besten Lösungen schneller und zu geringeren Kosten in unsere Fahrzeuge bringen", verspricht Blume. Die Wettbewerbsfähigkeit werde gestärkt. Man handle im besten Interesse der Marken, um ikonische Produkte zu schaffen.

Zunächst sollte die Gründung der Tochter Cariad durch den ehemaligen Volkswagen-Chef Herbert Diess aus dem Konzern ein Tech-Powerhouse nach dem Vorbild der US-Unternehmen aus dem Silicon Valley machen. Doch der Plan scheiterte grandios. Zwar wurden Tausende von hochbezahlten Entwicklern an verschiedenen Standorten eingestellt. Doch es fehlte an klaren Strukturen und einer klaren Richtung, Ergebnisse ließen auf sich warten.

Stattdessen gab es Software-Pannen bei Fahrzeugeinführungen wie dem ID.3 oder jahrelange Verzögerungen wie beim elektrischen Porsche Macan, beim Audi Q6 und vielen VW-Modellen.

Statt der ursprünglich vorgesehenen E3 2.0-Software wurden abgespeckte Versionen auf Basis von Google Android Automotive eingesetzt, um wenigstens Stabilität zu gewährleisten. Letztlich kostete das Cariad-Desaster Herbert Diess im Jahr 2022 seinen Job.

Seither hat Blume alles dafür getan, um Volkswagen in Sachen Software konkurrenzfähig zu machen. Den Schlüssel dafür sieht er in Partnerschaften in den relevanten Regionen der Welt.

So nutzt der Konzern in China die Expertise des angeschlagenen Herstellers Xpeng, der eine funktionierende Software-Plattform und kurze Entwicklungszeiten hat, aber wenig Geld. Mit Xpeng soll die Kernmarke VW in China wieder zurück in die Erfolgsspur finden. Die ersten Fahrzeuge aus der Partnerschaft sind für 2026 geplant.

Nach ähnlichem Muster hat sich Blume bei Rivian eingekauft. Das Start-up hat eine hochgelobte Software-Plattform in seinen Autos. Allerdings steckt das Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten.

Erst vor wenigen Tagen hatte Rivian Zahlen für das dritte Quartal vorgelegt, der Verlust lag bei 1,1 Milliarden US-Dollar. Das Ergebnis wurde durch geringere Verkaufszahlen der Modelle R1T und R1S sowie der für Amazon gefertigten Lieferwagen RCV beeinflusst. Mit jedem verkauften Auto wurden in diesem Zeitraum fast 40.000 Dollar verbrannt. Da kommt das Geld von Volkswagen zur rechten Zeit.

Eine erste Investition in Höhe von einer Milliarde US-Dollar in Form einer Wandelanleihe ist bereits fix. Mit der Gründung des Joint Ventures sollen weitere rund 1,3 Milliarden US-Dollar für Lizenzen und eine 50-prozentige Beteiligung am Joint Venture fließen.

Die verbleibenden bis zu 3,5 Milliarden US-Dollar werden zu späteren Zeitpunkten eingebracht. Weitere Investitionen seien an "klar definierte operative, technische und finanzielle Meilensteine gebunden".

Die von Rivian entwickelte zonale Architektur mit nur noch wenigen Steuergeräten für die einzelnen Domänen wie etwa das Infotainment soll so schnell wie möglich in die Fahrzeuge des Konzerns kommen.

Zunächst werden einzelne Komponenten in Modellen von Volkswagen auf Basis des MEB eingesetzt, es folgen Audi, Scout oder Porsche. Start ist laut Blume im Jahr 2027. Danach soll eine komplett neue Software-Architektur entwickelt werden, die dann in möglichst vielen Fahrzeugen zum Einsatz kommen soll.

Porsche will die Software so schnell wie möglich haben. Hier gilt das Projekt K1 als möglicher erster Träger der Technologie. Das elektrische Luxus-SUV oberhalb des Cayenne wird in Leipzig gebaut und soll 2027 debütieren.

Vor allem aber soll die Rivian-Technologie die SSP-Plattform des Konzerns unterstützen, auf der alle bisherigen E-Plattformen zusammengeführt werden sollen und die autonomes Fahren bis Level 4 ermöglicht. Die geplanten Fahrzeuge, darunter Leuchtturmprojekte wie Trinity von VW, hatten sich durch die Probleme mit Cariad um mehrere Jahre verzögert.

Damit dürfte klar sein, dass Cariad in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Zwar hatte Blume mit Peter Bosch einen neuen CEO installiert, der für klarere Strukturen und ein höheres Tempo sorgen sollte. Doch mit den Partnerschaften in den USA und China wird Cariad mehr und mehr in neue Organisationen eingebunden.

Blume betonte in der Pressekonferenz aber, dass Cariad weiter eine wichtige Rolle spielen soll und Themen wie das autonome Fahren oder Daten-Organisation in der Cloud behalten werde. Allerdings dürfte die Größe der Organisation deutlich schrumpfen. Über das laufende Abfindungsprogramm soll die Zahl der Mitarbeitenden bereits um rund 1000 reduziert worden sein.