Überall Agenten

Es klingt wie eine Anleihe aus dem Kalten Krieg: Ganz Deutschland ist durchzogen von Agentennetzwerken, die sich bis in die entlegensten Winkel erstrecken. Permanent ringen sie um die Oberhand, ohne dass sich eine Seite durchsetzen kann.

Tatsächlich dürfte das Szenario schon bald eintreten, allerdings nicht mit CIA, KGB und BND in den Hauptrollen, sondern mit BMW, Audi und Mercedes. Diese sind dabei, ihren Vertrieb auf das Agenturmodell umzustellen und Händler damit zu Agenten zu machen.

Diese verkaufen Autos dann nicht mehr wie bisher auf eigene Rechnung. Stattdessen vermitteln sie im Auftrag der Hersteller. Vorreiter ist Mercedes. Die Stuttgarter wollen hierzulande im Mai in das echte Agentenmodell wechseln. In Österreich, Schweden und Südafrika ist der Schritt bereits vollzogen. Ab 2024 folgt auch BMW in die echte Agentur, zunächst mit Mini und ab 2026 mit der Kernmarke.

Einen anderen Weg geht Audi. Die Ingolstädter planen eine unechte Agentur, und die auch nur für E-Modelle. Losgehen soll es in Frankreich, Schweden und Großbritannien noch in diesem Jahr. Dass auch Deutschland 2023 startet, darf bezweifelt werden: Die Verhandlungen mit Händlervertretern gestalten sich zäh. Weil im Agenturvertrieb alle Fäden beim Hersteller zusammenlaufen und dieser zumindest bei der echten Agentur volle Preishoheit hat (siehe Kasten), versprechen sich die OEMs ein besseres Kundenerlebnis. Kunden sollen etwa beliebig zwischen digitalen und physischen Kanälen hin und her wechseln können. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Entgegen allen Beteuerungen mindestens ebenso wichtig: den Vertrieb effizienter und kostengünstiger machen. Unumstritten ist das nicht. Viele Händler befürchten Sparprogramme auf ihre Kosten. "Es ist nicht akzeptabel, wenn Hersteller sich das Beste aus zwei Welten herauspicken, indem sie die Preise bestimmen und Zugriff auf unsere Kundendaten haben wollen, gleichzeitig aber sehr zurückhaltend sind, wenn es um Investitionen und die Übernahme von Kosten und Risiken geht", sagt ZDK-Vize Thomas Peckruhn. Das sehen unabhängige Experten ähnlich: "Ziel muss sein, das Ertragsniveau beider Seiten mindestens zu halten", sagt Julien Bert, Managing Director und Partner bei der Boston Consulting Group (BCG).

Besonders bei Audi sind in diesem Punkt die Fronten verhärtet - auch wenn Europa-Vertriebschef Jens Puttfarcken im Interview jüngst mantraartig von "konstruktiven Gesprächen" sprach. "Wie immer zwischen Kaufleuten streiten wir uns um die Erträge", sagt dagegen Händlerverbandschef Dirk Weddigen von Knapp. Audi will offenbar wie bei VW eine Agenturprovision von sechs Prozent. Das erachten Händler als zu wenig. Denn bei VW sind Kosteneinsparungen, die im Gegenzug für die reduzierte Vergütung versprochen wurden, kaum eingetreten. Das - so die Einstellung - soll nicht noch einmal passieren.

Michael Ziegler, Präsident des baden-württembergischen Kfz-Gewerbes, sieht in der unechten Agentur die Gefahr, dass "eine Art Vertragshändlersystem auf niedrigerem Vergütungsniveau" entsteht und Betriebe "in die Rolle eines schlecht bezahlten Erfüllungsgehilfen" gedrängt würden. Ziegler, der als Mitglied der Geschäftsleitung der Frey-Gruppe alle drei Marken kennt, hat einen Favoriten: "Nur die echte Agentur bietet dem Handel einen rechtssicheren Rahmen für die faire Umsetzung eines Agenturmodells." Tatsächlich ist hier, anders als in der unechten Agentur, klar geregelt, dass der Hersteller sämtliche Risiken der Händler zu übernehmen hat. Dementsprechend lässt sich die Provision - Mercedes zahlt maximal 6,5 Prozent pro Pkw, BMW 7,4 - kaum mit der in unechten Agenturmodellen vergleichen. Zudem gibt es nur in der echten Agentur ein Ende der Rabattschlachten. "Wir haben künftig keine Möglichkeit mehr, einen sogenannten Margeneingriff vorzunehmen, um Geschäfte zu realisieren. Darin liegt aus meiner Sicht der große Vorteil", sagte Franco Barletta, Geschäftsführer der Sternpartner-Gruppe, im vergangenen Jahr.

Das bringt auch Probleme: Händler können nicht mehr auf lokale Gegebenheiten reagieren und Preise anpassen. Dass Hersteller den richtigen Preis finden, glauben nur wenige: In einer Studie von BCG äußerten zwei Drittel der Händler Zweifel. "Hersteller müssen Fähigkeiten und Wissen rund um die Aufgaben, die bisher der Handel hatte, aufbauen, zum Beispiel beim Thema Pricing", sagt Bert.

Das ist nicht die einzige Herausforderung. Mercedes etwa scheint die Komplexität der benötigten Systemlandschaft unterschätzt zu haben. In Österreich lief der Start mehr als holprig. Vor allem bei der IT hakte es.

Das wiederhole sich nun, berichten deutsche Händler. Der Start wurde bereits von Anfang auf Ende Mai verschoben. Zudem holte Mercedes jüngst Österreich-Chef Carsten Dippelt als Feuerwehrmann nach Deutschland. Bei BMW, wo all das noch bevorsteht, herrscht wie zuvor bei Mercedes Optimismus. "Bei uns wird das funktionieren", sagte Vertriebsvorstand Pieter Nota im Dezember. Ein Trost für Händler: Sobald der Wechsel in die Agentur vollzogen ist, sind laut BCG viele nicht mehr so ganz unzufrieden.