Warum fehlte Blume, warum im Schloss? Fünf Fragen zur ersten Tarifrunde bei VW

Viele Worte, wenig Erkenntnisse: Nach über drei Stunden Verhandlungen endete die erste Gesprächsrunde zwischen VW-Spitze und Arbeitnehmerseite in Hannover ohne konkrete Beschlüsse. Stattdessen zeigten Wortmeldungen der Beteiligten nach Ende der Verhandlungen, wie festgefahren die Situation bei Deutschlands wichtigstem Autobauer derzeit ist. Auch, wenn beide Seiten betonen, weiter miteinander sprechen zu wollen.

Worüber wurde gesprochen? Welche Herausforderungen gibt es? Weshalb wurde in einem Schloss verhandelt und wo war eigentlich Volkswagen-CEO Oliver Blume? Die Automobilwoche beantwortet die wichtigsten Fragen zur ersten Verhandlungsrunde.

Aus Sicht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften auf jeden Fall über weniger als erhofft. IG Metall und Betriebsrat hatten im Vorfeld der Verhandlungen die klare Erwartung formuliert, über die Pläne, welche deutschen Standorte gefährdet und welche Anzahl an Jobs in Gefahr seien, erstmals konkret eingeweiht zu werden. VW-Markenpersonalvorstand Arne Meiswinkel äußerte sich dazu in den Verhandlungen aber laut IG Metall nicht.

"Weder Werke noch Beschäftigtenzahlen wurden von Seiten Volkswagens benannt", sagte Niedersachsen IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. Weniger über Standorte, sondern viel mehr über die prekäre Lage bei der Kernmarke generell, wollte dagegen das Unternehmen sprechen. "Wir haben heute die Ausgangssituation ausführlich besprochen und unsere Forderungen begründet", fasste Personalvorstand Meiswinkel die Gespräche hinterher zusammen.

Insgesamt tagten beide Parteien über drei Stunden. Der geplante Verhandlungsbeginn um 11 Uhr verschob sich etwas nach hinten, weil die Kundgebung von VW-Beschäftigten und IG Metall zuvor länger gedauert hatte. Nach einer Sitzung der IG-Metall-Tarifkommission gegen 15 Uhr traten Thorsten Gröger und VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo um 16.30 Uhr vor die Presse.

Unverändert bei der Frage nach möglichen Werksschließungen in Deutschland. Für Daniela Cavallo und den VW-Betriebsrat ist dieser Plan der Konzernspitze ausgeschlossen. Auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) appellierte am Mittwoch in seiner Regierungserklärung an das Unternehmen, Alternativen zu prüfen.

Problem ist: Noch hüllen sich Markenchef Schäfer und sein CEO Oliver Blume in Schweigen, was die konkreten Pläne angeht. VW-Verhandlungsführer Meiswinkel lieferte am Mittwoch laut Arbeitnehmerseite keine weiteren Informationen. Ob sich das ändert, werden erst weitere Gesprächsrunden zeigen. 

So bewegen sich beide Seiten weiterhin im Unklaren, haben aber ihre Forderungen zementiert: VW fordert Sparbekenntnisse der Belegschaft bis hin zu einer Nullrunde beim Haustarifvertrag, sagt aber nicht, was andernfalls konkret auf dem Spiel steht.

Die Arbeitnehmerseite fordert sieben Prozent mehr Lohn, wäre aber unter Umständen zu Kompromissen bereit – für die fehlt es aber an Details, über denen man Kompromisse entwickeln könnte.

Der Tagungsort, das Schloss Herrenhausen in Hannover, wirkte für viele zunächst überraschend. Passt doch die mondäne Kulisse des von 2011 bis 2013 auch mit Mitteln der Volkswagen-Stiftung wiederaufgebauten Schlosses direkt an den Herrenhäuser Gärten nicht wirklich ins Bild der wirtschaftlich ernsten Lage im Konzern.

Der Hintergrund: Das ins Schloss integrierte Tagungszentrum konnte dem Vernehmen nach als einzig geeignete Location die Anforderungen einer großen Tarifverhandlung kurzfristig erfüllen, nachdem beide Seiten den Verhandlungsbeginn von Ende Oktober auf Mitte September vorgezogen hatten.

Auch andere Veranstaltungsorte waren zuvor geprüft worden. Management und Arbeitnehmerseite teilen sich die Kosten für das Event im Schloss. Aus Gewerkschaftskreisen heißt es, die Kosten würden sich im Rahmen anderer Tagungsorte früherer Tarifrunden bewegen.

Ranghöchster VW-Mitarbeiter bei den Gesprächen war VW-Markenpersonalvorstand Arne Meiswinkel. CEO Oliver Blume und Markenchef Thomas Schäfer nahmen nicht an den Verhandlungen teil. Dies überraschte manchen Beobachter, der vor dem Hintergrund der Krise eine Präsenz der beiden Top-Manager erwartet hatte.

Fakt ist: Für die Konzernspitze diente der Termin am Mittwoch primär der Verhandlung um einen neuen Haustarifvertrag. Das Mandat dafür liegt bei Personalvorstand Meiswinkel, der seit 2022 im Amt ist und als Tarifverhandlungsführer benannt wurde. Es gab also für Blume und Schäfer keine Pflicht, in Hannover zu erscheinen.

Die Delegationen waren ohnehin ungleich verteilt: Auf Seiten der IG Metall und des Betriebsrats nahmen rund 40 Personen an der ersten Verhandlung teil, auf VW-Seite waren es etwa 20 Personen. Ob Blume und Schäfer an zukünftigen Gesprächen teilnehmen, ist offen. Die Kritik der Beschäftigten bei der Kundgebung vor den Toren des Schlosses richtete sich jedenfalls in erster Linie an die beiden "Gesichter" des Sparprogramms.

Der Gesprächsfaden ist trotz der ergebnislosen ersten Runde in Hannover nicht abgerissen, sondern soll zeitnah wieder aufgenommen werden. Als Deadline für die Verhandlungen mit VW hatte die IG Metall bereits für sich das Weihnachtsfest definiert.

Ministerpräsident Stephan Weil fasste den Zeitrahmen sogar noch enger: "Ich hoffe sehr, dass alle Beteiligten zumindest bis Ende November Klarheit haben werden. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten völlig zu Recht, dass sie so schnell wie möglich Gewissheit über ihre Perspektiven erhalten", sagte der SPD-Politiker in seiner Regierungserklärung am Mittwoch.

Ein neues Datum für die nächste Gesprächsrunde stand am Donnerstag noch nicht fest. Redebedarf haben beide Seiten auch nach dem Verhandlungsstart und drei Stunden Dialog jedenfalls noch reichlich.