Das Verhältnis von Porsche zu den Händlern ist außergewöhnlich gut. In der jährlichen Umfrage des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) zur Zufriedenheit von Händlern mit ihren Marken liegt Porsche zuverlässig vorn. Geht es nach Alexander Pollich, Geschäftsführer von Porsche Deutschland, soll sich am engen Dialog nichts ändern.
Herr Pollich, kaum eine Marke hat zufriedenere Händler. Haben Sie den besten Vertriebsjob im Land?
Das ist harte Arbeit – wir können uns nie zurücklehnen. Das wichtigste Erfolgsrezept ist der Dialog auf Augenhöhe und die Suche nach einem Konsens mit der Handelsorganisation. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, die Händler mitzunehmen, als etwas mit der Knute durchzusetzen. Probleme darf man außerdem nicht schönreden, sondern muss sie transparent und gemeinsam angehen. Dazu gehört dann auch, dass wir auf Händlermeetings schon mal „gegrillt“ werden.
Dass man mit Porsche gutes Geld verdienen kann, dürfte der Zufriedenheit und Konsensfindung auch nicht ganz abträglich sein.
Das kann man so sagen. 2022 ist wirklich sehr gut gelaufen für die Händler. Wir konnten beim operativen Ergebnis mit einer Umsatzrendite von durchschnittlich etwas über fünf Prozent einen neuen Rekord einfahren. Aber das ist auch richtig so. Unsere Kunden sind anspruchsvoll, und wir fordern unseren Händlern einiges an Investitionen ab. Das Geschäftsmodell muss sich für alle Beteiligten lohnen.
Alle VW-Konzernmarken führen gerade Agenturmodelle ein. Nur Porsche hält eisern am selektiven Vertrieb fest. Bleibt es dabei?
Für uns ist nicht das System entscheidend oder dass wir mit den anderen im Strom schwimmen. Uns kommt es darauf an, den Kunden am Point of Sale das bestmögliche Erlebnis zu bieten. Und das funktioniert im jetzigen Vertriebsmodell sehr gut. Das hat erst jüngst wieder die Triple A-Testkaufstudie der Automobilwoche belegt. Insofern: Never change a running system! Das heißt aber natürlich nicht, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Wir sind im engen Dialog mit unseren Partnern, wie wir uns im Vertrieb weiterentwickeln müssen. Die Händler investieren deshalb gerade enorm in die Zukunft.
Sie meinen die Umstellung auf das neue Vertriebskonzept Destination Porsche?
Genau. Wir haben mit Destination Porsche ein komplett neues Kundenerlebnis geschaffen, das bis 2030 an all unseren Standorten in Deutschland ausgerollt werden soll. Bisher waren die Schauräume in den Porsche-Zentren eher produktzentriert und daher manchmal recht kühl. Mit Destination Porsche zieht eine einladende, wärmere Atmosphäre ein. Die Kunden bewegen sich dabei entlang thematischer Module durch den Showroom. Damit einher gehen neue Jobrollen sowie eine Digitalisierung vieler Prozesse für einen nahtlosen Omnichannel-Vertrieb. Solange die Händler die Bereitschaft haben, diesen gemeinsamen Weg weiterzugehen, und die Ergebnisse weiter derart gut sind, haben wir keine Veranlassung, das Vertriebssystem zu ändern.
Dabei geht es pro Standort schnell um Investments von 15 bis 20 Millionen Euro. Ist das zeitgemäß?
Die Frage ist berechtigt. Aber es geht bei den Projekten ja um mehr, als einfach außen eine schicke neue Fassade anzunageln. Entscheidend ist, was innen passiert. Wir gestalten zum einen die Customer Journey völlig neu und bauen zum anderen auch die Kapazitäten im Aftersales deutlich aus. Das bringt regelmäßig unmittelbar mehr Umsatz und Ertrag. Unsere Händler sind allesamt erfahrene Unternehmer, die meist schwäbischer aufgestellt sind als ich. Die rechnen sich den Business Case genau aus, bevor sie investieren. Trotzdem ist jedes Projekt ein enormer Vertrauensbeweis, den wir sehr zu schätzen wissen.
Was sind die entscheidenden Vorzüge des selektiven Vertriebs, die Sie daran festhalten lassen?
