So wagt Great Wall in Deutschland den Neustart

Diese Kaffeefahrt war zu Ende, ehe sie so recht begonnen hat. Denn noch bevor Wey die ersten Exemplare der noblen Geländewagen Coffee 01 und 02 in den Handel bringen konnte, hat Hersteller Great Wall Motors Tabula rasa gemacht, sein Portfolio neu sortiert und dabei gleich auch noch den Ora Cat kassiert: Jetzt heißt die Dachmarke GWM, aus Ora und Wey werden Produktionen wie AMG oder Maybach und die Modelle tragen neuerdings Nummern: Der Cat wird zum Ora 03, der Coffee 01 zum Wey 05 und der Coffee 02 zum Wey 03. Keine Ahnung, wer da noch durchblicken soll.

Während es der rein elektrische Ora 3 mit Stadtstromern wie dem Opel Corsa, dem Volvo EX30 oder seinem bayerisch-britischen Cousin Mini aufnehmen will, zielen die mit reichlich Chrom und Glamour erfreulich gegenwärtig gezeichneten Wey weiter nach oben: Der 4,87 Meter lange 05 für 59.900 Euro aufwärts nimmt Audi Q7, BMW X5 und Mercedes GLE ins Visier und der 03, der im Frühjahr für Schätzpreise ab etwa 47.000 Euro zu den rund 50 Händlern kommt, fährt mit seinen 4,67 Metern in einer Liga mit Audi Q5, BMW X3 und Mercedes GLC.

Namen mögen für die Chinesen Schall und Rauch sein und werden entsprechend schnell geändert. Doch ihre Autos sind gekommen um zu bleiben - und haben entsprechend viel Substanz. Das gilt diesmal nicht nur für die Ausstattung, die wie so oft bei den Chinesen überdurchschnittlich gut ist und vom animierten Head-Up-Display bis zur Ambientebeleuchtung so ziemlich alles umfasst, für das man bei Audi & Co tief in die Tasche greifen muss. Sondern bei Wey gilt das auch fürs Ambiente: Piekfeine Verarbeitung, noble Materialien und ein angenehmer Duft - da zahlt es sich offenbar aus, dass die Great-Wall-Tochter daheim schon seit einer Dekade den Markt für Premium-SUV anführt.

Dabei geben sich die Chinesen beim Zuschnitt genau wie bei der Bedienung erfreulich gegenwärtig - und verzichten auf den digitalen Overkill. Klar gibt’s statt herkömmlicher Instrumente einen kleinen Bildschirm. Und über der Mittelkonsole thront ein fast 15 Zoll großes Display mit all den üblichen Spielereien. Aber immerhin lassen sich Lenkrad, Spiegel und Sitze noch konventionell verstellen, und fürs Klima gibt’s einen eigenen Touchscreen mit praktischen Shortcuts für ablenkungsfreie Einstellungen auch während des Fahrens.

Auch beim Antrieb versucht sich Wey im Spagat zwischen den Epochen - und will als reine Plug-in-Marke das Beste aus beiden Welten vereinen. Für die alte Welt stehen dabei in beiden Modellen ein 2,0 Liter großer Turbo-Benzin-Direkteinspitzer mit 204 PS und eine solide 9-Gang-Doppelkupplung. Und für die neue Welt ein elektrischer Triebstrang, der seines Gleichen sucht. Denn schon im Wey 03 baut GWM einen konkurrenzlosen 34 kWh großen Akku für bis zu 139 Norm-Kilometer ein, spendiert dem Fronttriebler eine E-Maschine von 163 PS und dem Allradler noch einen zweiten Motor mit 184 PS an der Hinterachse. Das ergibt eine Systemleistung von 367 oder 442 PS, und mit 500 oder 685 Nm gelingt der Sprint in 7,3 oder sogar in 5,3 Sekunden. Da kann man dann auch verschmerzen, dass die Elektronik bei 230 km/h schon wieder den Stecker zieht.

Beim 05 greift GWM sogar noch tiefer ins Regal: Ausschließlich als Allrad angeboten, hat er eine Systemleistung von 476 PS, reißt mit bis zu 847 Nm an den Reifen, so dass der Spurt in 5,0 Sekunden gelingt und erst bei 235 km/h Schluss ist. Und damit dem PHEV nur nicht die Puste ausgeht, wächst der Akku auf 40 kWh, was ihn zum Rekordhalter unter den Teilzeitstromern machen dürfte. Rekordverdächtig ist dementsprechend auch die Reichweite: 158 Norm-Kilometer sind drin, bevor die Batterie leer ist. Damit sie danach auch wirder brav geladen wird und die werten Kunden dabei nicht all zu viel Geduld brauchen, spart Great Wall nicht an der Ladeleistung: 11 kW am Wechselstrom sind Standard und wie nur wenige Plug-ins können 03 und 05 mit immerhin 50 kW auch an der DC-Säule laden.

"Damit vereinen wir das Beste aus zwei Welten und bieten der Kundschaft einen sanften, weil sicheren Übergang in die Elektromobilität", sagt Johannes Brandenburger. Natürlich hätte er sich dennoch eine weniger komplizierte Geburt gewünscht, doch macht der GWM-Deutschlandchef gute Miene zum bösen Spiel und freut sich, dass jetzt dann mal alles klar ist: Hier die jugendlichen und entsprechend bezahlbaren und vor allem voll elektrischen Oras und dort die noblen Wey mit Plug-in-Technik. Das System ist zumindest soweit durchdacht, dass auch kommende Neuheiten oder neue Nomenklatur noch ins Portfolio passen. So wird aus der bislang als Lightning Cat apostrophierten Limousine der Ora 07, das gerade angekündigte SUV fürs die Kompaktklasse wird wohl zum Ora 05 und wenn es bei Wey mal noch ein kleineres Modell geben sollte, könnte das als Wey 01 an den Start gehen. Soweit so gut - bis irgendwann mal wieder ein vollelektrischer Wey kommt und Brandenburger sein Kartenhaus neu aufstellen muss. Aber bis dahin sind Coffee 01 und Coffee 02 dann längst kalter Kaffee.