Was der neue Audi-Chef jetzt anpacken muss

Vor dem Abgasskandal 2015 war Audi stets auf Erfolgskurs: Der Absatz stieg von Jahr zu Jahr und es schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis zum erklärten Ziel: Audi wollte der erfolgreichste Premiumhersteller der Welt werden. Das ist lange her. Inzwischen sind nicht nur Mercedes und BMW wieder deutlich vor den Ingolstädtern, auch Tesla setzt zum Überholen an. Das wäre für die Audianer, die nach wie vor unter dem Leitspruch „Vorsprung durch Technik“ auftreten, besonders bitter.

Der neue Audi-Chef Gernot Döllner wird also keine lange Einarbeitungszeit bekommen. Er muss sich dringend um die zahlreichen Baustellen von Audi kümmern. Die Automobilwoche nennt die zentralen Aufgaben für Döllner:

Audi hat seit Jahren kein wichtiges neues Modell mehr auf den Markt gebracht. Während Mercedes mit EQS, EQS SUV, GLE und GLE SUV sowie BMW mit iX, i4 und i7 eine ganze Reihe von Stromern auf dem Markt hat, hat sich der Marktstart von Audi Q6 e-tron immer weiter verschoben. Ende 2023 soll es soweit sein Das liegt nicht nur an Audi, sondern vornehmlich an den Verzögerungen bei der Softwaretochter Cariad. Aber die angekündigten 20 neuen Modelle bis 2025, die Hälfte davon reine Elektroautos, sollten besser wie geplant auf den Markt kommen, sonst sieht es für Audi düster aus. Noch verkaufen sich die Verbrenner zwar, aber je näher das Ausstiegsdatum rutscht, desto schwieriger wird es werden. Struktur in die nach Angaben von Ex-Chef Duesmann "größte Modelloffensive der Konzerngeschichte" zu bringen, hat für Gernot Döllner zunächst absolute Priorität.

China hin oder her – die USA sind immer noch der zweitgrößte Automarkt der Welt und entsprechend wichtig. Auch hier muss Audi aufholen. In Zahlen: Im vergangenen Jahr hat Mercedes dort 350.949 Autos verkauft, bei BMW waren es 332.388. Audi kam gerade mal auf 186.875. Der Absatz von Tesla auf seinem Heimatmarkt betrug übrigens 491.000 Autos. Noch ist nicht geklärt, ob Audi in den USA ein eigenes Werk bauen wird, was aufgrund der Zölle deutliche Vorteile bieten würde. Die Entscheidung sollte Döllner zwar überlegt, aber dennoch zeitnah treffen – schließlich wird es danach noch Jahre dauern, bis die Produktion beginnt. Markus Duesmann hatte zuletzt eine baldige Entscheidung über die US-Produktion von Audi angekündigt. Jetzt liegt das Votum bei Gernot Döllner.

Nicht nur bei den Modellanläufen und dem Absatz liegt Audi hinter den Konkurrenten BMW und Mercedes. Das gilt auch für die Wahrnehmung als Premiummarke, ein eher weiches Kriterium. Audi ist bekannt für seine gute Qualität, hat in anderen Feldern aber länger keine Duftmarken mehr gesetzt. In China wird Audi verstärkt als "Beamtenauto" wahrgenommen, nicht als echte Konkurrenz für BMW und Mercedes. Die beiden Konkurrenten aus München und Stuttgart sind Audi vorerst enteilt, technologisch und bei den Vertriebszahlen. Wenn BMW im September auf der IAA seine Neue Klasse vorstellt, wird der Abstand zu den Ingolstädtern sogar vorerst noch größer werden. Es liegt an Döllner, Audi wieder offensiver als Rivalen von BMW und Mercedes zu positionieren.

Die Audi-Werke müssen in den kommenden Jahren nicht nur auf Elektroautos, sondern auch auf digitalisierte Produktion umgestellt werden. Hier wartet noch viel Arbeit. Bisher laufen in den Audi-Werken Ingolstadt und Neckarsulm hauptsächlich Verbrenner-Modelle von den Bändern. Produktionsvorstand Gerd Walker hat für den Wandel ein Factory-360°-Konzept aufgelegt, das Schritt für Schritt umgesetzt wird. Die fünf (oder mit den USA im Falle eines Werksbaus sechs) Audi-Werke brauchen Modernisierungen und klare Konzepte, um die Fahrzeugproduktion für die Zukunft zu stemmen. Die Beschäftigten bei Audi bei diesen Umbauten mitzunehmen, die Werke bei laufender Fertigung umzurüsten und gleichzeitig den Anspruch an Produktionsexzellenz nicht aufzugeben, wird eine der Kernaufgaben für Gernot Döllner sein.

Audi war mal eine innovative Marke. Das betrifft nicht nur die bekannten Techniken wie TDI, Quattro und Space-Frame-Karosserie, sondern auch Fünfventil-Motoren und Multitronic – Innovationen, die weniger erfolgreich waren, aber gezeigt haben: Die Marke traut sich was, probiert etwas aus, will vorankommen. Auch das ist lange her. Der e-tron war kein schlechtes Auto, aber schon der e-tron GT basierte auf dem Porsche Taycan und der Q4 e-tron baut auf dem MEB des VW-Konzerns auf. Innovative Eigenentwicklungen sucht man bei Audi in letzter Zeit vergebens. Beim autonomen Fahren, einst Speerspitze Audis technologischer Ideen, sind BMW und Mercedes enteilt.

Die wohl schwierigste und gleichzeitig auch langfristig angelegte Aufgabe für Gernot Döllner wird sein, Audis Ingenieuren und Entwicklern wieder eine breite Brust zu verschaffen. Ideen aus Ingolstadt, die den Konzern verändern, Autos, die Kunden staunen lassen. Die Ressourcen und das Know-How dafür hat die Marke mit den vier Ringen nach wie vor. Es liegt an Gernot Döllner, sie wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Aus dem Datencenter:

Modellvorschau Audi 2024 bis 2026