"Grünes Kapital" ist komplex, aber es lohnt sich

Der aktuelle Zinsanstieg und hohe operative Kosten, beispielsweise für Energie, sorgen dafür, dass Automobilzulieferer für dringend benötigtes Fremdkapital mit hohen Zinskosten rechnen müssen. Eine Lösung kann für die Unternehmen ein gutes Nachhaltigkeits- beziehungsweise ESG-Management (Environment, Social, Governance) sein, heißt es in einer Analyse von Strategy&, der Strategieberatung von PwC. Die der Automobilwoche vorab vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Finanzierung von Automobilzulieferern durch "grünes Kapital".

Ein wichtiges Element bei vielen ESG-Finanzierungsoptionen ist eine transparente und durchgängige Erfassung von entsprechenden Leistungskennzahlen (KPIs). "Bei den Fahrzeugherstellern ist das schon weiter gereift als bei vielen Zulieferern und findet beispielsweise auch in ihren Nachhaltigkeitsberichten Anwendung", erklärt Sebastian Jursch, Director bei Strategy& Deutschland, im Gespräch mit der Automobilwoche.

Nach Studienangaben ging die Marktkapitalisierung der globalen Automobilzulieferer seit dem Jahr 2017 um rund 25 Prozent zurück; gleichzeitig verdoppelte sich die Nettoverschuldung. Gründe dafür sind erhebliche Investitionen in Themen wie den anhaltenden Wandel hin zur E-Mobilität, Digitalisierung und Software. Als Folge dessen würden die meisten Lieferanten im kurzfristigen "Task Force"-Modus agieren, um die operative Leistung zu sichern.

Ein Engagement der Zulieferer könnte sich jedenfalls lohnen. Laut Studie würden ESG-Top-Performer knapp 0,6 bis 0,9 Prozentpunkte weniger Zinskosten zahlen als andere Unternehmen. Bei einer durchschnittlichen Verschuldung von rund 4,3 Milliarden Euro entspreche das jährlichen Einsparungen von 28 bis 42 Millionen Euro.

Zudem würden vor allem europäische Kreditgeber ihr Portfolio zunehmend für nachhaltige Investitionen erweitern. Das eröffne den Unternehmen ein breiter werdendes Finanzierungsportfolio. Dennoch nutzt laut Analyse nur etwa eins von zehn Unternehmen die ESG-Finanzierungsoptionen.

"Man muss bei den Automobilzulieferern allerdings unterscheiden", erklärt Co-Autor Jursch. Insbesondere größere, kapitalmarktorientierte Unternehmen, die über die EU-Regulierung künftig auch verpflichtet werden, Nachhaltigkeitsthemen zu berichten, seien häufig im Vergleich mit kleineren Zulieferern schon weiter. "Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Thema noch relativ neu ist."

Einige Zulieferer seien vielleicht auch deshalb zurückhaltend bei den ESG-Instrumenten, "weil die Komplexität solcher Finanzprodukte und die erforderlichen Daten für die Unternehmen manchmal schwierig zu managen sind. Da wird erst langsam damit begonnen, eine ESG-Strategie zu definieren", ergänzt Jursch. Bedingt durch Energie- und Chipkrise hätten viele Zulieferer Probleme, Ressourcen freizusetzen, um Themen wie die ESG-Finanzierung strategisch anzugehen.

Um dem Thema Nachhaltigkeit in den Unternehmen Nachdruck zu verleihen, sei es wichtig, "dass das Top-Management die Nachhaltigkeitsthemen unterstützt. Es müssen dezidierte Prozesse, Organisationseinheiten beziehungsweise Verantwortlichkeiten und Ressourcen für die Themen geschaffen werden."

Aus dem Datencenter:

Umfrage zur Entwicklung der deutschen Autoindustrie beim Thema Nachhaltigkeit