Exklusiv: So ausgelastet sind die 108 Autowerke in Deutschland und Europa

Europas Autohersteller kämpfen mit Überkapazitäten. Nach der Pandemie-Delle, ab 2022, erholen sich die Produktionsvolumina zwar wieder. Allerdings reicht dies in vielen Fällen nicht für eine Auslastung der Werke, wie eine exklusive Daten-Auswertung für die Automobilwoche zeigt.

Das französische Daten- und Analyseunternehmen Inovev hat 108 Automobilwerke in Europa im Zeitraum von 2019 bis 2024 untersucht. Die Auswertung hat Inovev der Automobilwoche zur Verfügung gestellt. Unberücksichtigt sind dabei lediglich einige kleinere Werke von Herstellern wie Ferrari. 

Danach lagen im vergangenen Jahr 69 Standorte – rund zwei Drittel aller Werke –  unter einer Auslastungsrate von 80 Prozent. Diese gilt in der Branche  als unterste Schwelle für einen profitablen Betrieb.

Bei der Analyse der Produktions- und Kapazitätsdaten auf Werksebene zeichnen sich mehrere Trends ab: Die größten Gewinner der Erholung nach der Pandemie sind Niedriglohn-Standorte wie Marokko und die Türkei. Auf der Verliererseite stehen dagegen Standorte in Frankreich, Italien und auch in Deutschland.

Während einige Werke seit 2019 ihre Auslastung um einige Prozentpunkte steigern konnten, stürzte die Auslastung in deutlich mehr Werken regelrecht ab. Die 69 Standorte mit einer Auslastung von weniger als 80 Prozent dürften die Autobauer viel Geld kosten.

In Deutschland stehen laut den Inovev-Daten am stärksten unter Druck  Ford in Köln, Volkswagen in Emden und Audi in Neckarsulm. Aber auch das Tesla-Werk in Grünheide ist bei weitem nicht ausgelastet. 

In vier Fällen (Nissan Spanien, Honda UK und Türkei), wurden Werke seit 2019 ganz geschlossen. In drei weiteren Fällen ist die Schließung besiegelt und steht kurz bevor (Audi Belgien, Stellantis UK, Ford Saarlouis).

Bei einigen Werken sind die Aussichten für eine Fortführung ungewiss oder sie haben ihre Funktion als kompletter Fertigungsstandort verloren (Fiat Mirafiori, Renault Flins, Jaguar Landrover Castle Bromwich).

Inovevs stellvertretender CEO Jamel Taganza sieht die Produktionswelt der Autobranche in einer Phase der Neuorientierung: "Es gab seit 2010 mehrere Wellen der Verlagerung an günstigere Standorte. Nun geht der Trend wieder zu mehr lokaler Fertigung.“

Die Hersteller wollten beim Hochlauf der E-Mobilität eine Lernkurve möglichst in heimischen Regionen absolvieren. "Wenn diese Optimierung geschafft ist, erwarten wir  aber wieder eine stärkere Delokalisierung.“

Im Gespräch mit der Automobilwoche erläutert Taganza, wie die Zahlen von Inovev zu Stande kommen. Das Unternehmen verfügt demnach über Produktionsdaten auf Werksebene seit 1985. Diese werden aus den Verkaufszahlen anhand langjähriger Erfahrungswerte abgeleitet.

„Es gibt eine Fehlerquote, sie ist aber nicht bedeutend,“ versichert er. Eine größere Abweichung könne es bei den Kapazitätsangaben und somit auch bei den Auslastungsquoten geben, räumt er ein. „Diese würden aber stetig angepasst.