"Wir müssen nicht immer der Erste sein"

Hohe Inflation, hohe Zinsen, Kaufzurückhaltung – wie kommt die aktuelle Situation bei der Santander Bank an?
Thomas Hanswillemenke: Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind schwierig. Aber für uns zahlt sich zunehmend aus, dass wir in einfache Prozesse investiert haben und wir uns um unsere Kunden, die Händler, kümmern. Sie haben genug eigene Themen, da braucht es keine zusätzliche Verkomplizierung durch Banken. Unterm Strich läuft es bei uns besser als geplant.

Was heißt dies in Zahlen?
Wir erreichen 2023 im Mobilitätsgeschäft ein deutliches Umsatzplus und sind damit sehr deutlich über unseren Budget-Erwartungen für dieses Jahr.

Woher kommt die positive Entwicklung?
Ein wesentlicher Grund ist unsere jahrelange Partnerschaft auch zu großen Handelsgruppen. Von deren Wachstum können wir jetzt profitieren. Entscheidend ist, dass wir den Händlern helfen einfache Lösungen für ihre Kundenfinanzierung zu finden. Zum Beispiel durch unsere komplett end-to-end-digitale Finanzierungsstrecke. Diese können die Händler nutzen und müssen nicht selbst investieren. Markenhändler sind offener uns gegenüber geworden. Viele suchen eine Alternative zu ihrer Captive.

Und darüber hinaus?
Wir haben uns noch besser aufgestellt. Ende vergangenen Jahres haben wir die MCE Bank von Mitsubishi komplett übernommen. Wir sind zudem Finanzierungspartner verschiedener chinesischer Hersteller wie Nio, Great Wall und BYD.

Wie zahlt sich das aus?
Wir haben die Partner bis Ende vergangenen Jahres gewonnen. Zum Jahresstart war der gemeinsame Erfolg noch überschaubar. Aber wir merken, dass sich Verbraucher mit den neuen chinesischen Herstellern beschäftigen. Von Monat zu Monat werden die Absatzzahlen besser. Der Blick auf die aktuelle Entwicklung der Umsätze zeigt, was im nächsten Jahr alles möglich ist.

Was erwarten Sie?
Alles in allem gehen wir davon aus, dass wir das Wachstum nochmals verbessern können.

Sind die Zeiten für Non-Captives besser als für Captives?
Wir beobachten einen klaren Trend zum Mehrmarken-Handel. Die Hersteller-Händler-Beziehung verändert sich mit den neuen Vertriebsstrukturen ebenfalls deutlich. Das birgt naturgemäß Chancen für Non-Captives. Für Captives, die nur auf eine Marke ausgerichtet sind, ist diese Situation eher schwierig. Captives, die mit OEM‘s zusammenarbeiten, die mehrere Marken im Portfolio haben, sind hier klar besser aufgestellt. Letztlich haben es Captives selbst in der Hand. Autohändler werden größer, zehn Marken oder mehr im Portfolio sind keine Seltenheit. Es hilft dem Händler, wenn er mit einem Finanzpartner gleich mehrere Marken abdecken kann. Das nutzen Captives bislang recht wenig. Ein weiterer Punkt ist zum Beispiel die markenübergreifende Finanzierung von Bestandsfahrzeugen für den Handel. Die Kapitalkosten sind gerade auch bei großen Händlern zunehmend relevant. Für uns ist daher die Einkaufsfinanzierung heutzutage eine gute Chance neue Händlerverbindungen zu gewinnen.

Kommen Sie als Finanzinstitut günstiger an Geld als eine Herstellerbank?
Es ist für alle Marktteilnehmer schwieriger geworden. In den letzten 18 Monaten sind die Preise in einer Schnelligkeit und Stärke gestiegen wie nie zuvor. Die Zeiten des günstigen Geldes sind vorbei, und das wird wohl auch so bleiben. Der effiziente Zugang zum Kapitalmarkt spielt zunehmend eine große Rolle. Hier haben wir als Universalbank vielleicht einen Vorteil.