Das unternehmerische Engagement und Herzblut. Unsere Kunden gehen gerne ins Porsche-Zentrum. Natürlich bereiten sich die meisten digital sehr gut vor, schätzen aber dann den Austausch mit der Verkäuferin oder dem Verkäufer über die Details. Da ist es wichtig, dass die Mannschaft vor Ort mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Wir haben beobachtet, dass das vor allem dann der Fall ist, wenn dahinter ein Händler steht, der wirklich Unternehmer ist und sich mit der Marke und dem Kunden identifiziert. Das zeigt sich vor allem bei Schwierigkeiten, wenn der Händler sagt: Das ist mein Kunde. Ich will sein Problem jetzt lösen.
Hat der Entschluss für den selektiven Vertrieb auch damit zu tun, dass Sie dadurch die teuren Standorte und die Fahrzeugbestände nicht in der eigenen Bilanz haben?
Das ist nicht zu leugnen. Zum Herzblut der Händler kommt dadurch auch die unternehmerische Verantwortung. Unsere Vertriebsstrategie ist, dass wir vor allem auf Kundenbestellungen hin fertigen und schlanke, optimierte Fahrzeugbestände haben. Durch das selektive Vertriebsmodell liegt das auch im unternehmerischen Interesse der Händler. Unsere Ziele sind somit kongruent.
Ihre Wettbewerber begründen den Wechsel in die Agentur oft damit, nur so ein gutes Kundenerlebnis mit einem nahtlosen Wechsel zwischen Online- und Offlinekanälen bieten zu können. Demzufolge müssten Sie durch das klare Festhalten am selektiven Vertrieb bald viele unzufriedene Kunden haben.
Das glaube ich nicht. Omnikanalität ist ein wesentliches Element unserer Strategie. Die ist zwar in der Agentur, wo der Hersteller alle Kontaktpunkte selbst besetzt, einfacher. Zwingend notwendig ist die Agentur aber nicht. Wir sind beim Omnichannel-Vertrieb gut unterwegs. Wir haben in Deutschland 2019 den Onlinevertrieb von Gebrauchtwagen und Bestandsfahrzeugen gestartet und mittlerweile mehr als 2000 Anfragen pro Monat. Kunden haben dabei volle Freiheit, wie sie den Kauf abwickeln. Sie können jederzeit den Kanal wechseln und beispielsweise in den Handelsbetrieb gehen, das Fahrzeug Probe fahren, mit dem Verkäufer sprechen und die verbindliche Bestellung dann online erledigen. Seit Ende 2022 gibt es das auch für Neuwagen. Pro Monat leiten wir etwa 1000 Konfigurationen an unsere Händler weiter. Wer will, kann die Fahrzeuge online auch gleich verbindlich reservieren. Wir wollen Kunden maximale Flexibilität bieten. Dabei ist klar: Omnichannel funktioniert nicht ohne Handel. Fahrzeugübergabe oder Probefahrten müssen am Point of Sale stattfinden. Wenn man das im Konsens organisiert, funktioniert Omnikanalität auch ganz hervorragend im indirekten Vertriebsmodell.
Haben Sie mit derzeit 90 Porsche-Zentren Ihre Zielgröße erreicht?
Nein, insbesondere im Service und bei Gebrauchtwagen brauchen wir neue Standorte und Formate. Wir beginnen gerade, unsere neuen „Porsche Approved Service Zentren“ auszurollen. Das sind Standorte, die an bestehende Vollfunktionsbetriebe angedockt werden. Wir haben festgestellt, dass die Fahrbereitschaft der Kunden im Service geringer ist als beim Kauf von Neuwagen. Insofern haben wir da eine Handvoll Open Points, die wir besetzen wollen. Der erste Standort wird 2023 in Frankfurt eröffnen, Hamburg soll in 2024 folgen. Ein weiteres neues Format sind „Porsche Zentrum Satelliten“. Das ist ein reduziertes Format als Ergänzung zu einem bestehenden Vollfunktionsbetrieb für kleinere Städte, mit dem wir noch einiges vorhaben. Schwerpunkte sind hier Service sowie Neu- und Gebrauchtwagen.
Das Interview führte Armin Wutzer.
Das Interview stammt aus der neuen Automobilwoche-Edition "75 Jahre Porsche". Sie wollen mehr daraus lesen? Klicken Sie hier!