Dieser Mini Cooper SE lässt Cabrio-Fans hoffen

Die Wettervorhersage gehört für Cabrio-Fahrer zur wichtigsten Lektüre. Doch wenn die Open-Air-Gemeinde etwas weiter in die Zukunft schaut, sind die Aussichten ausgesprochen trübe. Denn offene Autos bleiben bei der Transformation der Autobranche offenbar auf der Strecke.

In der alten Welt werden immer mehr Cabrios und Roadster dem Kostendruck, der Reduktion der Komplexität und den Stückzahlerwartungen geopfert. Und in der neuen sind die Fahrzeuggattungen irgendwie noch nicht angekommen.

Obwohl Tesla die elektrische Revolution doch ausgerechnet mit einem Roadster angezettelt hat, gibt sich die Flut der neuen Elektroautos bislang ausgesprochen zugeknöpft und man muss schon für ein Schiebedach dankbar sein. Einzig der Fiat 500 und der Smart Fortwo lassen ein bisschen mehr Luft herein, wobei der Fiat streng genommen auch nur ein großes Rolldach hat und der Smart bereits auf der Zielgerade fährt.

Doch es gibt Hoffnung, und die kommt aus England. Denn Mini hat jetzt in den USA eine Cabrio-Version des elektrischen Dreitürers vorgestellt. Zwar bleibt der weitgehend in Handarbeit entstandene Viersitzer ein Einzelstück, doch mit dem Segen des ehemaligen Mini-Chefs Bernd Körber entwickelt, steckt in der Machbarkeitsstudie auch das Versprechen auf eine luftige Zukunft.

Und wer einmal am Steuer saß, der versteht auch, warum. Klar kitzelt zumindest bei den sportlichen Mini-Derivaten auch der Klang die Nerven und der Sound gehört zum sinnlichen Erlebnis der Sonnenanbeter. Doch erstens ist ja nicht jedes Cabrio ein Cooper S oder gar ein John Cooper Works. Und zweitens hat bisweilen auch die Ruhe ihren Reiz. Und ein reines Gewissen ist auch nicht zu verachten.

Wenn der Mini Cooper SE binnen 18 Sekunden auf Knopfdruck alle Hüllen fallen lässt und sich in voller Offenheit präsentiert, ändert sich deshalb schnell der Erlebnishorizont der Insassen. In der Stadt bekommt man viel mehr mit vom Treiben auf den Boulevards, hört das Lachen der Gäste in den Straßencafés und das Klappern des Geschirrs und fühlt sich mittendrin statt nur dabei.

Und draußen auf dem Land wähnt man sich plötzlich eins mit der Natur, ist kein Fremdkörper mehr, sondern Teil des Ganzen und hört je nach Tempo das Rauschen des Windes in den Blättern genauso klar wie das Zwitschern der Vögel in den Bäumen. Und auch eine frisch gemähte Wiese oder ein feuchter Morgen im Wald riecht plötzlich viel intensiver, wenn das Gewissen so rein ist wie die Luft hinter dem Auto. Es ist fast so, als würde man mit dem Fahrrad durch die Landschaft gondeln. Nur dass es im Mini sehr viel flotter geht und nicht so anstrengend ist.

Wobei flott in diesem Fall eine Frage der Interpretation ist. Denn so sehr Mini das GoKart-Feeling predigt, so handlich der Dreitürer ist und so rasch er von der Ampel in der City weg- oder aus den Serpentinen in den Bergen vor der Stadt herausbeschleunigt, so wenig imposant sind die restlichen Daten im Fahrzeugschein.

184 PS gehen noch in Ordnung, aber schon die 7,7 Sekunden von 0 auf 100 sind eher bescheiden. Mit 150 km/h Spitze ist auch kein Stich zu machen, wobei dann wenigstens die Frisur in Form bleibt, und selbst wer seinen Mini nur für die Sonnenstunden des Lebens abstöpselt, kommt mit rund 33 kWh Akkukapazität und 230 Kilometern Reichweite kaum über die Runden. Erst recht nicht, wenn er wie jetzt bei der Jungfernfahrt unter dem wolkenlosen Himmel von Miami unterwegs ist.

Dafür allerdings überrascht die elektrische Sommerfrische mit einem Reifegrad, den man einem solchen Einzelstück aus Handarbeit kaum zugetraut hätte. Denn es knackt und knarzt nichts während der Fahrt, auch offen wirkt der Wagen bocksteif und die Elektronik macht vom Bordcomputer bis zum Space-Sound auch keine Zicken. Spätestens da zeigt es sich, dass dieses Guerilla-Projekt nicht mit der Trennscheibe umgesetzt wurde, sondern dass es bei Mini mittlerweile genügend Elektro- und Cabrio-Kompetenzen für ein entsprechend solides Schaustück gibt.

Und was die bescheidenen Fahrleistungen angeht, sind die bei diesem Einzelstück ja ohnehin völlig nebensächlich. Denn ein rundes Jahr vor dem Produktionsende denkt Mini nicht einmal im Traum daran, den elektrischen Dreitürer noch aufzuschneiden.

Vielmehr soll dieses Auto ein Versprechen sein, dass die Briten das Cabrio beim Generationswechsel nicht vergessen und auch auf der in China entwickelten Elektro-Plattform des Nachfolgers ein Open-Air-Modell vorsehen – mit knackigeren Proportionen durch einen größeren Radstand und kleinere Überhänge, mit modernerem Infotainment und mit leistungsstärkerem Antrieb.

Schließlich wird es den E-Mini der zweiten Generation zum Jahreswechsel 2023/24 in zwei Varianten mit 185 PS und 40 kWh für 300 Kilometer Reichweite geben oder mit 225 PS, 50 kWh und einem Aktionsradius von 400 Kilometern. Und selbst wenn sie noch nicht final entschieden haben, wie schnell er denn tatsächlich fahren soll, wollen sich die Briten künftig nicht mehr mit den bescheidenen 150 km/h begnügen.

Die letzten Verbrenner-Cabrios stehen spätestens mit dem Ende des Benziners vor dem Aus, und neue sind bis auf ein paar offene Sportwagen an der Ladesäue nicht in Sicht. Doch zumindest dieses Einzelstück aus Amerika verspricht einen strahlenden Sommer – auch in der Ära des Elektroautos.

Aus dem Datencenter:

Marktanteile nach Antriebsarten im Juni 2022