Ihre französischen Wettbewerber, Société Générale und Crédit Agricole, nutzen die aktuelle Branchentransformation für Zukäufe und Investitionen in Milliardenhöhe. Kommt die Santander Bank ins Hintertreffen?
Die Strategien sind nachvollziehbar und unterscheiden sich gar nicht so sehr von unserer. Ins Hintertreffen kommen wir nicht. Vielleicht steigt dadurch der Wettbewerbsdruck, aber mit Druck können wir umgehen. Die Banken bewegen sich alle in die gleiche Richtung. Die Digitalisierung und das veränderte Kundenverhalten bieten Chancen. Man muss aber unterscheiden, welche Trends sind relevant und welche nicht. Im Verhältnis dazu muss man sich fragen, wie viel bin ich bereit zu investieren? Jedes Unternehmen hat begrenzte Ressourcen. Wir müssen nicht immer der erste sein. Entscheidend ist, dass wir da sind, wenn relevantes Geschäft gemacht wird.

Welches sind aus Ihrer Sicht entscheidende Trends?
Wir haben mehrere Entwicklungen ausgemacht:

• - Die Transformation zur E-Mobilität führt zu dem Trend, dass die Verbraucher die Produkte zwar benutzen, aber nicht besitzen wollen. „Usage“ kommt vor „Ownership“: Abo, Vermietung, Leasing werden wichtiger.
• - Eine größere zeitliche Flexibilität gewinnt an Bedeutung. Früher war ein Leasingvertrag über 36 Monate der Standard. Heute denkt man darüber nach, ob zwölf Monate für einige Kundensegmente bereits zu lang sind.
• - Zudem gibt es in der Autohausbranche den Trend zur Konzentration: Aus den USA, Frankreich und Großbritannien kennen wir bereits Mega-Dealer. Nun gibt es auch in Deutschland sehr große Gruppen. Das stellt uns vor die Aufgabe, diese bestmöglich zu bedienen.

Mit dem Trend zum Nutzen, verbleibt das Fahrzeug im Besitz der Bank. Was bedeutet dies für Sie?
Wir müssen die Fahrzeuge am Ende des Leasingvertrages jetzt häufiger zurücknehmen. Dadurch steigen tendenziell die Vermarktungsrisiken am Ende der Laufzeit. Entscheidend ist eine gute Remarketing-Strategie, um die Fahrzeuge ohne Verlust zu verkaufen. Dazu gehört beispielsweise der Aufbau von Restwert-Modellen, um auch für Elektrofahrzeuge möglichst die richtigen Vermarktungspreise in der Zukunft zu finden. Dies ist entscheidend für eine bestmögliche Leasingkalkulation.

Sie sind auch Finanzpartner von Tesla, die zuletzt mehrmals die Preise stark gesenkt haben. Hat Sie dies kalt erwischt?
Es ist nie gut für eine Leasinggesellschaft, wenn die UPE plötzlich zehn Prozent niedriger ist und damit der zukünftige Verkaufswert von Gebrauchtfahrzeugen unter Druck gerät. Aber solche Sachen passieren im Wettbewerb der Hersteller immer wieder. Tesla versucht, den Markt stärker zu durchdringen. Im Rahmen unserer Partnerschaft können wir hier etwas auf Tesla einwirken. Wenn es über einen gewissen Anpassungsbedarf hinaus geht, muss man ein Risk-Sharing mit dem Hersteller vereinbaren.

Mussten Sie mit Tesla eine Vereinbarung über die Risikoteilung treffen?
Das war bislang nicht nötig.

Rechnen Sie mit weiteren Preissenkungen von Tesla?
Durch die verbesserten Produktionsbedingungen werden die Preise weicher. Tesla hat vieles in der eigenen Hand, das ist für die Preisgestaltung natürlich gut. Letztlich entscheidet dies der Hersteller. Wir pflegen einen engen Austausch, um entsprechende Entscheidungen bestmöglich zu managen.

Wie stark haben Sie die Preissenkung getroffen?
Unsere Portfolio-Bilanz ist nach wie vor positiv. Wir erwarten durch die aktuelle Situation keine Verluste, selbst wenn sich die allgemeine Gebrauchtwagen-Marktsituation weiter eintrüben sollte. Entscheidend ist, die Einschätzung der Restwerte sowie die richtige Vermarktungsstrategie zu finden. Aber das gilt im Grunde für alle Kunden.

Aus dem Datencenter:

Neugeschäft Kfz-Finanzierung 2022 in Deutschland