VW-Chef Oliver Blume ist ein Freund der versöhnlichen Töne. Beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz fand er dann auch viel Lob für den SPD-Politiker. „Wir wissen, dass Sie sich für die Senkung des Industriestrompreises einsetzen. Unsere Unterstützung haben Sie“, sagte er in seiner Rede auf der Betriebsversammlung, auf der auch Scholz sprach. In einem Punkt forderte er aber mehr Unterstützung durch die Bundesregierung ein: bei der Abgasnorm Euro 7. Die Automobilwoche veröffentlicht den Text seines Redemanuskripts im Wortlaut.
Blume fordert von Scholz Unterstützung im Kampf gegen Euro 7
VW-Chef Oliver Blume hat den Besuch von Kanzler Olaf Scholz in Wolfsburg genutzt, um Unterstützung im Kampf gegen Euro 7 zu fordern. "Hier setzen wir auf die Unterstützung der Bundesregierung", sagte Blume in seiner Rede auf der Betriebsversammlung, bei der Scholz zu Gast war. Die Rede im Wortlaut.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Herr Scholz,
Herzlich willkommen in Wolfsburg, herzlich willkommen in unserem Stammwerk. Vielen Dank, dass Sie der Einladung gefolgt sind.
Hier in Wolfsburg schlägt das Herz unseres Konzerns. Hier arbeiten tausende Menschen in dritter, vierter und fünfter Generation an faszinierenden Fahrzeugen. Von hier aus haben Käfer und Golf die individuelle Mobilität für Generationen auf der ganzen Welt ermöglicht.
Es ist eine Erfolgsgeschichte, die wir weiterschreiben: Die Transformation hin zu elektrischer und digitaler Mobilität ist in vollem Gang.
Ich bin mir sicher: Wir werden sie erfolgreich bewältigen. Mit diesem Team. Mit Werten, die uns über Jahrzehnte erfolgreich gemacht haben. Mit Geschwindigkeit und Fokus auf unseren großen Herausforderungen.
Es geht um die finanzielle Robustheit des Konzerns und um attraktive Produkte, um Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung. Um eigene Batteriefertigungen, elektrisches Laden und Energie. Um den Ausbau des automatisierten Fahrens. Und um die Stärkung unserer Positionen in den Wachstumsregionen der Welt, allen voran China und den USA.
Diese Prioritäten zeigen: Unsere Industrie wird sich in den nächsten fünf Jahren mehr ändern als in den 50 Jahren zuvor.
Lieber Herr Scholz,
über viele dieser Themen haben wir in den vergangenen Monaten intensiv gesprochen.
Wir waren im November gemeinsam in China. Wir haben uns im Dezember im Kreis mit anderen DAX-Vorständen ausgetauscht – und im Januar auf dem Mobilitätsgipfel in Berlin diskutiert.
Wir schätzen es sehr, dass Sie und die jetzige Bundesregierung nicht nur zuhören, sondern aktiv den konstruktiven Dialog suchen.
Denn die großen Themen unserer Zeit können wir nur gemeinsam bewältigen.
Es geht um ein wettbewerbsfähiges Europa. Und um Rahmenbedingungen, die Investitionen in den Umbau der Wirtschaft fördern. So schaffen wir zukunftssichere Arbeitsplätze und sichern den Wohlstand in Deutschland und Europa.
Wir bei Volkswagen sehen uns als Teil dieser Lösung. Wir investieren Milliarden in eine nachhaltige, digitale Zukunft.
Vor allem sehe ich es als Aufgabe des Konzerns, künftigen Generationen eine bessere Welt zu hinterlassen. Nachhaltigkeit ist bei uns fest verankert in unserer Strategie und Unternehmensführung.
Gerade in größten humanitären Krisen zeigt sich die soziale Kraft der Volkswagen-Familie. Angesichts der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien haben der Konzern und seine Marken bereits drei Millionen Euro Soforthilfe gespendet. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben wir mehr als 15 Millionen Euro gespendet – über zwei Millionen Euro davon kommen direkt von unseren Beschäftigten. Vielen Dank an alle, die sich beteiligt haben.
Im Konzern denken wir Nachhaltigkeit gesamtheitlich: Es geht um unsere soziale Verantwortung. Um die Umwelt und den Klimaschutz. Die Transformation der Belegschaft. Und die Art und Weise, wie wir unser Unternehmen führen.
