GMs Europapläne konkretisieren sich

Es ist über fünf Jahre her, seit GM sich von Opel und damit vom Großteil des damaligen Europageschäfts getrennt hat, und es wird wohl weitere fünf Jahre dauern, bis das Unternehmen im größeren Stil in die neue Welt zurückkehrt. Anfang 2023 wollen CEO Marry Barra und ihr Europachef Mahmoud Samara mit konkreten Plänen an die Öffentlichkeit gehen. Die Automobilwoche hat schon im Vorfeld in Detroit mit informierten Personen gesprochen, um die Eckdaten der Europastrategie zu konkretisieren. Die Erkenntnisse im Stenogrammstil:

• keine eigene Fertigung in Europa
• kein eigenes Händlernetz für Vertrieb und Wartung
• keine Volumen-Ambitionen
• keine Sonderentwicklungsprogramme
• kein Branding über etablierte Kanäle

Stichwort Branding. Cadillac und Corvette sind zwar in Europa vertreten, spielen aber stückzahlmäßig nur eine Nebenrolle und eignen sich auch vom Produktangebot her aktuell nicht für eine breiter angelegte Offensive. GM will in Europa statt dessen mit drei elektrischen neu entwickelten SUV-Modellen antreten, die ganz konkret zwischen Range Rover Evoque und Velar, Velar und Range Rover Sport sowie RR Sport und Range Rover EWB positioniert sind. Dieses Trio könnte unter der Dachmarke Hummer rein theoretisch auch hierzulande antreten, doch analog zu Cadillac ist Hummer aus Sicht der europäischen Kunden ein wenig fortschrittliches Relikt der alten, von Hubraum und Bling geprägten, amerikanischen Auto-Welt.

GM hält gegenwärtig 43 Markenrechte, darunter Altbekanntes wie Pontiac oder Oldsmobile aber auch fast Vergessenes wie Epic und Geo. Eine gewöhnlich gut unterrichtete Quelle räumt Saturn für Europa die besten Chancen ein. Warum? "Weil Saturn mit fast 60 Prozent die höchste Eroberungsrate der GM-Geschichte hatte und begrifflich wie phonetisch eine niedrige Akzeptanzschwelle erwarten lässt."

GM will bis 2025 rund 35 Milliarden Dollar in die Elektromobilität investieren. Darin enthalten sind die Gelder für die Factory-Zero-Umwidmung bestehender Fabriken, das Ultium-360-Programm zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und das komplexe E-Mobility-Backend. Nach übereinstimmenden Aussagen ist eine Fertigung in Europa trotz des starken Dollars bis auf weiteres kein Thema, eine Kooperation mit Systempartnern - hier fiel der Name Magna - wollte eine der Quellen allerdings nicht ausschließen.

Wahrscheinlicher ist freilich der Export von in Amerika und/oder China gefertigten Fahrzeugen, wobei die Differenzierung der für Europa bestimmten EVs noch zu klären wäre. Hier kommt das neu gegründete europäische GM-Designzentrum in Coventy ins Spiel, wo ein Team von 35 Stilisten unter der Leitung des von Jaguar abgeworbenen Julian Thomson den Entscheidern in Detroit zuarbeiten wird. Schon wieder Jaguar? Nachdem GM vor 33 Jahren den Bieterkampf gegen Ford verloren hatte, bietet sich demnächst vielleicht eine zweite Chance...

Herzstück des neuen Premium SUV-Trios ist die bekannte Ultium-Matrix, deren Leistungsspektrum von 235 bis 1000 PS schon mit der nächsten Batteriegeneration weiter wachsen dürfte. Mit sechs bis 24 Batterie-Modulen ist eine Skalierbarkeit von 50 bis 200 kWh darstellbar - mehr wird auch in Zukunft nicht nötig sein. Das Thema Modularität betrifft die gesamte Komponente von den Achsen über den Kühlkreislauf bis zum Betriebssystem. Radstand und Spurweite sind ebenfalls variabel, der Mix aus Hochboden- und Flachbodenelementen erlaubt eine coupéhafte Dachform und bietet außerdem aerodynamische Vorteile. O-Ton Detroit: "Die Kernbausteine sind - mechanisch wie digital - modular aufgebaut und über wenige Schnittstellen miteinander vernetzbar. Das heißt im Klartext, dass alle drei Europamodelle auf der gleichen DNA basieren. Software, Materialität, Abstimmung und in letzter Konsequenz auch Design sind die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale."

Über das Volumen kann rund fünf Jahre vor Markteinführung nur spekuliert werden - die kolportierten Zahlen variieren von hoch vierstellig bis schwach sechsstellig. Die Preisspanne hängt naturgemäß von der Spezifikation und der Ausstattung ab, wobei der Kunde angeblich die Wahl zwischen zwei und drei Motoren hat, sich für eine reichweiten- oder leistungsbetonte Auslegung entscheiden kann, und die traditionelle Erlebniswelt durch digitale wie virtuelle Elemente erweiterbar ist. Dabei geht es durchaus futuristisch zu: über Bio-Erkennung wie Atemanalyse lassen sich beispielsweise individuelle Nutzerprofile automatisch zuordnen und anpassen. Das alles hat seinen Preis, denn neben dem nackten Elektro-Blech will GM die komplette Bandbreite von Mobility as a Service ausrollen - Stichwort letzte Meile, charge and park, magic brand values.

Aus dem Datencenter:

Neuzulassungen und Marktanteile alternativer Antriebsarten im 2. Quartal 2022 in Westeuropa