Partikelstaubsauger und Tempolimit: Wie sich Reifenabrieb senken lässt

Ob Ozean, Luft, Boden oder der menschliche Organismus: Es gibt kaum einen Bereich, in dem Forscher noch kein Mikroplastik gefunden haben. Die Quellen sind vielfältig, eine nicht unerhebliche ist der Straßenverkehr. Nach Schätzung des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits-und Energietechnik (UMSICHT) entstehen allein in Deutschland jedes Jahr 60.000 bis 100.000 Tonnen Reifenabrieb - etwa ein Kilo pro Einwohner.

Während der Fahrt verbindet sich der Abrieb mit Straßenbelag, Sand, Straßenstaub oder sedimentiertem Feinstaub aus der Atmosphäre zu sogenannten TRWP (Tyre and Road Wear Particles). Aus den 60.000 bis 100.000 Tonnen Reifenabrieb werden 120.000 bis 200.000 Tonnen TRWP.

In einer Metastudie für den europäischen und den US-amerikanischen Reifenherstellerverband hat das Fraunhofer-Institut nun mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Carnegie Mellon University (CMU) Pittsburgh untersucht, wie sich Abrieb vermeiden und wieder aus der Umwelt entfernen lässt.

Das Interesse der Auftraggeber ist naheliegend. In der geplanten Schadstoffnorm Euro-7 soll es erstmals Grenzwerte für Brems- und Reifenabrieb geben. Das sei zu begrüßen, meint Ralf Bertling, Wissenschaftler am UMSICHT und einer der Autoren. Was die Partikel anrichten, weiß niemand so genau. Bertling: "Ökotoxikologische Folgen von Reifenabrieb lassen sich bisher kaum abschätzen. Es gibt aber vereinzelt Studien, die schädliche Folgen nahelegen. Eine US-Studie kam etwa zu dem Ergebnis, dass für ein Lachssterben in den USA eine Chemikalie im Reifen verantwortlich war." Am sinnvollsten ist, Abrieb erst gar nicht aufkommen zu lassen. "TRWP im Nachgang wieder aus der Umwelt zu holen ist deutlich aufwendiger, als deren Entstehung zu verhindern", sagt Bertling. Dazu geeignet seien Tempolimits. "Unsere Studie beschreibt, dass der Reifenabrieb bei niedrigeren Geschwindigkeiten überproportional stark abnimmt." Ebenso wirkungsvoll sei ein moderater und defensiver Fahrstil.

Auch die Industrie ist gefragt. Eine gleichmäßige Verteilung des Drehmoments über die Reifen sorgt laut Studie für spürbar weniger Abrieb. Reifenhersteller sollten zudem an abriebärmeren Reifen forschen. Die sind gerade bei E-Autos nötig. Durch ihr Gewicht und das sofort anliegende volle Drehmoment entsteht überdurchschnittlich viel davon.

Um Abrieb zu begegnen, empfehlen die Forscher Bewuchs am Straßenrand, Straßenreinigung an Hotspots sowie "Partikelstaubsauger" direkt am Radkasten. All das kostet. Bertling: "Die Reduktion von Abrieb kann die Mobilität verteuern." Angesichts möglicher Folgekosten könne eine Reduktion aber langfristig günstiger sein. Hinzu kommt: Einige Maßnahmen sind umsonst. Es kommt nur auf den Willen dazu an.