Der größten Hebel für die Dekarbonisierung ist die Elektro-Mobilität. Mobilität wird elektrisch, bei Autos, Bussen und Lastwagen. Auch das Werk hier in Wolfsburg wird ab diesem Jahr elektrifiziert. Weltweit sollen dieses Jahr elf Prozent unserer Auslieferungen elektrisch sein.
Wir bauen neue Batteriefabriken in Europa. Sie sollen zu 100 Prozent mit Grünstrom betrieben und auf einem geschlossenen Wertstoffkreislauf ausgelegt sein. Für die externe Stromversorgung der Produktion in Europa beziehen wir bereits heute 100 Prozent Grüstrom. Und wir errichten 10.000 Schnellladepunkte in Europa bis 2025.
Innovative Technologien gerade aus Deutschland werden die neue, nachhaltige Mobilitätswelt im Konzern gestalten – und das weltweit.
Unsere neue Produktionsplattform für alle Konzernmarken entwickeln wir in Wolfsburg, Ingolstadt und Stuttgart. Unsere Einheitszelle für bis zu 80 Prozent unserer Fahrzeuge entsteht in Salzgitter. Unsere neue Software-Plattform für alle Fahrzeuge programmieren wir hier in Wolfsburg, Bayern und Berlin.
Sie waren Gast bei der Grundsteinlegung unserer Batteriefabrik in Salzgitter. Dort haben Sie gesehen: Die Ausrichtung auf E-Mobilität und Software wird die Arbeit bei Volkswagen verändern. Wir schaffen neue Arbeitsfelder, qualifizieren unsere Teams dafür und schaffen so zukunftssichere Beschäftigung.
Wie wichtig die richtigen Rahmenbedingungen für Innovationen sind, habe ich vor zwei Wochen bei einer Reise nach China gesehen. Das Land ist Technologietreiber für die weltweite Automobilbranche. Deshalb werden wir weiter in China in E-Mobilität und Software investieren. Das sichert auch Beschäftigung in Deutschland.
Gleichzeitig stellen wir uns global breiter auf. Zum Beispiel in Nordamerika, wo die Produktion des ID.4 angelaufen ist.
Lieber Herr Scholz,
auch Sie machen sich stark für internationale Kooperationen. Diese Unterstützung ist wichtig. Unser Geschäft in über 150 Ländern basiert auf offenen Märkten und fairem Handel.
Bei meinem Austausch in China habe ich einen Eindruck davon bekommen, wo wir in Deutschland und Europa noch besser werden können. Mit einem engen Schulterschluss zwischen Politik und Wirtschaft können wir aufholen - und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sichern.
Unsere Wettbewerbsfähigkeit hängt auch ab von einem guten Preis für Industriestrom, zum Beispiel für die Produktion von Batteriezellen.
Nur als Beispiel: Ein Cent pro Kilowattstunde mehr würde in unseren Batteriefabriken einen Unterschied von 100 Millionen Euro pro Jahr ergeben.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir wissen, dass Sie sich für die Senkung des Industriestrompreises einsetzen. Unsere Unterstützung haben Sie.
Unsere Industrie investiert aktuell massiv in die Elektrisierung. Parallel kommt ein neuer Vorschlag der EU-Kommission für die alte Verbrennerwelt. Ich spreche von der neuen Abgas-Norm Euro 7.
Dieser Vorschlag ist zeitlich nicht zu verwirklichen. Mit Blick auf den Klimaschutz muss man auch die Frage stellen, warum noch hohe Summen in den Verbrenner investiert werden sollen, obwohl die Technologie ausläuft. Auch hier setzen wir auf die Unterstützung der Bundesregierung.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Sie haben heute in Wolfsburg die Golf-Produktion besucht. Der Golf ist eine Ikone – eine ganze Generation wurde nach ihm benannt.
Unsere ikonischen Produkte begeistern die Menschen seit Jahrzehnten. Der Erfolg des ID.Buzz zeigt, dass die Kombination von Tradition und modernster Technologie extrem gut bei unseren Kundinnen und Kunden ankommt.
Deshalb wollen wir auch Fahrzeuge wie den Golf und den Tiguan ins elektrische Zeitalter überführen.
Wir gestalten die Transformation aktiv - gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen und mit der Unterstützung durch Sie und die Bundesregierung. Dafür bedanken wir uns.
Wir freuen uns über Ihren Besuch und den weiteren gemeinsamen Austausch heute und in Zukunft.
Vielen Dank.