Software: Wie sich KPIT im Auto unverzichtbar machen will

Acht Monate sind vergangen, seit Gabriel Seiberth die Seiten gewechselt hat: Nach neun Jahren bei Accenture ist er im November 2023 als Europa-Chef zum indischen Softwareunterunternehmen KPIT gewechselt.

Angetreten ist er diesen Job mit einer großen Mission: "Wir wollen der führende Partner für Software-Integration im Bereich Mobilität werden – denn wir kennen uns mit Fahrzeugarchitekturen so gut aus wie kein anderes Technologieunternehmen", so Seiberth.

Das Softwareunternehmen, 1993 im indischen Pune gegründete, startete als IT-Dienstleister. 2019 kam jedoch der Kurswechsel und die Unternehmensspitze um Gründer und CEO Kishor Patil setzte alles auf eine Karte: KPIT gab mehr als die Hälfte seines Geschäftes ab, um sich vollständig auf Automotive-Software zu konzentrieren.

Die Firma hatte früh erkannt, dass Software eine entscheidende Rolle für den Wandel der Automobilindustrie spielen wird.

Mit Erfolg: Seit der Neuausrichtung stieg der Börsenkurs um 1300 Prozent. Zu dieser gehörte auch, KPIT als globale Firma aufzustellen und Entwicklungszentren in den wichtigsten Märkten zu eröffnen.

Allein am Münchner Standort, den es seit 2020 gibt, beschäftigt die Firma heute über 1000 Softwarespezialisten. In ganz Europa sind es doppelt so viele und weltweit zählt KPIT über 13.000 Mitarbeiter.

"Wir sind der weltweit größte unabhängige Integrationspartner für Automobil-Software – von autonomen Fahrsystemen bis hin zur Middleware im Auto“, sagt Seiberth. „Wir sind keine verlängerte Werkbank, sondern arbeiten Seite an Seite mit Automobilunternehmen an den Fahrzeugfunktionen von morgen."

Die Fokussierung auf Software im Fahrzeug wird vom Markt geschätzt: KPIT wächst seit 2019 kontinuierlich. "In drei Jahren wollen wir unseren globalen Umsatz auf eine Milliarde US-Dollar verdoppeln – und Europa spielt in unseren Wachstumsplänen eine zentrale Rolle" so Seiberth.

Vor allem in Europa und Asien erwartet das Unternehmen großes Wachstum. "Insbesondere in China, sehen wir enorme Chancen, auch wenn geopolitische Spannungen und Strafzölle herausfordernd sind", so der Manager.

Bislang setzen über 25 Autohersteller und Zulieferer weltweit auf Lösungen von KPIT. Dazu gehören unter anderem BMW und Renault in Europa, Honda in Japan und der Zulieferer ZF. Geht es nach Seiberth, könnten es jedoch noch mehr werden. „Wir wollen mehr strategische Partnerschaften aufbauen, um Programme schnell und effizient zu realisieren, wie wir es bereits mit Renault und BMW getan haben,“ so der Europa-Chef.

Er ist derzeit dabei, vor allem die europäische Ausrichtung von KPIT zu schärfen. Es sei wichtig, nah dran am lokalen Markt und den Kunden zu sein, vor allem in Deutschland und Europa. Denn: „Wir wollen mehr sein als eine indische Software-Company, wir wollen eine multinationale Technologiefirma sein“, so Seiberth.

Der Ansatz von KPIT ist es dabei nicht, IT-Fachleute zur Verfügung zu stellen, um Kapazitätslücken beim Kunden zu schließen – so, wie es viele andere Softwaredienstleister tun. Das Ziel sei die Zusammenarbeit auf Augenhöhe, so der Europa-Chef des Technologieunternehmens: „Wir unterstützen die Hersteller auf dem Weg zum software-definierten Fahrzeug (SDV) über alle Schritte hinweg – von der Architektur über die Entwicklung bis zur Integration und Absicherung“.

Einen Fokus hat KPIT dabei ganz besonders auf Middleware. Sie verbindet in modernen Fahrzeugarchitekturen die unterschiedlichen Systemebenen miteinander und macht SDVs damit erst möglich.

„Früher haben viele Hersteller auf Eigenentwicklungen gesetzt – das Betriebssystem für das Fahrzeug als wichtiges Unterscheidungsmerkmal – aber sie haben schnell erkannt, dass dieser Ansatz einige Haken hat“, sagt Seiberth

Insbesondere die hohen Kosten für die Entwicklung, die Zeit bis zur Markteinführung und die Knappheit an eigenen Softwareexperten habe viele Hersteller zum Umdenken bewogen.
 

Aus diesem Gedanken heraus ist auch Qorix entstanden, ein Joint Venture von ZF und KPIT. „Gemeinsam entwickeln wir den unabhängigen Middleware-Stack der Zukunft“, beschreibt Seiberth dieses Projekt.

Middleware, so ist der Manager überzeugt, werde zukünftig vor allem auf Open-Source-Standards basieren. Bei Eigenentwicklungen werden sich die Hersteller vor allem auf differenzierende Funktionen konzentrieren.

„Man muss eine automatisierte Parkfunktion nicht selbst programmieren, aber man muss in der Lage sein, diese fehlerfrei in die Fahrzeugarchitektur zu integrieren“, sagt Seiberth.  

Autonomes Fahren und Elektromobilität sind jedoch auch zentrale Säulen bei KPIT. Seiberth sieht hierbei besonders realistische und monetarisierbare Ansätze: „Level zwei ‚hands-free‘ Systeme bieten Komfort und werden verstärkt umgesetzt. Level drei bleibt aufgrund der hohen Sensorikkosten ein kleinerer Markt, bietet aber interessante Zukunftsperspektiven.“