Herr Harnack, welche Vorteile bietet Siliziumkarbid im Vergleich zu Standardsilizium?
Die Schaltverluste lassen sich um 70 Prozent reduzieren, SiC bietet eine drei Mal so hohe Temperaturbeständigkeit, ist um den Faktor zehn robuster und die Baugröße der Chips verringert sich wesentlich.
Finden alle Schritte zur SiC-Chip-Produktion bei Rohm statt?
Ja. Wir sind einer der wenigen Halbleiterhersteller, die die gesamte Lieferkette inhouse haben. Die Siliziumkarbid-Kristallzüchtung und die sich daran anschließende Wafer-Herstellung aus besagten Kristallen findet in Nürnberg bei unserem Tochterunternehmen SiCrystal statt. Die Wafer schicken wir anschließend nach Japan, wo sich die Prozesse zur Herstellung elektronischer Bauelemente anschließen. Am Ende dieser vertikalen Prozessreihe stehen verschiedene Packagingtechnologien.
Wovon hängt die Qualität des Wafers ab?
Von großer Bedeutung ist der sogenannte Keim, auf dem der Kristall aufwächst. In dem Prozess wird das SiC-Pulver auf Temperaturen von über 2000 Grad Celsius erhitzt. Dabei verdampft das Pulver und kristallisiert auf dem Keim. Wenn bei diesem Schritt die Qualität nicht stimmt, ist das Material von geringerer Qualität oder gar wertlos. Man benötigt für den Prozess ein detailliertes Expertenwissen. Die Substratherstellung insgesamt ist ein sehr komplexer Prozess. Es dauert Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, bis man den gesamten Prozess im Griff hat.
Ist das nicht auch eine Frage des Geldes?
Nein, selbst wenn Unternehmen einen hohen Betrag investieren, können sie nicht ein Jahr später in hoher Qualität produzieren. Nur mit Geld ist das nicht zu kaufen. Man muss auch Zeit und Know-how haben. Deshalb glauben wir auch, dass chinesische Wettbewerber sehr viel Zeit brauchen werden, um ein qualitativ hochwertiges Ausgangsmaterial zu gewinnen.
Wie groß ist der Markt für SiC-Chips und welche Entwicklung erwarten Sie?
Der Bedarf ist derzeit jedenfalls exorbitant. Auch der Ausblick ist gigantisch. Nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Yole wird sich das Marktvolumen für Siliziumkarbid-Bauteile im Zeitraum von 2021 bis 2027 von rund einer Milliarde US-Dollar auf etwa 6,3 Milliarden Dollar erhöhen. Das entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von zirka 34 Prozent. Davon entfallen im Jahr 2030 etwa fünf Milliarden Dollar auf Inverter, Onboard-Charger oder DC/DC-Wandler, die alle Siliziumkarbid verwenden werden. Und es gibt weitere Abnehmer.
Das bedeutet auch mehr Wettbewerb für die Automobilindustrie.
Ja. Zweitwichtigster Abnehmer von SiCs ist die Solarbranche. Durch den derzeitigen Druck auf diese Branche könnte der Bedarf aber noch deutlich steigen. Auch andere Industrien interessieren sich für Siliziumkarbid. Je kostbarer Energie wird, desto wichtiger wird Effizienz. Am Ende des Tages spielt das dem Siliziumkarbid-Markt immer mehr in die Hände. Unserer Meinung nach ist ohne Siliziumkarbid keine Energiewende möglich.
Welchen Anteil am Siliziumkarbidmarkt wollen Sie mittelfristig erreichen?
Im Jahr 2025 wird der SiC-Markt etwa 3,7 Milliarden Dollar betragen, davon streben wir einen Anteil von etwa 30 Prozent an.
Inwiefern wird davon der Standort in Nürnberg profitieren?
Wir werden unsere Fertigung weiter ausbauen. Wir denken auch über einen neuen Standort nach.
Ist das schon beschlossen?
Ja, aber wo dieser gebaut wird, ist noch nicht entschieden.
Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Fahrzeugherstellern verändert?
Die OEMs haben gemerkt, dass sie sich sehr auf die Tier 1 verlassen haben. Die Fahrzeughersteller hatten in der Vergangenheit nur wenig Einfluss auf die Halbleiterlieferanten. Seit Covid hat jeder OEM massiv in den Einkauf investiert, um den Halbleitermarkt besser zu verstehen.