VW und die Vorläufer des ID.1: Missverständnisse und Misserfolg

Ob es die richtige Entscheidung war, das Einstiegsmodell ID.1 allein zu bauen, lässt sich erst in ein paar Jahren sagen. Für eine Partnerschaft mit Renault hätte aus VW Sicht einiges gesprochen. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Franzosen wissen, wie man eine Billigmarke zum Erfolg führt.

Der damalige Renault-Chef Louis Schweitzer wollte seinerzeit mit Dacia ein 5000-Euro-Auto für Schwellenländer bauen. Mittlerweile ist die Marke in Europa fest etabliert. Dacia führte 2004 den Logan ein. Bereits ein Jahr später kam er nach Deutschland und in andere westeuropäische Länder, wo er zum Erfolg wurde.

Eine vergleichbare Erfolgsgeschichte in dem Preissegment kann VW nicht vorweisen – im Gegenteil.

Der erste Versuch der Wolfsburger war das Modell Fox, das 2005 auf den Markt kam. Der Fox wurde in Brasilien gebaut und produziert und von dort aus unter anderem nach Deutschland exportiert, was einen Basispreis von weniger als 9000 Euro ermöglichte.

Damit war er zwar nicht das günstigste Auto in Deutschland, aber mit Abstand der günstigste VW. Hinter vorgehaltener Hand gaben Unternehmensvertreter allerdings zu, dass der Autobauer mit jedem verkauften Auto Verlust machte, weil Wechselkurseffekte und Transportkosten einen Großteil der Einsparungen bei den Lohnkosten verschlangen.

Für den günstigen Preis gab es nur eine sehr magere Serienausstattung. Sogar die Servolenkung kostete extra, ebenso wie Zentralverriegelung und Seitenairbags. Das Auto wurde bis zum Ende der Produktion im Jahr 2011 zwar allein in Deutschland mehr als 140.000-mal verkauft, die schlechte Qualität und die Verwendung günstiger Materialien vor allem im Innenraum sorgten aber für viel Kritik.

Um Skaleneffekte zu nutzen, suchte VW für den nächsten Anlauf Unterstützung. Suzuki, die durch ihren Partner Maruti in Indien stark vertreten sind, schien dafür die ideale Wahl: Die Japaner verfügten über reichlich Erfahrung im Bau günstiger Kleinwagen.

Gemeinsam plante man den Bau eines Billigautos. Suzuki sollte im Gegenzug Zugriff auf VW-Technik bekommen, vor allem bei Antrieben. Im Jahr 2009 startete die Partnerschaft mit großen Hoffnungen beider Seiten.

Laut „Economic Times“ war ein Billigauto geplant, das in Indien umgerechnet zwischen 2900 und 3600 Euro kosten sollte. Damit wäre es in etwa doppelt so teuer gewesen wie der Tata Nano. Das billigste Auto der Welt kostete in Indien zunächst 100.000 Rupien (plus Steuern), etwa 1500 Euro.

Es zeigte, was möglich war. In doppelter Hinsicht: Ohne viele gesetzliche Vorgaben und unter Verzicht auf Komfort können Autos extrem günstig produziert werden. Doch das kommt beim Kunden nicht an. Der Nano war ein großer Flop für Tata. 

VW und Suzuki schafften es nicht, ihr Billigauto gemeinsam zu entwickeln. Die Partnerschaft scheiterte nach kurzer Zeit. Das Projekt wurde aufgegeben und beide Hersteller versanken in einem jahrelangen Rechtsstreit über die Unternehmensanteile.

Den nächsten Anlauf unternahm Volkswagen allein. Dafür kam 2010 Hans Demant von Opel. Er sollte das Projekt vorantreiben. Als Preis für das Einstiegsmodell rief VW 7000 Euro auf. Doch die Entwicklung dauerte und dauerte.

 "Wir sind mit dem neuen Auto sehr gut unterwegs und rechnen für die kommenden Wochen mit der finalen Freigabe", sagte Projektleiter Hans Demant im Jahr 2014 der Automobilwoche. Bei der Bilanzvorlage 2014 sagte Demants damaliger Chef,  VW-CEO Chef Martin Winterkorn, man sei „kurz vor Zieleinlauf“. Ende 2016 sollte das Auto auf den Markt kommen.

Am Ende wurde es nichts. Stattdessen ging Hans Demant nach sechs Jahren bei Volkswagen in den Ruhestand ohne sich mit einem preiswerten Modell verewigt zu haben.

Ab 2015 sollte das Projekt mit Great Wall Motor aus China vorangetrieben werden. "Wir bringen ab 2018 eine Budget-Car-Familie auf den Markt, mit SUV, Stufen- und Schrägheck", Versprach Konzernchef Winterkorn in der "Bild am Sonntag" an. Die Fahrzeuge sollten in China gebaut werden und zwischen 8000 und 11.000 Euro kosten. Doch auch daraus wurde nichts.

Ein weiterer Hersteller kam darauf hin ins Spiel: Tata Motors, das mit dem Nano viele Erfahrungen gesammelt hatte  – positive und negative. Doch schon 2017 war Schluss. „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass der strategische Nutzen für beide Parteien unter der nötigen Schwelle liegt“, sagte der deutsche Tata-Motors-Chef Günter Butschek.

Obwohl VW es nun alleine wagt: Experten wie Peter Fintl von der Unternehmensberatung Capgemini halten Kooperationen für unverzichtbar. Bei günstigen Autos ist die Marge generell geringer als bei teureren Fahrzeugen. Dies gilt umso mehr für Elektroautos, mit denen die Hersteller ohnehin selten Geld verdienen. 

Zu Details ist bislang wenig bekannt. Eine Produktion des ID.1 in Deutschland scheint nahezu ausgeschlossen. Wird das Auto ein Erfolg, könnte VW eine Premiere feiern: endlich ein preiswertes Auto erfolgreich auf den Markt gebracht zu haben.