Drohende China-Zölle: Europas Hersteller prüfen Verlagerung

Nach der Ankündigung möglicher Strafzölle auf in China produzierte Elektroautos entwickeln Europas Autobauer Alternativszenarien und hoffen zugleich auf die Politik. Bis zum 4. Juli haben EU und China noch Zeit, eine Lösung zu finden, sonst ­werden die Strafzölle von bis zu 38,1 Prozent vorläufig fällig.

Bosch-Chef Stefan Hartung vertraut auf erfolgreiche Gespräche zwischen EU und China: „Ich interpretiere den Schritt der Europäischen Union eher als Einstieg in eine Diskussion mit China, die im Idealfall Zölle auf beiden Seiten vermeiden kann.“

Der neue Präsident des Importeursverbandes VDIK und frühere Opel-Chef Michael Lohscheller sprach sich in der Automobilwoche klar gegen Zollschranken aus. Schließlich beruhe Deutschlands Wohlstand in hohem Maße auf dem Erfolg seiner Export-Industrie, betonte Lohscheller.

"Europa sollte daher weiter gegen Protektionismus eintreten und auch für den eigenen Markt möglichst wenig Zugangshemmnisse errichten. Internationale Unternehmen sollten frei von Diskriminierung in Europa Handel treiben können.“

Auch VDA-Präsidentin Hildegard Müller hatte sich bereits gegen Zollschranken ausgesprochen. "Ausgleichszölle für aus China importierte E-Pkw sind nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken," hatte sie erklärt.

Die Industrie in Europa kann aber nicht auf eine Kehrtwende der EU-Kommission warten und entwickelt daher Szenarien, um ihrerseits drohenden Zollgebühren auf in China gebaute E-Modelle auszuweichen.

So kündigte vor wenigen Tagen Stellantis an, den elektrischen Kleinwagen T03 des neuen China-Partners Leapmotor im polnischen Werk Tychye zu bauen. Auf diese Weise entgeht Leapmotor möglichen Zollschranken.

Der Manager eines anderen europäischen Herstellers sagte der Automobilwoche, bei einzelnen Modellen stehe das bisherige Geschäftsmodell auf dem Spiel. „Wir prüfen einen möglichen neuen  Produktionsstandort, entschieden wird aber erst, wenn sich die EU endgültig festgeleg hat,“ sagte der Manager.

Klar ist: Der Widerstand der Branche gegen die Pläne der EU ist ungebrochen. Speziell beim Hersteller BMW, dessen seit Jahresbeginn in China produzierten Mini-Modelle womöglich mit ­zusätzlichen 38,1 Prozent Strafzoll belegt werden, herrscht Unverständnis für die Maßnahmen der EU.

Auch der VW-Konzern, dessen Cupra Tavascan im Werk ­Anhui gebaut und dann nach ­Europa importiert wird, bemüht sich um eine Lösung, um die ­hohen Zölle noch vor dem 4. Juli abzuräumen. Auch das Elektro-SUV wäre nach jetzigem Stand von 38,1 Prozent Strafzoll betroffen.

Denkbar ist, dass beide Unternehmen sich einer neuen Prüfung durch die EU stellen, wie sie auch Tesla bereits für sich und seine aus China nach Europa importierten Model 3 bekommen wird, um die Zölle noch abzuschwächen.

Chinesische Hersteller wiederum sollen sich bei einem Treffen im Handelsministerium in Peking für Gegenmaßnahmen und insbesondere für zusätzliche Abgaben auf größere Fahrzeuge mit Verbrennertechnik aus der EU ausgesprochen haben.

Einig ist sich Europas Autobauer in dem Ziel, drohenden hohen Zöllen aus dem Weg zu gehen, sei es durch mehr lokale Produktion in Europa oder durch eine Verlagerung von Kapazitäten etwa nach Korea oder in die USA. Besonders viel steht bei Dacia auf dem Spiel.

Das bislang einzige E-Modell, der kleine Spring, wird nur in China gebaut. Ein Zoll von 30 Prozent und mehr würde den Preisvorteil gegenüber Rivalen wie dem neuen Citroën ë-C3, der im slowakischen Trnava gebaut wird, wegschmelzen lassen.

Deshalb prüft Dacia dem Vernehmen nach derzeit mehrere alternative Produktionsstandorte. In Frage käme für die Marke eine Fertigung in Rumänien oder in Marokko, wo Produktionskapazitäten bestehen.

Volvo und Polestar wiederum sind erleichtert über ihre bereits vor der Zoll-Debatte getroffene Entscheidung, neue E-Modelle auch außerhalb Chinas zu bauen. „Wir werden den in diesem Jahr gestarteten Polestar 4 nicht mehr nur in Hangzhou Bay produzieren, sondern ab Mitte 2025 auch im koreanischen Busan“, sagte Polestar-Technikvorstand Lutz Stiegler der Automobilwoche.

Möglich gemacht hat dies ein Abkommen zwischen der Geely Holding und Renault Korea Motors (RKM. Der seit Febraur im chinesischen Chengdu gebaute Polestar 3 wird außerdem in Kürze auch im US-Werk Ridgeville in South Carolina gebaut.

Volvo Cars hatte bereits im Oktober bekanntgegeben, seinen Kompaktstromer EX30 ab 2025 auch im belgischen Werk Gent zu bauen.

Eine endgültige Fassung könnte dann bis November diesen ­Jahres folgen und bräuchte eine qualifizierte Mehrheit von 15 der 27 EU-Staaten, die gleichzeitig zwei Drittel der EU-Bevölkerung repräsentieren. Erste Hoffnungen der deutschen Industrie ruhen auf Gesprächen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der nach China reiste. 

Habeck sagte: "Also, dass jetzt in China, während ich da bin, der Konflikt beigelegt wird, das ist auszuschließen. Ich kann auch gar nicht für die EU verhandeln." Dennoch waren Gespräche zu möglichen Auswegen aus einem drohenden Handelskrieg Teil der Reiseplanungen.

Gesprächsstoff gibt es ohnehin genug: Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass China als Gegenreaktion an Zölle in Höhe von 25 Prozent auf europäische Modelle mit Verbrennungsmotor über 2,5 Litern Hubraum erwogen. Ein klarer Angriff auf die europäische Automobilindustrie mit ihren hochpreisigen Verbrennern, die sich in China exzellent verkaufen.

Der Wirtschaftsminister wurde wie üblich von einer Delegation deutscher Unternehmer begleitet. Deutsche Automobil-CEOs wie BMW-Chef Oliver Zipse und Mercedes-Chef Ola Källenius, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch im April auf dessen China-Reise begleitet hatten, fehlten aber diesmal im Flieger.