Neue CO2-Ziele für Volkswagen kaum zu schaffen

Volkswagen steht 2025 vor einer fast unlösbaren Herausforderung. Um die neuen CO2-Flottenziele in der EU zu erreichen, muss der Hersteller seinen Elektro-Anteil in der EU nahezu verdoppeln – und dafür milliardenschwere Einbußen seines operativen Ergebnisses hinnehmen.

Zu diesem Ergebnis kommt ein aktueller Report der Großbank UBS. 2023 kam Volkswagen europaweit auf einen BEV-Anteil von 13 Prozent. Um die neuen Vorgaben zu erfüllen, sei 2025 aber ein Anteil von 25 Prozent nötig, so die Analysten. "Dass VW seine CO2-Ziele aus eigener Kraft schafft, ist unrealistisch. Dafür ist der Sprung viel zu groß", sagt Patrick Hummel, Head of European Autos Research bei UBS.

Auch andere Hersteller stehen vor ambitionierten Aufgaben. Renault etwa müsse den BEV-Anteil von elf auf 18 Prozent steigern, Mercedes braucht ein Plus von sechs Prozentpunkten. Deutlich entspannter ist dagegen die Lage bei Stellantis und vor allem BMW: Hier sind nur Zuwächse um drei Prozentpunkte nötig.

"BMW und Stellantis brauchen keinen großen Kraftakt, um ihre Ziele zu erreichen. Bei Mercedes ist die Situation etwas herausfordernder aber ebenfalls machbar", urteilt Hummel. Und sitze bei Renault der neue R5, seien auch hier die CO2-Ziele aus eigener Kraft zu stemmen. In der ersten Jahreshälfte 2024 lag der Anteil an reinen E-Autos in Europa bei 13,3 Prozent.

Will VW seine Ziele erreichen und Strafzahlungen vermeiden, wird das Unternehmen nicht umhinkommen, mit anderen Herstellern, die ihre Ziele übererfüllen, CO2-Pools zu bilden. "VW braucht dringend Pooling-Partner. Und selbst dann wird es knapp", so Hummel.

In Frage dafür kommen laut UBS, Tesla, Volvo, Toyota, SAIC und BYD. Doch nur Tesla sei in der Lage, die Lücke bei Volkswagen als alleiniger Partner zu überbrücken, so Hummel. Mercedes und Stellantis haben bereits Pools gebildet – mit Smart sowie Leapmotor.

In jedem Fall erwarten die UBS-Analysten für 2025 einen "BEV Preiskrieg 2.0", wenn die Hersteller trotz Elektro-Nachfrageflaute versuchen, ihren BEV Absatz auf ihre jeweilige Zielgröße zu steigern. "Vor allem Hersteller, die ihren Elektro-Absatz steigern müssen, werden aggressiv in den Markt gehen.

Das wird unausweichlich Ansteckungseffekte in der gesamten Branche nach sich ziehen", prognostiziert Hummel. Zusätzlich verschärft werde die Lage durch chinesische Hersteller, die mit Kampfpreisen Marktanteile erobern wollten.

Vor allem VW könnte der Preiskrieg teuer zu stehen kommen. "Durch die Anpassung an die neuen CO2-Ziele wird VW 2025 nach unseren Berechnungen etwa zehn Prozent seines operativen Ergebnisses einbüßen. Das entspricht etwa zwei Milliarden Euro vor Steuern", sagt Hummel.

2023 lag das operative Ergebnis von Volkswagen vor Steuern bei 22,6 Milliarden Euro.Für Renault prognostiziert UBS eine EBIT-Einbuße von neun Prozent. Ausgehend vom Ergebnis des Jahres 2023 von rund 4,12 Milliarden Euro das entspricht rund 371 Millionen Euro. Für BMW, Mercedes und Stellantis seien Einbußen im "niedrigen einstelligen Prozentbereich" zu erwarten.

"Kostentreiber dürfte vor allem der von Wettbewerbern initiierte Preiswettbewerb sein, dem man sich nicht entziehen kann", meint Hummel. Bei Volvo wiederum ist durch Pooling-Gewinne ein EBIT-Plus von 12 Prozent beziehungsweise 300 Millionen Euro zu erwarten.

Als Problem bei Volkswagen identifizieren die UBS-Analysten speziell die Modellpipeline. Weil neue Volumenmodelle fehlen, die zusätzlichen Absatz bringen, müssten die Ziele über die alternde Palette an Bestandsmodellen erreicht werden. Das funktioniert vor allem über Rabatte.

"VW fehlt ein erschwingliches E-Auto. Ohne ein BEV unter 25.000 Euro sehe ich für VW kaum die Möglichkeit, die CO2-Ziele aus eigener Kraft zu erreichen", sagt Hummel. Einzig der Ende 2023 gestartete ID.7 sorge derzeit für Wachstum im Volumensegment.

Das erwartete Volumen durch neue BEV am Gesamtabsatz in den Jahren 2024 bis 2025 taxiert UBS bei VW auf lediglich 4,5 Prozent. Zum Vergleich: Bei Stellantis liegt dieser Wert bei 8,1 Prozent, bei BMW sind es 6,8.

Die CO2-Ziele zu ignorieren und statt des milliardenschweren Preiskampfes lieber die Strafzahlungen in Kauf zu nehmen ist  indes keine echte Option. Bliebe bei Volkswagen der aktuelle Anteil an BEV und PHEV-Verkäufen konstant, wären Strafzahlungen von vier bis fünf Milliarden Euro die Folge, so Hummel. Das wäre etwa ein Viertel des operativen Ergebnisses. Selbst E-Autos ohne jede Marge zu verkaufen sei günstiger als die Strafzahlungen, heißt es im Report.

Angesichts der schleppenden Verkäufe von Elektrofahrzeugen forderte VW-Chef Oliver Blume schon Anfang des Jahres eine Anpassung der CO2-Ziele durch die EU. Ähnliche Forderungen nach einer Überprüfung der Zielvorgaben äußerten auch die Vorstandsvorsitzenden von BMW und Renault, Oliver Zipse und Luca de Meo.

Ob es zu einer Aufweichung der Ziele kommt, ist jedoch fraglich. "Die Hersteller sollten sich nicht darauf verlassen, dass der Gesetzgeber die Regulierung noch einmal aufweicht. Wir halten dieses Szenario für äußerst unrealistisch", meint Hummel.