"Carvana steht am Rande der Pleite"

Für Carvana, die Mutter aller Gebrauchtwagenplattformen, wird es zunehmend eng. Im vierten Quartal 2022 häufte das einstige Vorzeige-Start-up Verluste von mehr als 800 Millionen US-Dollar an. Das Minus über das Gesamtjahr summiert sich auf rund 1,6 Milliarden US-Dollar.

"Carvana steht am Rande der Pleite“, sagte Peter Zollman, Gründer und Chef des US-Marktanalysten AIM Group, im Gespräch mit der Automobilwoche. „Niemand weiß, ob sie es schaffen.“

Fehler und Selbstüberschätzungen gepaart mit unglücklichen Umständen und sich verschlechternden Rahmenbedingungen setzen dem Unternehmen zu. Carvana scheint im perfekten Sturm zu stecken.

Quelle: Carvana

"Aus kurzfristiger Sicht war es eindeutig ein sehr schwieriges Jahr“, schrieben Carvana-CEO Ernie Garcia und Finanzchef Mark Jenkins laut Automotive News, dem Schwesternblatt der Automobilwoche, in einem Brief an die Aktionäre. Nach acht Jahren, in denen sich die Schlüsselkennzahlen der Gruppe kontinuierlich verbessert hätten, seien sie nun wieder einen Schritt zurückgegangen.

Allein im vierten Quartal brach der Fahrzeugabsatz um knapp ein Viertel (23 Prozent) auf rund 87.000 Gebrauchtwagen ein. Der Bruttogewinn pro Fahrzeug schrumpfte um mehr als die Hälfte (51 Prozent) auf 2219 US-Dollar pro Fahrzeug.

Die Entwicklung setzt sich im neuen Jahr fort. Caravana rechnet im ersten Quartal mit sinkenden Verkäufen. Kein Wunder also, dass die Plattform weiter auf die Kostenbremse steigt: Bis zum zweiten Quartal sollen die Vertriebs- und Verwaltungskosten um 100 Millionen US-Dollar sinken. Einen weiteren Personalabbau plant das Unternehmen derzeit nicht.

Einen deutlichen Beitrag zum Abrutschen der Plattform hat die Übernahme von Adesa gespielt. Für das US-Auktionsgeschäfts von Kar Global zahlte Caravan Anfang vergangenen Jahres 2,2 Milliarden US-Dollar in bar. Dann stiegen die Zinsen. Im Gegenzug gingen Nachfrage und Gebrauchtwagenpreise deutlich zurück.

"Manche sagen, der Kauf von Adesa war ein großer Fehler“, so Zollmann. Zumindest scheint es der falsche Zeitpunkt gewesen zu sein. "Jetzt geht Carvana langsam das Geld aus.“

Auch der britisch Carvana-Klon Cazoo stolperte über seine Expansion. Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien – alles innerhalb weniger Monate, alles verbunden mit hohen Investitionen und Marketingausgaben.

Die Einnahmen aus dem Börsengang, auch er musste mittels SPAC (Börsenmantel) möglichst rasch gehen, sind wohl weitgehend weg. Schwung an der Börse gab es zuletzt durch den Reverse Stock Split (1 zu 20). Durch das Zusammenlegen der Aktien zog der Börsenkurs der Pennystocks nochmals an.

Dabei trennt sich die britische Plattform derzeit vor allem von ihrem Tafelsilber: Mit dem Verkauf der Auto-Abo-Tochter Cluno hat Cazoo das Kapitel Kontinentaleuropa abgeschlossen.

Quelle: Auto1 Group

Das spielt Auto1 natürlich in die Karten. Das Berliner S-Dax-Unternehmen steuert auf schwarze Zahlen zu. Im vierten Quartal erwartet Konzernchef und Mitgründer Christian Bertermann, die Schwelle zum operativen Gewinn zu erreichen. Dazu will die Plattform ihre Verlust aus dem Tagesgeschäft deutlich senken. Über das Gesamtjahr hinweg rechnet Bertermann mit einem Ebitda-Minus von 60 bis 90 Millionen Euro. Dafür will Auto1 zwischen 625.000 und 690.000 Autos verkaufen, davon 65.000 bis 70.000 über die Privatkundensparte Autohero.

Kein Wunder also, dass Bertermann zuversichtlich ist: "Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Reise und ich freue mich darauf, sowohl dieses Jahr als auch darüber hinaus weiterhin unsere Mission zu verwirklichen, den Gebrauchtwagenmarkt neu zu erfinden.”

Aus dem Datencenter:

Top-10-Autohändler im Gebrauchtwagengeschäft der USA