Europas Handelsriesen weiter auf Expansionskurs

Europas Autohandelsriesen stemmen sich gegen den Branchentrend. Obwohl die Neuwagen-Verkaufszahlen 2022 europaweit um 5,9 Prozent nachgaben, gelang den 50 größten europäischen Autohausgruppen ein Verkaufsplus von 3,6 Prozent auf rund zwei Millionen Neuwagen. Der Marktanteil der Branchenriesen kletterte dadurch von 13,8 auf nunmehr 15,2 Prozent.

Mit den Verkaufszahlen und durch das hohe Preisniveau infolge der Lieferkrise legten auch die Umsätze deutlich zu – um 10,3 Prozent auf durchschnittlich 2,9 Milliarden Euro. Zu den steigenden Verkaufszahlen und Umsätzen trug auch das Standortnetz bei, das von durchschnittlich 126 auf 144 wuchs.

Zu diesem Ergebnis kommen die Marktexperten von ICDP in ihrem aktuellen Ranking der 50 größten Autohausgruppen Europas, das ICDP gemeinsam mit Automotive News Europe, einer Schwesterzeitung der Automobilwoche, jährlich erstellt.

Ursprünglich hatte ICDP erwartet, dass die Marke von 15 Prozent Marktanteil erst 2025 fallen würde. Damit sehe man sich in der Prognose bestätigt, dass der Marktanteil bis 2030 auf "20 Prozent oder mehr" steigen werde, sagte ICDP-Chef Steve Young anlässlich der Präsentation des Rankings.

Die Zahl der Marken pro Gruppe stieg von durchschnittlich 16 auf 18. Das sei eine Folge des Markteintritts zahlreicher chinesischer Hersteller sowie den Plänen von Stellantis, alle Marken bei den jeweiligen Handelspartnern zu platzieren.

Mit Abstand die größte Autohausgruppe ist erneut die Schweizer Emil-Frey-Gruppe. Insgesamt standen 2022 bei ihr knapp 600.000 verkaufte Autos zu Buche, davon 156.000 als Importeur sowie 240.000 Neuwagen und 201.000 Gebrauchte im Endkundengeschäft.

Die Zweit- und Drittplatzierten Penske und Arnold Clarke kamen auf "nur" 9,2 und 5,7 Milliarden Euro Umsatz beziehungsweise 218.000 und 249.000 verkaufte Fahrzeuge. Größter deutscher Händler ist wie gewohnt die AVAG-Gruppe, die mit 2,4 Milliarden Euro Umsatz und rund 106.000 Autos auf Platz 20 kam.

Wichtigster Aufsteiger in diesem Jahr ist die schwedische Hedin-Gruppe, die von Platz 14 auf Rang 5 sprang. Maßgeblich dafür waren der Einstieg ins Importeursgeschäft mit Marken wie BYD sowie zahlreiche Übernahmen, etwa in Großbritannien und den Benelux-Ländern.

Die sind kein Einzelfall. Die Konsolidierung sei zu einem guten Teil durch Übernahmen getrieben gewesen, hieß es von ICDP. Die Mitglieder der Top-50-Gruppe zeichneten in den letzten Jahren insgesamt für ein Drittel der verzeichneten Übernahmen und die Hälfte der übertragenen Standorte verantwortlich. Vor allem die ganz Großen sind aktiv: "Wie schon im letzten Jahr geben die zehn größten Gruppen weiterhin das Tempo beim Wachstum vor", so Young.

Dabei schnellt gerade auch die Zahl grenzüberschreitender Transaktionen nach oben. Insgesamt zählten die ICDP-Forscher 825 Besitzwechsel von Standorten, davon 161 grenzüberschreitend. Dieser Trend setzt sich im laufenden Jahr fort: 2023 zählt ICDP bereits 1312 Besitzwechsel mit 522 länderübergreifenden Transaktionen – vor allem in Großbritannien, wo sich US-Händler breitmachen.

Aber auch in Deutschland fanden zuletzt etliche Gruppen neue Eigentümer aus dem Ausland. Im Mai etwa schlüpfte der deutsche Top-100-Händler Torpedo-Gruppe unter das Dach der Hedin-Gruppe, die Pfohe-Gruppe ging an Van Mossel und die May & Olde-Gruppe fand mit Nic. Christiansen in Dänemark einen neuen Eigentümer. Dort bereut man den Schritt nicht. "Der Einstieg von Nic Christiansen war der richtige Weg", sagt Geschäftsführer Christian Rönsch. May & Olde sei nun der Brückenkopf für weiteres Wachstum. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass sich internationale Gruppen bei deutschen Autohäusern einkaufen. Der Markt spielt nicht mehr nur in Deutschland", betont Rönsch.

Deutsche Händler tun sich damit schwer. Diese würden dazu tendieren, sich regional und häufig mit Markenschwerpunkt zu konsolidieren. Das sei im Hinblick auf das Wachstum ein "begrenzender Faktor", warnen die ICDP-Forscher. Tatsächlich verloren die neun deutschen Händler im Ranking meist an Boden. Die AVAG-Gruppe etwa rutschte von Platz 16 auf 20, Gottfried Schultz von 22 auf 24 oder die Senger-Gruppe von 31 auf 33. Die LSH-Gruppe (Stern Auto) fiel ganz aus dem Ranking. Verbessern konnten sich lediglich die Feser-Graf-Gruppe von 28 auf 23, die Scherer Gruppe von 50 auf 48 sowie die neu gebildete Avemo-Gruppe, die auf Platz 45 einstieg.

Aus dem Datencenter:

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