Kommentar: Blume riskiert die Machtprobe bei VW

Oliver Blume verfolgt einen Fünfjahresplan, um den Konzern zu transformieren. Der VW-Chef, im Herbst 2022 gestartet, steckt also mittendrin. Zu seiner Strategie, die er kürzlich noch einmal in kleiner Runde erklärte, gehören ständiges Überprüfen und Bewerten des Tuns.

Das führt dann zu Anpassungen, wenn die Ziele nicht erreichbar scheinen. Und wenn nötig, Härte zeigen.

In dieser Situation steckt die Kernmarke VW Pkw gerade. Blumes Markenchef Thomas Schäfer hatte über Monate ein einvernehmliches Performance-Programm erarbeitet, um die Marge des Unternehmens deutlich zu erhöhen. Es wird gespart, wo es geht. Aber friedlich.

Nun wurde überprüft und bewertet, wie es Blumes Art ist, und das Ergebnis ist ernüchternd: Die Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die Ziele zu erreichen. Im Gegenteil. Die Lage hat sich verschärft.

Daher fährt VW nun Geschütze auf, die Mitarbeiter und Betriebsräte regelrecht erschrecken: Die Jobgarantie wird aufgekündigt, und Werke in Deutschland könnten geschlossen werden. Es ist ein neues Level. Aus dem zu zaghaften Performance-Programm wurde ein Hardcore-Plan.

Betriebsratschef Daniela Cavallo reagiert erzürnt, denn bei dem Performance-Programm zeigte sie noch Entgegenkommen - in der Hoffnung, man sei auf gutem Wege. Doch die jetzige Dimension und raue Gangart entsetzen den Betriebsrat, die IG Metall und Teile der Politik gleichermaßen.

Es ist eine Zäsur. Blume riskiert die Machtprobe. Allerdings erklärte Cavallo in ihrer Hauszeitung „Extrablatt“ VW selbst zum „Restrukturierungsfall“.

Dass VW ein Werk in Deutschland schließt, war bislang undenkbar. Direkte Kündigungen aus betriebswirtschaftlichen Gründen gab es schon ewig nicht mehr. VW ist ein Stück deutsches Kulturgut und nationales Symbol. Geht es VW schlecht, geht es Deutschland insgesamt schlecht.

In der Vergangenheit wurden viele Managementfehler gemacht. Die Überkapazitäten in den deutschen Fahrzeugwerken sind enorm und lange bekannt. Das lässt sich nicht wegwünschen.

Man hätte schon vor vielen Jahren sehen können, dass dies nicht gut geht und damals schmerzhafte Anpassungen vornehmen müssen. Das passierte nicht, weil man dachte, dass die Volumina schon wiederkommen würden. Kamen sie aber nicht. Daher tut es jetzt umso mehr weh.

Dass dies auf Kosten der Mitarbeiter passiert, ist das Tragische. Doch wenn man die schwere Erkältung immer weiter verschleppt, wird irgendwann eine Herz-Rhythmus-Störung daraus, oder schlimmeres.

Mit den Maßnahmen verdirbt es sich das Management mit weiten Teilen der Belegschaft. Doch der Konzern muss in Zeiten der Transformation gegenhalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und ein Unternehmen muss – so banal es klingt – Geld verdienen. Sonst ist auf lange Sicht zu befürchten, dass aus dem stolzen VW-Konzern ein Dauerpatient wird.