Bordnetz: Elon Musk zieht 12 Volt den Stecker

48 statt 12 Volt – dass eine höhere Standardspannung im Bordnetz viele Vorteile hätte, ist seit Jahrzehnten Konsens. Doch den Aufwand für die Umstellung scheuten bislang alle  – bis auf einen: Elon Musk schaffte im Tesla Cybertruck die 12 Volt ab. Dort gibt es neben 800 Volt für den Antrieb nur noch ein 48-Volt-Netz. Sorgt er damit für mehr Schub?  

Musk verschickte an andere Hersteller gleich ein Handbuch mit dem Titel „How to design a 48-Volt Vehicle“. Ford-Chef Jim Farley schrieb auf Musks Online-Dienst X: „Toll, das Papier zu lesen und zu sehen, dass unsere Zukunftsentwickler („next-gen team“) auf einem ähnlichen Weg sind. Lass uns zusammenarbeiten, um dem Zulieferernetzwerk beim Sprung in die 48-Volt-Zukunft zu helfen.“

Warum überhaupt 48 Volt? Im Auto gibt es immer mehr elektrische Verbraucher und immer mehr davon benötigen hohe Leistungen. Bei unveränderter Spannung müssten die Kabel viel dicker werden. Experten von Leoni nennen ein Extrembeispiel: Ein Kabel für zehn Kilowatt Leistung hätte bei 12 Volt einen Querschnitt von mehr als 250 Quadratmillimeter. Bei 48 Volt sind es lediglich rund 70 Quadratmillimeter.

Das bedeutet, bei 48 Volt lassen sich fast drei Viertel des Kupfers einsparen. Das senkt Kosten und Gewicht, spart Rohstoffe und Bauraum.

Das hat auch die klassischen Hersteller schon vor vielen Jahren zur Einführung von 48 Volt bewogen. Treiber waren die Hybrid-Antriebe, die Starter-Generatoren mit hoher Leistung benötigten. Bei Audi etwa bekam schon die 2017 vorgestellte A8-Generation erstmals einen Riemenstarter-Generator mit 48 Volt und eigener 48-Volt-Batterie.

Auch bei BMW, Mercedes-Benz und VW finden sich immer mehr 48-Volt-Hybride. Hohe Leistungen benötigen auch die – immer wichtiger auch bei schweren BEV – elektrischen Wankstabilisierungen.  

Ein Extrembeispiel findet sich bei Porsche: So wird etwa das Fahrwerk Porsche Active Ride ausschließlich im Turbo-E-Hybrid-Panamera verbaut, weil nur dort mit der 400-Volt-Batterie eine ausreichend leistungsfähige Stromquelle an Bord ist. Selbst 48 Volt reichen hier nicht aus.

Zwar könnte man auf die Idee kommen, mit noch mehr als 48 Volt zu arbeiten, um die genannten Vorteile noch zu erhöhen. Doch das ist aus Sicherheitsgründen problematisch. Denn ab Spannungen von 60 Volt Gleichspannung ist ein aufwendiger Berührungsschutz erforderlich, damit Menschen nicht gefährdet werden. Mit nominell 48 Volt sind die meisten Verbraucher im Fahrzeug noch ausreichend weit von dieser Grenze entfernt.

Der Knackpunkt ist: Während Tesla im Cybertruck das 12-Volt-Netz abschaffte, betreiben es die anderen Hersteller parallel zum 48-Volt-Netz weiter. Verbrennerfahrzeuge haben zwei Bordnetze mit zwei Batterien.

Doch eine schnelle 12-Volt-Abschaffung zeichnet sich nicht ab. Bei BMW werde das „Thema 48 Volt als Standardspannung im Fahrzeug konkret verfolgt“, so ein Sprecher. In einem VDA-Arbeitskreis sei man auch an der Standardisierung für einen Umstieg beteiligt. „Aufwand und Nutzen der Umstellung aller 12 Volt Komponenten auf 48 Volt müssen Schritt für Schritt in ein positives Gesamtverhältnis gebracht werden“, so BMW. Zudem seien „zahlreiche Akteure auf Hersteller- und Zulieferseite involviert“.

Tatsächlich ist die Umstellung für Hersteller mit vielen Modellen schwieriger als für Elon Musk mit seinem Cybertruck. Die Baukasten- und Gleichteilestrategien machen eine Umstellung komplizierter. Wird ein neues Modell auf 48 Volt umgestellt, können einige Stromverbraucher aus bereits vorhandenen Modellen nicht mehr übernommen werden. 

Zulieferer stehen dem Thema recht neutral gegenüber. Die Antworten von Brose, Continental, Hella  und ZF, die die Automobilwoche nach ihren Einschätzungen fragte, lassen sich etwa so zusammenfassen: Technisch sei man zur Umstellung in der Lage. Entscheidend sei die Nachfrage der Automobilhersteller. Ob die Komponenten durch Umstellung auf 48 Volt teurer oder billiger werden, hängt vom Einzelfall ab.

„Ein Trend hin zu einem 48-Volt-Bordnetz ist aus ZF-Sicht derzeit nicht zu erkennen, ein erhöhtes Interesse jedoch spürbar. Sollte die Nachfrage steigen, kann ZF sie bedienen“, so ein ZF-Sprecher. „Wir prüfen aufgrund von Kundenanfragen regelmäßig die Umstellung von bestimmten Produkten auf 48 Volt“, erläutert eine Sprecherin von Continental. Ob 12 oder 48  Volt  die kostengünstigere Lösung sei, sei „jeweils komponenten- und fahrzeugspezifisch zu klären“.

Brose betont, man habe „bereits Kompetenzen bei der Entwicklung von 48-Volt-fähigen Komponenten aufgebaut und kann diese flexibel auf verschiedene Anwendungen übertragen“. Beispielsweise liefere Brose bereits 48-Volt-fähige Fensterheberantriebe in Serie“.

Man verfüge über einen Motor- und Elektronikbaukasten, der Spannungen von 12 bis 810 Volt abdecke. Manche Elektronikkomponenten wären von einer Umstellung gar nicht direkt betroffen, da sie mit 5 Volt arbeiten – und schon jetzt Spannungswandler benötigen. Hella nennt hier etwa Steuergeräte. Die Beleuchtung sei ebenfalls nicht direkt betroffen. Daher könne man das Portfolio rasch auf 48 Volt umstellen.  

Vielleicht wird die Entwicklung verlaufen wie bei der Elektronikarchitektur. Da setzte Tesla von Anfang an auf Zentralrechner statt dreistelliger Zahlen von intelligenten Steuergeräteboxen. Die Vorteile erkannten die etablierten Hersteller schnell – brauchten aber ein paar Jahre, um nachzuziehen, weil sie sich nicht schlagartig von den etablierten alten Architekturen lösen konnten.